Chile will hoch hinaus

Handel

Chile: Krisenerfahrener Blick nach vorn

>Marigen HornkohlEigentlich ist Chile eine Insel. Im Norden die Atacamawüste, im Osten die hohe Andenkette, im Westen der Pazifik und den Süden sichert die Antarktis. Für pflanzenpathogene Keime und tierische Schädlinge kein leichtes Eindringen. Über 38 Breitengrade erstreckt sich das lateinamerikanische Land und bietet mit mediterranem Klima einen der am besten gefüllten Obst- und Gemüsekörbe der Welt. Exportland Nummer eins auf der südlichen Hemisphäre ist das Land bereits und Landwirtschaftsministerin Marigen Hornkohl versprach am Mittwoch auf der Fruit Logistica, Chile zum Lebensmittelexporteur Nummer eins in der Welt zu machen. Die klimatischen Voraussetzungen sind ausgezeichnet.

Klein, aber exportorientiert
Ronald Bowen, Präsident der Exportvereinigung ASOEX sagte, dass Chile zwar klein, aber exportorientiert ist. Seit 1935 gibt es die ASOEX, die sich zusammen mit der 1985 gegründeten Produzentenvereinigung Fedefruta und der ganz jungen Fresh Fruit Chile um die Außendarstellung der chilenischen Obst- und Gemüsebranche kümmert. Zusammen hat das Trio den chilenischen Export nach vorne gebracht. Landeten in den 1980er Jahren nur rund 267.000 Tonnen O+G vorwiegend in den USA, so exportiert das Land mittlerweile 2,351 Millionen Tonnen weltweit. Anstelle von 15 Millionen US-Dollar Exporteinnahmen, spülen Wein, Äpfel, Avocados und Tafeltrauben schon jetzt 2,4 Milliarden US-Dollar in die chilenische Kasse. Das Ziel von Ministerin Hornkohl: 15 Milliarden Dollar im Jahr 2025.
Der Erfolg kommt nicht von ungefähr, denn ASOEX und Fedefruta erschließen neue Märkte, investieren in die Qualitätskontrolle der Waren, die bei mehr als 60 bi- und multilateralen Abkommen immer auf dem aktuellsten Weltstandard entsprechen, forschen über neueste Produkte und Techniken und kümmern sich um Aus-und Fortbildung.

Exportland für Obst

Anteil

Gesamttonnage

Hitliste Obstsorte

Gesamttonnage

USA

34 %

811.439

Tafeltrauben

820.895

NL

13 %

304.321

Rote Äpfel

617.578

GB

6 %

138.412

Kiwi

158.405

ES

4 %

91.905

Grüne Äpfel

133.403

RU

3,5 %

81.558

Birnen

126.848

Q: www.chileanfreshfruit.com

Einfach ist das nicht, denn obgleich Chile auf der Südhalbkugel frisches Obst und Gemüse für Nordamerika und Europa anbietet, sind die Wege bis zum Kunden weit. Kai Krasemann vom Obstimporteur Fruchthansa GmbH stieg in das Chilegeschäft vor vierzig Jahren ein. Seine Familie begann bereits in den 1930er Jahren als die Schiffe noch langsam waren und die mangende Kühlung nur Äpfel und Birnen den Weg über den Atlantik erlaubte. 1970 hatte sich das verbessert und die ersten Tafeltrauben gelangten nach Deutschland. Trotzdem war der chilenische Markt noch gut überschaubar, so Krasemann.
Die Chilenen haben in den letzten Jahren viel lernen müssen. Zunächst verkauften sie ihre Produkte auf europäischen Auktionen, wo ein Herkunftsmarketing nur von geringer Bedeutung gewesen ist. Das hat sich allerdings deutlich geändert. Gerade in Deutschland reagieren die Märkte sehr sensibel. Der Einzelhandel gibt den internen Wettbewerbsdruck und die wachsenden Kundenwünsche nach Qualität direkt an den Importeur und die Produzenten weiter. Heute sind nach Krasemann Rückstandswerte, GAP-Standards und Frische bei den Verhandlungen der Importeure fester Vertragsbestandteil.

