BUND kritisiert starren Netzausbauplan

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Stromnetzplan: Kohletrasse und falsche Zentralität

Prof. Dr. Hubert Weiger, Präsident des BUND, verfolgt derzeit die Diskussion um die Energiewende mit „großer Sorge“. Zwar seien die politischen Ziele der Energiewende akzeptiert, doch manchmal stehe die soziale Sicherheit auf dem Spiel, mal gehe der Wechsel auf die erneuerbaren Energien zu schnell, mal zu langsam. In Berlin erinnerte er noch einmal an die Ziele der Energiewende: Es gehe um den Ersatz von Atom- und Kohlekraftwerken. Die Energiewende ist daher dringend erforderlich und müsse sogar noch beschleunigt werden. Die Bundesrepublik müsse das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2020 von 35 auf 45 bis 50 Prozent erhöhen. Gleichzeitig müsse der Strombedarf um 20 Prozent gesenkt werden. Doch derzeit lege die Bundesregierung die Axt an das EEG, deckele und den Sonnenstrom.

Das Netz

Zentrales Element der Energiewende ist das Stromnetz. Seit dem 06. September lässt die Bundesnetzagentur den Netzentwicklungsplan öffentlich diskutieren. Gemäß ihrem Motto: „Mitreden, mitgestalten, mitentscheiden!“
Der BUND ist schon länger bei der Netzplanung dabei und zog am Mittwoch ein ernüchterndes Fazit über den Prozesses und das Ergebnis. Es seien keine Änderungen auf bisherige Beteiligungen erkennbar, die Trasse mit der Nummer 4 sei eine Braunkohletrasse für den europäischen Stromhandel und es fehlt an Alternativkonzepten. Dr. Werner Neumann, Sprecher der Arbeitsgruppe Energie beim BUND, kritisiert zudem, dass die Bundesnetzagentur die Prüfkriterien für die Umweltverträglichkeitsprüfung erst selbst aufstellt und dann für die Einhaltiung verantwortlich sei. Da die Agentur keinen Ausgangspunkt für die Messung elektromagnetischen Felder zu bestimmen wusste, werde darauf gar nicht mehr geprüft.
Insgesamt hinke der Netzentwicklungsplan seiner Zeit schon hinterher. Zunächst sollte ein Bedarfsplan für das Jahr 2012 erstellt werden, der dann jährlich neu angepasst werden sollte. Derzeit werden in den Konsultationen gleich die beiden Verfahren für 2012 und 2013 zur Diskussion gestellt.

Gebaut ist gebaut ist gebaut

Am meisten fürchtet der BUND, dass die Planung zu wenig flexibel ist, um auf sinkende Stromverbräuche zu reagieren. Er stelle auch die Dezentralität als wichtigstes Element der Energiewende in Frage.
Die Offshore-Windkraft stockt. Technische Probleme und fehlende „Deichanschlüsse“ machen die Investitionen riskant. Dagegen boomt vor allem im Norden die Onshore-Windkraft. Doch während dort 63 Prozent des Windstroms produziert werden, liegt mit 62 Prozent Anteil der größte Verbrauch im Süden der Republik. Dieses Verhältnis soll mit den neuen Leistungstrassen ausgeglichen werden. Doch der Süden holt auf. In Bayern und Baden-Württemberg stehen immer mehr Windräder. Sowohl die Verringerung des Verbrauchs als auch die Zunahmen der Stromproduktion, auch durch neue Biogasanlagen mit Speichertechnologien, werden den Bedarf an neuen Trassen verringern. Alternative Überlegungen finden nach Ansicht des BUND dazu nicht statt. Im Umkehrschluss würden die Stromautobahnen in Richtung Süden die Entwicklung dezentraler Erzeugung ausbremsen.

Nord-Süd-Akzeptanzgefälle in Bayern

Dem Ausbau der bayerischen Windkraftanlagen weht derzeit ein kräftiger Gegenwind in die Rotoren. Vor allem aus dem Alpenvorland. Vielleicht sind den bayerischen Grundstücksbesitzern die Überlandleitungen aus dem Norden doch lieber als das Windrad im Alpenblick? Prof. Weiger hingegen differenziert. Im Norden Bayerns hat die Regionalplanung konfliktfreie Standorte zusammen mit den Bürgern ausfindig gemacht. Vor allem Bürgerwindanlagen erhöhen die Akzeptanz. Windräder am Starnberger See hingegen wurden solitär erstellt, weil die Planung defizitär sei, erläutert der BUND-Vorsitzende gegenüber Herd-und-Hof.de.
Die Münchener Schotterfläche sei ein guter Standort. Dort weht in 140 Meter Höhe nahezu ein Küstenwind für die effiziente Stromproduktion. Prof. Weiger setzt auf den technischen Fortschritt und qualitative Planung, damit sensible Alpenpanoramen unverstellt bleiben.

Die Bürgerbeteiligung

Die Bürgerbeteiligung ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen soll sie den Planern Sicherheit geben, zum anderen drohen Widersprüche zu einem gesellschaftlichen Diskurs über eine generelle Politikrichtung auszuarten [1]. Derzeit ist der Gesetzentwurf „Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren“ in Arbeit. Die erste Lesung ist durch. Aus dem Innenministerium erfuhr Herd-und-Hof.de am Mittwoch, dass die Berichterstatter in der nächsten Woche zu einem Gespräch zusammen kommen. Wann das Gesetzgebungsverfahren jedoch abgeschlossen ist, ist noch offen.
Prof. Weiger möchte jedoch keine Differenzierung zwischen gesellschaftlichem Diskurs und Nachbarwiderständen machen. Früher waren die Bürgerbeteiligungen intensiver gewesen und bei den Raumplanungsverfahren wurden immer Alternativen aufgezeigt. Erst mit der Wende und den Infrastrukturprojekten Deutsche Einheit wurden zur Beschleunigung der Verfahren Beteiligung und Alternativkonzepte reduziert. Später wurde das für die gesamte Planung übernommen, so Prof. Weiger.
Parallel ist das Wissen der Bürger angewachsen und über soziale Netzwerke findet in kurzer Zeit ein Informationsaustausch statt. Daher solle die Bürgerbeteiligung partnerschaftlich geschehen, weil die Betroffenen auch Fachwissen beitragen können. An eine Verlängerung von Planungsverfahren habe der BUND kein Interesse. Das koste Zeit, Geld und Kraft.

Lesestoff:

www.bundesnetzagentur.de

www.bund.net

Bürger-Konsultationen sind gestartet

[1] Bürgerbeteiligungen beim Stallbau

Roland Krieg

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