D: Stabil in neuer Welthandelsarchitektur
Handel
Globale Vernetzung sichert Güterexport
Das neue Jahr legt richtig los. Deutschland hat nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Februar Waren im Wert von 91,3 Milliarden Euro ausgeführt und im Wert von 76,5 Milliarden eingeführt. Das sind 8,6 und 6,1 Prozent mehr als im Februar 2011. Auch die beiden ersten Monate zusammen sind rekordverdächtig. Es wurden Werte in Höhe von 177,3 Milliarden Euro ausgeführt (2011: 162,7) und für 149,3 Milliarden (140,7) eingeführt. Die Handelsbilanz erhöhte sich von 22 auf 27,9 Milliarden Euro. Die stärksten Treiber des Handels sind die Drittstaaten. Dorthin wurden in den ersten beiden Monaten Waren im Wert von 72,9 Milliarden exportiert, was einem Plus von 14,4 Prozent zum Vorjahr entspricht.
Allzeithoch
Vor
diesem Hintergrund läuft die deutsche Wirtschaft nach Anton F. Börner,
Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA)
in diesem Jahr auf ein „Allzeithoch“ hinaus. Im letzten Jahr konnte Börner
verkünden, dass der Export erstmals mehr als eine Billion Euro erwirtschaftete,
gestern hat er hochgerechnet, dass Ex- und Import im Jahr 2012 zusammen
erstmals die zwei-Billionen-Marke knacken. Die Ausfuhren werden rund 1.124
Milliarden Euro erreichen, die Einfuhren 965 Milliarden. Deutschland ist nach
Ansicht Börners dabei das Zugpferd für Europas Wirtschaft, die „Huckepack mit
dem deutschen Exportmodell“ von den Weltmärkten profitiert.
Innerhalb
von Europa zieht der Handel nordwärts. Was in den mediterranen Ländern an
Exportprozenten verloren gehe, wandere stabil nach Nord- und Mitteleuropa. Im
zurückliegenden Jahr sind die Ausfuhren nach Griechenland und Italien um 13 und
zehn Prozent zurückgegangen. Der Spanienexport hat immerhin ein Plus von zwei
Prozent zu verzeichnen. Langfristig gebe es keine Alternative zur mediterranen Haushaltskonsolidierung,
so Börner.
Asien
Heute ist der Welthandel auf mehrere Schultern verteilt. Asien hat sich von einem „Emerging Market“ zu einem „Global Player“ entwickelt.
Anteile am Welthandel 2006 bis 2010 in Prozent |
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2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
ASEAN |
6,35 |
6,18 |
6,14 |
6,40 |
6,83 |
Indien |
1,01 |
1,07 |
1,21 |
1,30 |
1,43 |
China |
8,00 |
8,72 |
8,88 |
9,45 |
10,24 |
Deutschland |
9,15 |
9,44 |
8,97 |
8,81 |
8,24 |
Q: BGA April 2012 |
Der
Anteil Asiens in der deutschen Handelsstatistik verändert sich. Seit 2007 sind
die Importe leicht auf 20,07 Prozent angestiegen, im letzten Jahr um etwa einen
Prozentpunkt gefallen. Die Exporte hingegen haben sich als stetig erwiesen: Von
11,57 Prozent im Jahr 2007 auf 15,79 Prozent im letzten Jahr.
Besonders
erfreulich sind die Exporte nach China. In den letzten sechs Jahren wuchs die
Wirtschaft durchschnittlich um elf Prozent. Hinter den USA ist das ehemals
schwer erreichbare Reich der Mitte zum Import-Vize-Weltmeister geworden. Die
Zeiten des Welthandels-Trio USA, Europa und Japan sind vorbei, so Börner.
Die
bange Frage, ob Deutschland und Europa den Anschluss an den neuen
Welthandlesclub verlieren, beantwortet BGA-Präsident Börner eindeutig: „Dieser
Ansicht gilt es in aller Deutlichkeit zu widersprechen!“
Im
Gegenteil bieten sich gerade für Deutschland gute Prognosen. Die Exportquote,
der Anteil des Außenhandels am Bruttoinlandsprodukt, hat im letzten Jahr die
50-Prozent-Marke erreicht. Die Importquote lag bei 45 Prozent. Wer so eng mit
dem Welthandel verflochten ist, kann beim Aufschwung der Weltwirtschaft nur
mitgezogen werden. Die Stärke Deutschlands liegt in seiner innovativen
Forschung, der Ingenieurskunst, dem Maschinenbau, der entwicklung komplexer
Systeme und die Kombination dieser Vorteile mit aufgesattelten
Dienstleistungen. Daher seien die Produktstandards als Verbraucherwünsche,
mitunter auch als nichttarifäres Handelshemmnis zu sehen, kein Hindernis für
den Weltmarkt. Rückverfolgbarkeit und Qualitätssicherungssysteme ziehen die
Qualität in den Exportländern nach oben. Der BGA führe Seminare und Schulungen
für die Importeure durch, erläuterte Börner gegenüber Herd-und-Hof.de.
Deutschland könne anschließend die entsprechende Technik und Dienstleistung in
die Importländer verkaufen.
