Das D-Wort aus Niedersachsen

Handel

Marken müssen authentisch sein

Wenn die Sprache ein Spiegelbild der Seele ist, dann ist die Agrar- und Ernährungswirtschaft in Niedersachsen traumatisiert. Auf der Zukunftswerkstatt 2011 der Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft im Rahmen der Grünen Woche brachte der Vorsitzende Franz-Josef Holzenkamp das Wort Dioxin nicht über die Lippen. Er kam mit dem Begriff „D-Wort“ aus. Nach der Tabuisierung kam die Übersprunghandlung: „Es sind Menschen unterwegs, die sprechen von einer Systemfrage“, so Holzenkamp. Selbsternannte Gutmenschen forderten eine Subsistenzwirtschaft, die nur Armut und Hunger erzeuge.
Er wolle die „Sauereien“ in der Branche nicht verhehlen, aber man solle eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte nicht über Bord werfen. Die Krise sei jedoch Anlass für Verbesserungen.

Alles richtig gemacht

Auch nach Ansicht des neuen Landwirtschaftsministers Gert Lindemann habe Niedersachsen alles richtig gemacht. Nicht Niedersachsen habe die Krise ausgelöst und sei wie die Futtermittelindustrie Opfer geworden. Mit der vorübergehenden Sperrung von 4.400 Betrieben habe Niedersachsen deeskalierend und im Sinne des Verbraucherschutzes gehandelt. In direkten Gesprächen habe Lindemann mitgeholfen, einen Importstopp von Russland und Kasachstan zu verhindern.
Er wolle aber mit Verbrauchern, Kirche, Wirtschaft und Wissenschaft an der Akzeptanz der Tierhaltung arbeiten.

Wunsch und Wirklichkeit

Ein Produkt oder eine Firma wird nur dann zu einer erfolgreichen Marke, wenn Wunsch und Wirklichkeit im Einklang stehen. Marketingstratege Achim Feige aus Nürnberg warnte, davor die Realität durch Kommunikation ändern zu wollen. Gerade die Ernährungswirtschaft falle durch Falschetikettierungen, oder Versprechen, dass Süßwaren aus gesunden Vitaminen bestehen auf. Der Kunde lernt gerade über die sozialen Netzwerke, solche Widersprüche zu durchleuchten. Wenn mehr versprochen als gehalten wird, durchschaue der Konsument die Widersprüche. Früher oder später führe er die Firma dann vor. Feiges Fazit an die Industrie: Authentisch bleiben!
Wer authentisch ist, der hat Erfolg. Während namensloser Apfelsaft für 0,57 Euro beim Verbraucher landet, gibt es Händler, die mit authentischer Produktion, sichtbaren Erzeugern und Geschichten um das Produkt 1,98 Euro erhalten. 65 Prozent der Kunden richten mittlerweile ihren Einkauf nach sozialen und ökologischen Kriterien aus. Auch wenn die Umsetzung noch nicht mithalte. Das jedoch ist der Werttreiber von Produkten für die Zukunft.
Die Unternehmen müssen in die Zukunft schauen. Das Durchschnittsalter der Neuwagenkäufer liegt in Deutschland bei 51 Jahren. Die großen SUV bezeichnet Feige daher als „Seniorenfahrzeuge“. Die jungen Menschen, die in zehn bis 15 Jahren ihr Geld ausgeben, haben ganz andere Präferenzen. Der Klimawandel sorge sie mehr als die Arbeitslosigkeit.
Die Unternehmer sollten sich fragen: „Wofür bin ich jenseits des Geldverdienens da?“ Die Wirtschaft steht derzeit noch als Selbstzweck im Fokus und hängt sich Ökologie und Soziales als Anhängsel an. Der „gute und moderne Kapitalismus“ geht von einem anderen Selbstverständnis aus. Die Ökologie des Planten Erde ist der Rahmen des Wirtschaftens. Die Gesellschaft mit ihren sozialen Verflechtungen folgt dahinter und die Wirtschaft wird als Dienstleister für die Erfüllung ökologischer und sozialer Anforderungen aufgefasst.
Holzenkamp und Lindemann bekamen von Feige noch den Hinweis, dass der Wandel vom Rand und nicht von der Mitte aus geschieht. Der Wandel, den er beschreibt, gefällt den Menschen, die ihn als aktuelle und künftige Verbraucher forcieren werden. Dem müssen die Unternehmen folgen.

Roland Krieg

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