Bund soll ernst mit INSIKA machen

Handel

INSIKA: Bund für oder gegen Handel

„Stohrnooo!“ Der Käufer in der Kassenschlange weiß, jetzt dauert es einen Moment länger, bis eine Kassiererin mit „Stornoschlüssel“ den Tippfehler korrigiert hat. Oder ist der Ruf ein Freudenschrei, weil die Kasse die Rechnung ohne das Finanzamt macht?

Der Bundesrechnungshof hat in seinem Bericht 2003 bereits ausgeführt: Bei modernen Kassensystemen „lassen sich eingegebene Daten sowie im System erzeugte Registrier- und Kontrolldaten ohne nachweisbare Spuren verändern. Bei Bargeldgeschäften in mehrstelliger Milliardenhöhe drohen nicht abschätzbare Steuerausfälle.“ Der Bundesrechnungshof empfahl eingriffssichere elektronische Kassen einzuführen. Den Vogel bisher aufgedeckten Kassenbetruges hat eine Eisdiele in Rheinland-Pfalz abgeschossen. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz hat bei einer Außenprüfung dem Besitzer einer Eisdiele einen Steuerbetrug seit 2003 in Höhe von 1,6 Millionen nachweisen können. Durch den Einsatz einer manipulierten Kasse. Haftbar ist der Firmenbesitzer, der die Kasse mit Manipulationssoftware ausgestattet und vertrieben hat.

Kassenmanipulationen sind vielfältig: Neben dem Storno, können die Anzahl und die Höhe der Umsätze variiert werden, der Tagesumsatz reduziert oder Trainigsspeicher in der Gastronomie missbraucht werden. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen schätzt die Steuerausfälle aus Kassenmanipulationen auf fünf bis zehn Milliarden Euro pro Jahr. Das Bundesfinanzministerium hat bereits vor fünf Jahren eine Umrüstung aller elektronischen Kassen bis Ende 2016 vorgesehen.

Software-Update und INSIKA

Für die Praxis gibt es ein Software-Update, bei dem verschiedene Kassenhersteller bereits Listen und Hilfestellungen angeboten haben. Ansonsten gibt es aber den so genannten „Fahrtenschreiber“ für Kassensysteme: „Integrierte Sicherheitslösung für messwerteverarbeitende Kassensysteme“ – INSIKA. Das System basiert auf einer digitalen Signatur, die bei jedem Kassiervorgang erzeugt und auf ein internes oder externes Kartenlesesystem übertragen wird. Die Signatur ist auf dem Kassenbon ebenfalls vorhanden, so dass eingegebene Daten nicht mehr nachträglich manipuliert werden können.

Derzeit steht der Bund aber auf der Bremse und Bündnis 90/Die Grünen wollen mit einem Antrag Schwung in das Kassensystem bringen. Das Bundesfinanzministerium kann die Steuerausfälle, die von NRW vorgelegt wurden, nicht nachvollziehen, teilte es im Oktober 2015 mit. INSIKA sei bereits 2009 am Widerstand der Länder und Ressorts gescheitert, weil das Bundesfinanzministerium noch technische und rechtliche Fragen geklärt haben wollte. Vielleicht sind andere Verfahren möglich, aber das Wirtschaftsministerium hat INSIKA bis 2012 schon mit 225.000 Euro gefördert. In Österreich ist eine „Registrierkassensicherheitsverordnung“ in Notifikation und Frankreich hat sich für eine technologieoffene zertifizierte Softwarelösung eingesetzt. Damit auch kleine Betriebe sichere Kassen einsetzen können, wollen die Grünen den Abschreibungsbetrag von 410 auf 1.000 Euro für Kassen erhöhen.

HDE und MBF

Der Gegenwind aus dem Bundesfinanzministerium (BMF) wird vom Handelsverband Deutschland (HDE) unterstützt. HDE-Steuerexperte Jochen Bohne rechnet Kosten von 150 bis 300 Euro je Kasse vor. Für den Einzelhandel mit mehr als einer Million Kassen kämen dabei bis zu 300 Millionen Umrüstungsaufwand zu, sagte er im August 2015. Alleine die Edeka-Gruppe mit 41.500 Kassen müsste 6,7 Millionen Euro bezahlen, erneuerte Bohnen im Februar dieses Jahres seine Kritik. „Eine einseitige Festlegung auf INSIKA ist nicht sachgerecht“, unterstützte in HDE-Chef Stefan Genth.

Doch die Kritik stößt auf wenig Gegenliebe. Ausgerechnet das Wirtschaftsmagazin für Handelsunternehmen „Der Handel“ berichtet aktuell über den Rüffel, den Bohne im Finanzausschuss erhalten habe, weil das Kostenargument nicht überzeugt.

Technisch gesehen schützt auch INSIKA nicht vor „Nichterfassung eines Geschäftsvorganges“; die Branche denkt auch an Testeinkäufer nach. Alles erscheint möglich, nur kein Ende möglicher Manipulationen. Redakteur Steffen Gerth kritisiert denn auch den HDE. „Viel günstiger als INSIKA werden andere technische Lösungen nicht“, schreibt er im aktuellen Kommentar. „Also könnte man das System doch gleich einführen“ und unterstützt damit den Antrag der Bundesgrünen.

Roland Krieg

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