Campione d´Italia in die Zollunion der EU

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Die Zollzukunft des Pleitedorfes

Der Langobarde Toto von Campione hatte in seinem Testament im Jahr 777 das Gebeiet von Campione am Ostufer des Luganer Sees dem Kloster Sant Ambrogio in Mailand vermacht. Der Clou: Das Dorf mit heute etwa 2000 Einwohnern liegt mitten in der Schweiz. Im 15. Jahrhundert genoss die italienische Enklave bereits Zollfreiheit. Die Dörfler kämpften mit den Eidgenossen gegen die Franzosen. Die Bindung an die Schweiz ist aber nicht nur wegen der Räumlichkeit eng. Zahlungsmittel ist der Schweizer Franken, die Zufahrtswege werden von der Schweiz in Ordnung gehalten und die Autos tragen Schweizer Nummernschilder aus dem Tessin.

Engere Bindung an Italien

Am 18. Juli 2017 hat die italienische Regierung in einem Schreiben an die EU  die Aufnahme von Campione d`Italia und dem dazugehörenden Gebiet des Luganer Sees in die Zollunion der EU beantragt. Bislang fiel der Ort unter die Ausnahme der Richtlinie 2008/118/EG und war aus historischen Gründen aus dem Zollgebiet der EU ausgeschlossen. Daher gibt es zwischen Campione und der Schweiz keine Zollkontrollen. Das will Italien mit dem 01. Januar 2019 ändern. Auch, weil die Schweiz bestrebt ist, die Enklave in sein Zollgebiet zu integrieren. Nach Wünschen der Italiener soll das Dorf aber weiterhin von der Mehrwertsteuerrichtlinie 2006/112/EG ausgeschlossen bleiben, damit in dem Ort keine Wettbewerbsverzerrung mit Unternehmen aus der Schweiz entsteht. Das Europaparlament hat dem EU-Rat in namentlicher Abstimmung am Dienstag vorgeschlagen, die Änderung anzunehmen.

Das Dorf ist pleite

Campione d´Italia ist aber nicht wegen der italienischen Wünsche in den Schlagzeilen. Neben der Wallfahrtskirche mit Fresken aus dem 13. Jahrhundert und zahlreichen berühmten Architekten und Malern, den Maestri Campionesi, errang das vor genau 100 Jahren eröffnete Kasino große Berühmtheit. 2006 neu erbaut gilt es als das größte Europas. „Ohne das Kasino ist das Dorf tot“, zitiert die Neue Zürcher Zeitung einen Busfahrer. Das Kasino ist die einzige Einnahmequelle der Enklave und schloss vor kurzem die Tore. Das Kasino hat einen Schuldenberg von 157,7 Millionen Schweizer Franken angehäuft und kann derzeit keine Löhne mehr zahlen. Grund für die Pleite ist der Wechselkurs. Das Kasino wirtschaftet in Euro, die Bewohner und Gäste der Enklave müssen aber sonst alles in Franken bezahlen.

EU oder Tessin?

Der Bürgermeister hat sich bereits an Rom gewandt. Dort ist das Innenministerium für die vier italienischen Kasinos in Campione, Sanremo, Venedig und Saint-Vincent zuständig. Rom habe die Warnungen vor einer Schließung in den Wind geschlagen. Die Glücksspieler wandern derzeit in die Schweizer Kasinos ab, die allemal kleiner als das in Campione sind.

Derweil sinnieren die Italiener am Luganer See über Einkommensalternativen nach. Steuerprivilegien und ein Luxushotel stehen auf der Wunschliste ganz oben. Ob das aber in die Verantwortung Roms fällt, bleibt auch nach der Abstimmung offen. Schweizer Politiker fordern die Angliederung der Enklave an den Tessin.

Roland Krieg

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