Chemiker vermissen Dialog über Fracking-Chemikalien

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Industrie kann Fracking zu Akzeptanz verhelfen

Das Potenzial ist groß: Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) geht von acht Billionen Kubikmeter so genanntes Schiefergas für Deutschland aus. Sie befinden sich in den Tongesteinen des Unterkarbons, im Posidonienschiefer des Jura sowie in den Gesteinsschichten der Unterkreide. Geografisch hauptsächlich in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Die Erfahrung aus den USA zeigt, dass aber nur zwischen 10 und 35 Prozent der „unkonventionellen Gasvorkommen“ ausgeschöpft werden können. Für Deutschland wären das immer noch zwischen 0,7 und 2,3 Billionen Kubikmeter, was aber deutlich über den konventionellen Erdgasreserven von 0,15 Billionen Kubikmeter liegt. Erdgas gilt als die saubere Alternative zu Erdöl und Kohle.

Die Furcht ist auch groß: Für die benötigten Risse zur Gewinnung des Gases aus den dichten Schiefergesteinen wird ein Chemikalienmix in den Untergrund geführt, der unterhalb der Grundwasserressourcen liegt. Neben der Seismizität und dem großen Wasserverbrauch bildet der Chemikalienmix einen der großen Widerstandspfeiler gegen das Fracking [1].

Der Mix

Der Mix ist so umfangreich, weil jedes Mittel einen bestimmten Zweck besitzt. „Um bei der Bohrung Stabilität zu geben, Hitzestaus zu verhindern und Bohrreste abzutransportieren, werden Bentonit (ein Tonmineral) oder eine polymerbasierte Bohrflüssigkeit als Schmiermittel verwendet. Gebohrte Abschnitte werden sofort mit Zement und Bohrrohren verschalt, zur Stabilisierung und zum Schutz von flachen Grundwasservorkommen. In der Tiefe der Gasvorkommen wird diese Verschalung dann selektiv durchlöchert und mit Säure (z.B. HCl) aufgelöst, um in Kontakt mit dem Schiefergestein zu kommen. Beim eigentlichen Hydraulic Fracturing wird anschließend eine Fracking Flüssigkeit mit hohem Druck eingepresst, um feine Spalten und Risse zu erzeugen, so dass das eingeschlossene Gas entweichen und gefördert werden kann. Um diese offen zu halten, werden Stützmittel wie Sand, Keramik, etc. eingeführt. Reibungsminderer (z.B. wasserbasierte Polyamidgele oder Gaurkautschuk-Lösungen) und oberflächenaktive Stoffe (z.B. Organosulfate) machen die Flüssigkeit ‘schlüpfriger’ und sorgen für eine bessere Benetzung. Polymer vernetzende Substanzen (Crosslinker, z.B. Ethanolamine in Mischung mit Boraten und Übergangsmetallkomplexen) erhöhen die Viskosität, um Stützmittel zu transportieren. „Breaker“ (Oxidantien, Säuren/Basen, Enzyme u.ä.) brechen diese Viskosität anschließend wieder auf, damit das Gas aus der Formation entweichen kann. Korrosionsinhibitoren (Chinoliniumsalze, Sulfit), Tonstabilisatoren (quaternäre Ammoniumsalze), Eisenkomplexierer (z.B. Citrat) und Biozide begleiten die Gasförderung und verhindern ein Blockieren des Rohres. Zwischen sieben und 18 Millionen Liter Wasser sind nötig, um eine einzelne Frackingoperation durchzuführen. Ein Teil davon kommt als Flowback an die Erdoberfläche zurück, gemischt mit einem steigenden Anteil an Formationswasser aus dem tiefen Untergrund.“ Das scheibt Dr. Martin Elsner vom Institut für Grundwasserökologie am Helmholtz-Zentrum München [2].

Fehlende Diskussion

Die meisten Stoffe sind offengelegt [3]. Viele Substanzen gelten aber auch noch als Firmengeheimnis. Auch Stoffe, die weniger als 0,1 Prozent des Gesamtvolumens ausmachen, müssen nicht veröffentlicht werden. Das macht skeptisch und Dr. Elsner nimmt die Furcht der Fracking-Gegner ernst. Er verweist auf Pflanzenschutzmittel und Biozide, die einer Risikoanalyse unterzogen werden. Bei manchen Stoffen könne gezielt nach umweltfreundlicheren Alternativen gesucht werden.

Die Wasserchemie kann Abhilfe schaffen, zudem die Stoffe bei hoher Temperatur und hohem Druck anders reagieren als üblich. Sie kann die Stoffe auf ihre Gefährdung hin untersuchen, ein Monitoring-Konzept erarbeiten und den Prozess optimieren, so dass keine Stoffe frei gesetzt werden. Das würde die Akzeptanz erhöhen. Die Firmen selbst können dazu beitragen. Sie müssen, so fordert Dr. Elsner, Informationen über Fracking-Chemikalien teilen und unabhängigen Instituten zukommen lassen. Etwas Skepsis allerdings bleibt: „Zukünftige Forschung in diesem Bereich ist nicht nur eine wissenschaftliche Herausforderung, sondern hängt entscheidend auch von den Voraussetzungen ab, unter denen diese Beiträge überhaupt geleistet werden können.“

Lesestoff:

[1] Bundesregierung will Klarheit über Fracking vor der Sommerpause

[2] www.aktuelle-wochenschau.de der Gesellschaft Deutscher Chemiker

[3] www.fracfocus.org

www.bgr.bund.de

Roland Krieg

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