CO2-Zertifikate: Erfolg oder Pleite?

Handel

Emissionszertifikate zum Klimaschutz

Am Montag hat die dänische EU-Klimapolitik-Kommissarin Connie Hedegaard im EU-Umweltausschuss Mühe gehabt, die kurz vorher bekannt gegebene Entscheidung für das Aussetzen der Klimaschutzabgabe im Luftverkehr zu begründen. Fluggesellschaften müssen bei Starts und Landungen in der EU Klimaabgaben zahlen. Das gerade neu eingeführte Instrument zur Finanzierung umweltfreundlicher Technologien wurde von der EU jetzt für ein Jahr ausgesetzt, weil sich Drittstaaten wie die USA, Russland und China gegen die Teilnahme ausgesprochen haben. Innerhalb eines Jahres soll es innerhalb der Internationalen Luftorganisation ICAO eine globale Lösung geben – sonst setzt die EU das System wieder in Kraft.

Eingeknickt oder Chance?

Holger Krahmer von der FDP kritisierte Hedegaard, vor den Drittstaaten eingeknickt zu sein und glaubt nicht an eine Einigung im nächsten Herbst. Die Drittstaaten seien die Gewinner. Wenn die Flüge innerhalb der EU allein mit einer Klimaabgabe belastet würden, dann führe die EU eine „Insellösung“ ein, die keinen Bestand haben werde.
Die Klimakommissarin sieht in der Aussetzung jedoch ein Signal an die anderen Länder. Diese wollten die Regelung nicht, die EU setzt seine Abgaben aus und jetzt bestehe eine Chance, sich auf ein internationales System zu verständigen, erläuterte sie. Das Jahr für internationales Nachdenken sei die beste Chance für eine weltweite Lösung.

Backloading

Unterschiedlichen Sichtweisen beziehen sich aber nicht nur auf den aktuellen Luftverkehr. Die EU hatte 2008 Emissionszertifikate aufgelegt, deren Erlöse für den Wandel zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft beitragen sollen. Die EU hat mit 30 Euro je Zertifikat gerechnet, doch aktuell liegt der Tagespreis bei 8,46 Euro. Nach Matthias Groote (SPD) ist der Zertifikatshandel für eine wachsende Wirtschaft ausgelegt und nicht für eine Finanzkrise, die zum Teil das System aushebelte. Die Nachfrage nach Zertifikaten sank und damit der Preis. Der rauschte aber auch in den Keller, weil derzeit zu viele Zertifikate ausgegeben wurden. Die EU hatte im Sommer einen Vorschlag unterbreitet, bei den nächsten Ausgabeaktionen das Volumen zu kürzen und erst einige Jahre später auszuteilen [1]. „Backloading“ heißt dieser Prozess, der im EU-Umweltausschuss kontrovers diskutiert wurde. Ende 2011 waren eine Milliarde Zertifikate zu viel auf dem Markt. Nach Berechnungen von Hedegaard wird das Überschussvolumen bis Ende 2012 auf 1,5 Milliarden anwachsen.

Politik weckt Skeptizismus

Auch wenn die Kommissarin betont, dass lediglich auf Grund einer wirtschaftlichen Ausnahmesituation in den Markt eingegriffen wird und aus dem Backloading kein neues Handelsverhalten eingeführt werden soll, äußern Parlamentarier Skepsis. Die finnische Christdemokratin Eija-Riitta Korhola mutmaßt, dass das Backloading nur ein Einstieg in den Ausstieg des Zertifikatshandels ist. Nur eine langfristige Strukturreform könne Angebot und Nachfrage wieder in Einklang bringen.
Andere fürchten, dass die politische Korrektur Verwaltungskosten hervorrufen und das Backloading generell an der Überschusssituation nichts ändern werde. Für Richard Seeber, Christdemokrat aus Österreich, ist die EU auf den Weg zum „Superregulator“.
Linda McAvan, Sozialdemokratin aus England, fragte aber, ob es denn Alternativen zum Zertifikatshandel gäbe? Ihr Land wolle zwar keinen Zertifikatshandel, habe aber auch keine Alternativen parat. Peter Liese (CDU) sieht ebenfalls keine Alternativen. Ohne europäisches System würden die Länder unterschiedliche Maßnahmen aufbauen, die nicht mehr mit dem Binnenmarkt vereinbar und teuer wären.
Diesen Mittwoch will die EU einen Bericht mit verschiedenen Optionen vorlegen, über die noch in diesem Jahr entschieden werden muss. 2013 ist die nächste Auktion angesetzt.

Lösungseinstieg

Hauke Hermann vom Öko-Institut aus Freiburg hat in einem Kurzgutachten darauf verweisen, dass das Backloading nur der Einstieg in eine generelle Reform sein kann. Die Verschiebung der Ausgaben werde die Überschusssituation nicht beseitigen. Frühestens ab 2023 werden Angebot und Nachfrage wieder im Gleichgewicht sein. Die Annahmen zu Beginn des Handels sind veraltet und es habe zu viele Zuweisungen in den ersten Jahren gegeben.

Helen Bray, Klimaberaterin bei Shell, will auf den Zertifikatehandel nicht verzichten. Ein starker Preis fördert Innovationen, bietet den Regierungen ein Einkommen und die internationale Nutzung fördere den Technologietransfer. Australien, die USA, Kanada, Japan und Korea arbeiten an vergleichbaren Modellen, was Bray als Ansatz für eine globale Lösung wertet. Dafür müsste der Preis aber über zehn Euro liegen.

Dieser Ansicht ist auch Dirk Forrister, Geschäftsführer der International Emissions Trading Association IETA, in der mehr als 150 Unternehmen vertreten sind, die über den Zertifikatehandel den Wirtschaftswandel befördern. Weltweit wurden bereits mehr als 126 Milliarden Euro für Kohlendioxidrechte ausgebeben, womit sich, so Forrister, der Emissionshandel zu einem der größten Programme des Klimaschutzes entwickelt hat. Der Eingriff der Politik untergrabe die Glaubwürdigkeit des Systems. Die IETA will aber mit der EU die möglichen Optionen ausloten, damit es bei einem einmaligen Eingriff in einer Ausnahmesituation bleibe.

Skeptisch gegen den Emissionshandel ist Peter Boschek, Vertreter des European Chemical Industry Councils CEFIC. Energieeffizienz wurde überwiegend durch hohe Energiepreise ausgelöst und verweist auf die fünf Mal höheren europäischen Gaspreise im Vergleich zu den USA. Die Zertifikate deckten gerade die Emissionen der energieintensiven Industrien ab. Nicht kontrollierbar seien der Verkehrssektor und die privaten Emissionen, die Reduzierungserfolge der Industrie überkompensierten. Offen bleibe die Frage, mit welchem Zertifikatspreis sich die Politik zufrieden gebe.

Lesestoff:

[1] Bundesregierung kritisiert EU-Vorschlag zur Kürzung der Emissionszertifikate

Roland Krieg

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