Geheimnis Forschung
Die Chilenen haben in der jüngsten Vergangenheit ein festes Forschungssystem aufgebaut, berichtet Rodrigo Veda Alarcón. Bis 2025 sollen etwa 2,5 Prozent des Bruttosozialprodukts in die Forschung gesteckt werden, der Anteil privater Ausgaben überproportional zunehmen soll. Das aktuelle Jahresbudget summiert sich aus 450 Millionen öffentlicher und 200 Millionen privater Forschung. Agrarbeihilfen in Chile werden vom Staat nur für Projekte bezahlt – sonst müssen die Bauern ihren Gewinn selbst erwirtschaften. Eine Analyse der chilenischen Forschungslandschaft hat ergeben, dass beispielsweise in den Bergbau zwar viel investiert werde, aber daraus nur noch wenig Wachstum resultiert. In der Landwirtschaft ist die Rendite höher und das rund 4.000 km lange und manchmal nur 180 km breite Land betreibt hochmoderne Präzisionslandwirtschaft.
Chile leidet deutlich unter dem Klimawandel. Die Landbewirtschaftung rückt nach Süden, berichtet Alarcón. Damit im Norden nahe der Atacamawüste noch Landbau möglich ist, will Chile trocken- und salztolerante Pflanzen entwickeln. Weitere Forschungsschwerpunkte sind Verpackung, Lagerung und Transport – für die Exportwege in den Norden. Nano-und Biotechnologie sind für Ministerin Hornkohl tragende Säulen der Zukunft.
Allerdings warnt Krasemann vor zu viel Optimismus. Einen Pfirsich zu entwickeln, der im Januar zwar frisch aus Chile nach Deutschland kommt, aber nicht schmeckt, mache wenig Sinn. Darauf solle man verzichten. „Weniger ist mehr“, formuliert der Obstimporteur.

Entwicklung Frischobstexport

1970

15 Mio. $

-

1998

1,363 Mrd. $

1,469 Mio. t

1980

168 Mio.$

261.000 t

1999

1,359 Mrd. $

1,549 Mio. t

1990

747 Mio. $

1,040 Mio. t

2002

1,550 Mrd. $

1,752 Mio. t

1995

1,162 Mrd.$

1,310 Mio. t

2005

1,800 Mrd. $

2,143 Mio. t

1996

1,346 Mrd. $

1,439 Mio. t

2008

2,704 Mrd. $

2,353 Mio. t

Q: ASOEX

Freie Wirtschaft
Chile ist ein freier und stabiler Markt, der für Investitionen gut aufgestellt ist, verkündet Ministerin Hornkohl. Um noch mehr Synergien aus der Wertschöpfungskette zu erzielen, werde Chile im nächsten Jahr beginnen, Cluster zu bilden. Forschung, Vermarktung, Praxis, Handel und Netzwerker sollen sich dann gezielt um spezielle Märkte kümmern.
Chile hat in der Vergangenheit mehrere Krisen durchgemacht, sagt Ronald Bowen. Ein hohes Pro-Kopf-Einkommen und hohe private Rücklagen erleichtern Chile den Weg durch die Finanzkrise. Auf dem amerikanischen Markt habe man in der Vergangenheit gelernt, dass gerade bei Obst, Gemüse und Fleisch zwar Rückgänge in der Gastronomie zu verzeichnen sind, doch was die Menschen dort weniger verzehren, konsumieren sie dann zu Hause. Die Exportbilanz blieb in etwa gleich, auch wenn die Chilenen mit etwas niedrigeren Preisen vorlieb nehmen mussten. Wenn die Krise kurz ist, will Chile sie nutzen, um mehr Exportanteile zu gewinnen.

Roland Krieg; Foto: roRo

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