Die
mittelständischen Unternehmen spielten hierbei eine besondere Rolle und werden
den Anteil am Welthandel auf absehbare Zeit eher erhöhen als vermindern: „Wohin
sie auf der Welt gehen, treffen sie auf den deutschen Mittelstand“, so Börner.
Das
gelte auch angesichts steigender Energiepreise. Börner teilt keine Horrorszenarien.
Nur ein sprunghafter Anstieg der Ölpreise und dem Verbleiben auf hohem Niveau,
würde die asiatischen Länder, die auf den Import von Erdöl angewiesen sind,
treffen und indirekte Folgen auch für die deutsche Wirtschaft zeitigen. Gegen
so ein Szenarium spreche nach Börner, dass die Notenbanken die Zinsen unter der
Inflation halten und den Märkten frisches Geld zukommen lassen und dass hohe
Energiepreise vielen Entwicklungsländern Geld in den Etat spüle. Außerdem
forcieren hohe Energiepreise den globalen Trend der Energieffizienz, was dem
„Land der Ideen“ wiederum zu Gute komme.
Bilaterale Abkommen
Es
mehren sich die Stimmen, dass die Doha-Entwicklungsrunde der
Welthandelsorganisation WTO nicht mehr beendet wird. Seit einigen Jahren blühen
die bilateralen Freihandelsabkommen, die nach Ansicht von Ökonomen den Nachteil
von Wohlstandsverlusten nach sich ziehen. Wer nicht zu den bevorzugten
Handelspartnern gehört, wird mit höheren Zöllen beim Warenaustausch behindert.
„Wenn sie die bilaterale Karte spielen wollen, sollten sie verdammt sicher
sein, dass Sie der Spieler sind, der die Regeln bestimmt“, sagte
WTO-Generaldirektor Pascal Lamy letzte Woche in der „Die Zeit“1). Der
Multilateralismus werde daher von den meisten bevorzugt. Auch BGA-Präsident Börner weist der WTO nach
wie vor eine wichtige Rolle zu. Sie sei ein wichtiger
„Normdurchsetzungsmechanismus. Dank der WTO gibt es eine nunmehr von 153
Staaten anerkannte handelspolitische Streitschlichtungsstelle“, die gegen
protektionistische Maßnahmen vorgehen kann. Das erhöhe die langfristigen
Handelsvorteile bei einem Partner wie Russland, der kur vor der
Vollmitgliedschaft steht2).
Seinen
Optimismus schöpft BGA-Präsident Börner aus der Beobachtung heraus, dass die
Wirtschaftsblöcke wie der ASEAN oder der Mercosur in Lateinamerika, sich nach
dem Vorbild der EU zu politischen Räumen weiter entwickeln. Auch hier
Parallelen zu WTO-Direktor Lamy, der vor kurzem einen globalen Wertewandel
einforderte, den nationalen Politiken einen internationalen Rahmen zu geben3).
BRICS
„Wir
haben uns gegen den Rückschritt von Entwicklungen und wegen der globalen
Veränderungen und Herausforderungen für einen globalen Wirtschaftsaufschwung
getroffen und wollen beim Umweltgipfel Rio +20, der Konferenz zur Biodiversität
und dem kommenden G20-Gipfel die Themen Klimawandel und nachhaltige Entwicklung
auf die Tagesordnung setzen.“ Das könnte eine von den USA oder von Europa
geprägte Formel für die nächsten politischen Aufgaben sein. Doch - sie waren
nicht beteiligt. Die Kurzfassung stammt vom BRICS-Gipfel Ende März in Delhi.
BRICS steht für die Länder Brasilien, Russland, Indien, China, und Südafrika.
Es war bereits der vierte Gipfel der aufstrebenden Staaten, die 43 Prozent der
Weltbevölkerung repräsentieren. Hier entsteht ein neues Selbstbewusstsein in
einer Süd-Süd-Kooperation, die in den 1980er Jahren als Entwicklungsziel
formuliert wurde. Abseits des europäischen Horizonts hat sich viel getan. Der
Handel zwischen Indien und China wuchs innerhalb eines Jahrzehnts von fünf auf
72 Milliarden US-Dollar. Nur die politische Integration wächst langsamer.
Doch
zwei Punkte aus der Delhi-Erklärung sollten Europa und die USA aufhorchen
lassen. Russland wird 2013 den Vorsitz der G20-Gruppe übernehmen und BRICS eine
Stimme geben. In Delhi kamen die Länder überein, eine eigene Entwicklungsbank
zu gründen. Die Umsetzbarkeit werde nun von den Finanzministern der Länder
geprüft und beim nächsten Gipfel vorgestellt. Die Gelder der BRICS-Bank sollen
für die Infrastruktur und nachhaltige Projekte innerhalb der Ländergruppe zur
Verfügung stehen4).
Lesestoff:
1) Die Zeit, 04. April 2012; S. 30
2) Dennoch erlaubt sich Russland vor der Übernahme des
WTO-Regelwerks noch eigene Handelsansichten, wie der Importstopp von Schweinen
aus der EU zeigt
3) Ein weltweiter Werterahmen für lokale Umsetzungspolitik
4) Vierter BRICS-Gipfel in Delhi: www.bricsindia.in/ (Es gibt derzeit einen Wettbewerb für ein eigenes Logo)
Der
Welthandel geht weiter. Maersk plant „Just-in-time“ auf den Weltmeeren
Roland Krieg