Chance Entglobalisierung

Handel

Zukunft Ethical Sourcing

>„Auf Dauer kann man nicht gegen die Öffentlichkeit erfolgreich sei“, sagte Dr. Rainhardt Freiherr von Leoprechting, Präsident der Handelsvertretung EuroCommerce in Brüssel auf der Jahrestagung des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) in Berlin. Für die Händler werde es in Zukunft von elementarer Bedeutung sein, den inflationär verwendeten Begriff der Nachhaltigkeit mit Substanz zu füllen. Man müsse dabei nicht weit reisen, denn mit der Osterweiterung der EU stünden dem Handel Märkte zu Verfügung, „von denen sie noch nicht einmal ahnen, dass es sie gibt“. Deutschland liege geografisch sehr zentral und in maximal drei Flugstunden kann man seinem Ansprechpartner gegenüber stehen. Die Harmonisierung des europäischen rechts sorge mittelfristig für gleiche Rahmenbedingungen und Freiherr von Leoprechting erinnerte daran, dass rund 80 Prozent der Gesetze, die den Handel betreffen, auf Brüsseler Basis stehen.

Loup de Mer aus dem Saarland
Prof. Dr. Joachim Zentes von der Universität des Saarlandes, sieht bei der internationalen Warenbeschaffung oder Aufstellung des Handels Nachfolger des „Low cost sourcing“ in China und Vietnam. Der Modemarkt beispielsweise braucht kürzere Transportwege, weswegen mit Spanien, Griechenland und der Türkei Länder über das „Speed sourcing“ erschlossen werden.
Die neueste Entwicklung ist das „Ethical sourcing“, bei dem der Handel über Zertifikate und Standards Produkte im Rahmen der „Corporate Social Responsibility“ erwirbt und produzieren lässt. Nach Arbeitsbedingungen und sozialen Absicherungen beschreibt Prof. Zentes mit „Ethical sourcing 2.0“ die Bemühungen um den Klimaschutz und Kohlendioxidbilanzen. Innerhalb des letzteren Trends gewinnen Regionalität, Saisonalität und lokale Produktion an Bedeutung. Das gelte vor allem für den Lebensmittelbereich und Frischware, die dem Handel ein Profilierungspotenzial bietet. „Flugware werde von den Konsumenten immer kritischer hinterfragt und fordern den Handel heraus.
Der neueste Trend ist die tropische Produktion vor Ort. Am kommenden Samstag öffnet in der Schweiz das „Tropenhaus Frutigen“ und verkauft Papaya, Bananen, Stör und Kaviar. Dank Geothermie klimaneutral hergestellt. Im Saarland werden gerade Aquakulturen aufgebaut, die den klassischen Atlantikfisch Loup de Mer produzieren können. Chancen für Handel und Produzenten.

HDE benennt sich um
Auf dem Deutschen Handelskongress in Berlin hat der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels am Donnerstag die Umbenennung seines Namens beschlossen. Die bekannte Abkürzung HDE wird künftig Handelsverband Deutschland heißen und auch ein neues Logo erhalten. Dann sind beide Ausdruck „der Neustrukturierung der gesamten Einzelhandelsorganisationen“, erklärte HDE-Präsident Josef Sanktjohanser. Zum Jahresende wird der Handelsverband BAG in den HDE aufgehen, der damit zum einzigen Spitzenverband des deutschen Einzelhandels wird.

Die Schwierigkeit der Zertifizierung
Der Verbrauchertrend nach allumfassender Zertifizierung ist schwierig. Joachim Birnthaler vom TÜV Süd beschreibt den Weg einer Jeans. Die Baumwolle aus Indien wird in China zu Garn verarbeitet, in Polen gewebt und mit den Nieten aus Frankreich auf den Philippinen gefertigt. Das Design „stone washed“ erfährt die Jeans in Griechenland bevor sie in den Handel kommt. Dann hat sie rund 50.000 Kilometer durch sieben Länder hinter sich und soll vor allem eines sein: Billig! Solche Produktionsketten sind zwar zu kontrollieren, aber eben nicht zu kleinen Preisen, so der Tüv-Prüfer. Hinzu kommen soziokulturelle Unterschiede. Die asiatischen Unternehmen suchen immer eine Möglichkeit, die Preisvorgaben zu erfüllen und verfahren dann nicht nach Wunschvorstellungen der deutschen Konsumenten. Doch beginne sich das zu ändern, so Birnthaler. Mittlerweile erfüllen die Handwerker ihre ISO-Werbeversprechen auch mit Substanz.

Problem Kommunikation
Dr. Matthias Händle, Geschäftsführender Gesellschafter der Außenvereinigung des Deutschen Einzelhandels (AVE) sieht den Handel fälschlicherweise am Pranger. Die Wahrnehmung der Öffentlichkeit decke sich nicht mit der Wahrnehmung des Handels, der beispielsweise mit den Business Social Compliance Standards „schon alles tut.“ Verbraucher hätten Wunschvorstellungen, wie Produkte heute hergestellt werden, die sich mit den Realitäten nicht deckten. Die Branche müsse ihre Standards deutlicher kommunizieren. Man müsse dem Kunden erklären, warum etwas teuer und warum etwas billig ist. Vor allem, so Händle weiter, müsse den Verbraucher bewusst werden, dass der Handel mit seiner Tätigkeit den Wohlstand auf die Fläche gebracht habe und die meisten Non-Food und Food-Produkte nicht mehr nur für die Oberschicht erschwinglich seien. Das alle überall alles kaufen können sei ein Ergebnis der „guten internationalen Vernetzung der Handelsströme.“

Labeldschungel
Verbraucher sehen sich im Nachhaltigen Warenkorb durchstöbert einer unüberschaubaren Fülle an Siegeln gegenüber, die mitunter auch im Wettbewerb stehen. Darauf angesprochen sagt Joachim Birnthaler zu Herd-und-Hof.de, dass technischen Standards einfacher und weltweit einheitlicher durchgesetzt werden könnten, als private soziale Labels. Zu viel sind es wohl schon, denn Dr. Händle bekannte, dass der Kunde am Ende die Übersicht verliere. Denn auch international gibt es in den Ländern Siegel und Labels. Jan Eggert, Hauptgeschäftsführer des AVE glaubt auch nicht, dass die Vielzahl sich vereinfachen lässt. „ein Ansatzpunkt dafür ist nicht sichtbar.“ Leichter scheint das bei den Standards im Rahmen des BSCI zu sein, die Eggert in den nächsten zehn Jahren harmonisiert sieht. Bis dahin kann der Handel selbst über seine Kommunikation entscheiden, so Birnthaler. Jeder kann seine Unternehmensrichtlinien selbst aufstellen und dem Kunden gegenüber kommunizieren.

Roland Krieg

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