Darwin meets Business
Handel
Ökonomie ohne Darwin war gestern
Survival oft the fittest war der provokante Titel einer von der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg, der Alexander Koenig Gesellschaft e.V. und dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig (zmfk) organisierten Podiumsdiskussion, die diese im zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig stattfand. Renommierte Unternehmer und Wissenschaftler aus Bonn diskutierten gemeinsam mit dem Auditorium, inwieweit in der Biologie verankerte Prozesse hilfreich in der Unternehmensführung sein können. Gleichzeitig wurde aufgezeigt, wie Unternehmen ihren Erfolg durch Anpassung an den Marktbedarf mittels Betrachtung einer immens großen Anzahl an Beispielen aus der Natur erzielen.
Nach einer Begrüßung der etwa 80 Gäste durch Prof. Dr. Wolfgang Wägele, Direktor des zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig, stellten unter der Moderation von Dr. Klaus-Stephan Otto, Geschäftsführer Dr. Otto Training & Consulting, Prof. Dr. Joachim Schultze, Leitung für Genomik und Immunregulation am Limes Institut der Universität Bonn, Ralph Job, Geschäftsführer PRONOBIS Seniorenberatung, Dirk Stroessel, Geschäftsführer JF. Carthaus GmbH & Co. und Philipp Koecke, Vorstand Finanzen Solar World AG, Bonn, Mechanismen in der Biologie vor, die Prozessen in der Unternehmensführung ähneln.
Unternehmen sind wie Organismen
In seiner Einführung erklärte Otto, dass Unternehmen ebenso wenig wie Organsimen nur Maschinen sind, die immer gleich funktionieren. Innovationen in der Wirtschaft können technische Lösungen sein, die aus der Analyse von Prozesslösungen in der Natur entwickelt werden. Das Reagieren auf Umweltveränderungen ist für Tiere und Pflanzen ebenso unerlässlich wie für Unternehmen. Ein Paradigmenwechsel ist erforderlich, insbesondere sind ein neuer Umgang in der Nutzung von Energien und neue Formen des Wirtschaftens notwendig. „Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, desto mehr wächst mein Respekt vor den Leistungen der Natur“, sagte Otto. Eine so großartige Leistung wie die Photosynthese kann immer noch nicht vom Menschen technisch nachgeahmt werden.
Stroessel ist Geschäftsführer einer fast 160 Jahre alten Institution in Bonn. JF. Carthaus hat eine lange Tradition, sah sich aber seit etwa vier Jahren zu einer Modernisierung gezwungen. Auch wenn die Prozesse vor allem in der Anfangsphase der Erneuerung nicht immer einfach waren, musste doch eine neue Präsentation des Unternehmens und seiner Produkte gefunden und entwickelt werden. Diese Entwicklung ist noch nicht zu Ende, die Produktpalette wird weiterhin vergrößert, es wurden und werden noch weitere Filialen gegründet. Die Phasen der Entwicklung sind durchaus mit den Rhythmen in der Natur vergleichbar, aber auch ein Vergleich mit dem Joggen lässt sich heran ziehen: Kontinuität wird durch ein gleichbleibendes Durchhaltevermögen mit guter Kondition bei gleichzeitiger Erhöhung und Reduktion des Tempos nach den Gegebenheiten der Laufstrecke erzielt.
Marktbeobachtung als Anpassung an die Natur
Job berät als ausgebildeter Jurist und Bibliothekar mit großem Empathievermögen ältere Menschen darin, wie sie ihren Alltag auch im Angesicht gewisser Einschränkungen zuhause bewerkstelligen können und nicht in eine Pflegeeinrichtung müssen. Unterstützt wird er von einem Team von Fachleuten. Heute leben nicht mal 20 % der ältesten Bürger in Deutschland in Stiften. Ein langes Leben zuhause ist möglich, ohne dass umfangreiche Kosten den Pflegekassen zur Last gelegt werden. Das rechtzeitige, reflektierte Nachdenken darüber, wie das Zuhause angepasst umgestaltet werden kann, ist zielführend. Durch Marktbeobachtung, Innehalten und Nachdenken gleichen Jobs Arbeitsweisen Mechanismen, die in der Natur zu Anpassungen von Lebewesen führen. Der Kunde ist gut informiert und weiß was er möchte, nur mit ihm zusammen werden passgenaue Lösungen erarbeitet.
Schultze erläuterte, dass die Sensorik eines Organismus die Beobachtung seiner Umwelt und dessen, was um ihn herum geschieht, ermöglicht. Die Sinnesorgane wie Augen, Ohren und Nase ermöglichen dem Tier das, was in der Unternehmensführung mit der Marktbeobachtung gleichgesetzt werden könnte. Ähnliche Regeln, wie sie Darwin in der Naturwissenschaft aufgestellt hat und wie sie in der synthetischen Theorie weiter entwickelt wurden, sind in der Ökonomie, den Sozial- und Politikwissenschaften nicht stringent formuliert oder fehlen. Somit ist in diesen Wissenschaften die Erkenntnis nicht sehr ausgeprägt, dass es zwar immer Weiterentwicklungen aber nicht notwendigerweise immer auch einen Wachstumsprozess geben muss. Wendet man die Darwinschen Begriffe auf die Marktwirtschaft an, so führt Variation zur Zurechtfindung in der Umwelt / Anpassung an den Markt. Insbesondere sorgen Organismen für eine große Risikoabsicherung von Prozessen. Für einen Betrieb bedeutet dies, dass er darauf reagieren muß, wenn Personal ausfällt oder Standorte nicht funktionieren. In der Replikation von DNA liegen große Risiken und Chancen, Fehler können zu Krebs aber auch zu äußerst positiven Innovationen im Organismus führen. Replikation kann zum Beispiel mit der Gründung von Filialen verglichen werden. Evolution erfolgt immens schnell, allerdings gilt auch: je komplexer ein Organismus wird, desto weniger innovativ ist er. Und: In der Natur gibt es keine Leerverkäufe, gefährliche Spekulationen auf dieser Basis sind somit nicht möglich.
The Fittest
Koecke stellte fest, dass Zyklen als normale Konsolidierungsprozesse notwendig sind. Verschlankungen sind in bestimmten Zeiten einfach notwendig. Die Unternehmensführung muß sich fragen, ob das Unternehmen und die Personen auf dem richtigen Weg sind. Die Identifizierung der Mitarbeiter mit den Werten des Unternehmens ist von größter Wichtigkeit. Solarworld wird in einem intellektuellen und innovativen Stil geführt, Marktbeobachtung und die Planung des Ressourceneinsatzes sind evidente Maßnahmen. Das Ergebnis ist im besten Fall eine Steigerung der Fitness des Unternehmens, das den neuen Marktansprüchen gewachsen ist.
Lesestoff:
Die Podiumsdiskussion fand im Rahmenprogramm zur Ausstellung „Darwin Meets Business: Ein neues Wirtschaften - von der Natur lernen“ statt. Die Ausstellung wird in Kooperation mit der Alexander Koenig Gesellschaft e.V., Bonn, der Evoco GmbH, Berlin, dem Bionik-Kompetenz-Netz e.V., Berlin und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück, noch bis zum 01. April 2012 gezeigt. www.zmfk.de
Sabine Heine, Universität Bonn (zmfk) / roRo