Das Deutsche Osterpaket

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Riesenaufschlag zur Energiewende

„Das Osterpaket ist der Beschleuniger für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir werden den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch innerhalb von weniger als einem Jahrzehnt fast verdoppeln. Wir verdreifachen die Geschwindigkeit beim Erneuerbaren Ausbau - zu Wasser, zu Land und auf dem Dach. Die erneuerbaren Energien liegen künftig im öffentlichen Interesse und dienen der öffentlichen Sicherheit. Das ist entscheidend, um das Tempo zu erhöhen. Insgesamt schaffen wir mit dem Osterpaket die Voraussetzungen für die Energiesicherheit und die Energiesouveränität Deutschlands. Zugleich legt es die Grundlagen dafür, dass Deutschland klimaneutral wird.“

Nach dem Bundeskabinett hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck große Worte für eine Beschleunigung des Ausbaus erneuerbare Energien ohne den Russlandkrieg nicht gegeben hätte. Das so genannte Osterpaket ist ein Artikelgesetz. Ein Gesetz, das mehrere Gesetze unter einen Mantel vereinbart – als da wären:  das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG), das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), das Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG), das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) und weitere Gesetze und Verordnungen im Energierecht.

Die Erneuerbaren rücken in den öffentlichen Fokus und bekommen für die Energie aus Wind und Sonne neue Flächen zur Verfügung gestellt. Jetzt werden auch windschwache Standorte erschlossen und die Planung beschleunigt. Für den Ausbau der Windkraft auf See sollen neben den Ausschreibungen künftig auch nicht untersuchte Flächen ausgeschrieben werden. Der Bedarfsplan für den Ausbau der Infrastruktur wird angepasst.

Kommt das Osterpaket zu spät?

Streng genommen schnurrt das Osterpaket die Versäumnisse der Transformation aus den vergangenen Jahrzehnten auf ein möglichst kurzes Zeitfenster zusammen. Die Abhängigkeit von Energieimporten war Ende der 1970er Jahre beim Erdölschock Arabiens schon deutlich geworden. Das hat die Logistikbranche an den Rand des Abgrundes geführt. „Die hohen energiepreise zwingen die Logistikbranche in die Knie“, sagte Carsten Taucke aus dem Präsidium des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) auf der Verkehrspressekonferenz in Berlin. „Insbesondre die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind nicht mehr in der Lage, die steigenden Diesel- und Gaspreise zu stemmen. Die beschlossene Senkung der Mineralölsteuer ist ein erster richtiger Schritt. Allerdings ist die Entlastung auf drei Monate befristet“, kritisiert Taucke. Auch wenn die Branche die Sanktionen mitträgt, sind sie ein zusätzlicher Belastungsfaktor.

EU-Grüne fordern harten Bruch

Der angekündigte Ausstieg aus der Kohle ist den europäischen Grünen nicht genug. Viola von Cramon, Vizepräsidentin der Parlamentsdelegation für die Beziehungen zur Ukraine forderte am Mittwoch auch den Ausstieg aus Gas, Öl und Nuklearenergie aus Russland. Die Sanktionen müsse Russland spüren und die EU brauche ein massives Investitionspaket in den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Schritt in die Zukunft

Für Andreas Kuhlmann von der Deutschen Energie-Agentur (dena) ist das Osterpaket ein erster Schritt: „Es ist ein weitreichendes und auch mutiges Unterfangen, das dringend erforderlich ist. Die skizzierten Maßnahmen werden jedoch nicht ausreichen, um diese Ziele zu erreichen und nach einer hoffentlich intensiven Beratung im Deutschen Bundestag noch eine Reihe Änderungen erfahren. Aber es ist ein neuer Anstoß in der Energie- und Klimapolitik, auf den viele gewartet haben.“ Mit dem Wegfall der EEG-Umlage fällt „eine massive Innovationsbremse für die integrierte Energiewende“ weg.

Absenkung der EEG-Umlage

Die Absenkung zum 01. Juli ist nach Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU), sagt aber auch: „Problemtisch ist die im Gesetzentwurf vorgesehene Mechanik, die Absenkung der EEG-Umlage zum 1. Juli nicht mit andererseits gestiegenen Kosten, vor allem Beschaffungskosten, verrechnen zu dürfen. Dies führt zwangsläufig dazu, dass Stromversorger notwendige Preisanpassungen vorziehen oder zeitnah nachholen müssen. Denn klar ist: Die aktuellen Preisentwicklungen an den Großhandelsmärkten sorgen zwangsläufig für Strompreiserhöhungen für die Kundinnen und Kunden. Mit dem Gesetzentwurf wird die Illusion vermittelt, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher sich den Entwicklungen an den globalen Energiemärkten entziehen könnten. Dies ist eine trügerische Illusion.“

Leerstellen

Das überfällige Papier enthält nach Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) zu viele Leerstellen: „Der Ausbau der erneuerbaren Energien wurde mit den beiden dazugehörigen Novellen angegangen, doch den ambitionierten Zielen fehlen die jeweiligen nötigen Maßnahmen zur Umsetzung. In anderen Bereichen werden noch gar keine Maßnahmen vorgelegt. Die Bundesregierung muss jetzt ihre Aktivitäten intensivieren und auch in den anderen Ressorts den Turbo einschalten. Gebäude und Verkehr wurden bislang links liegen gelassen. Es braucht konkrete und schnell wirksame, ordnungsrechtliche Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen und grundlegende Weichenstellungen wie die Solarpflicht für Dächer und Parkplätze und Mindesteffizienzstandards für Gebäude.“

Hemmnis Bürokratie

Der Ökostrom Pionier Lichtblick begrüßt das Osterpaket, stellt aber fest, dass das Ausbautempo nicht ausreicht, um schnell vom russischen Gas wegzukommen. Der Bundestag müsse das Paket nachschärfen. Zudem werde der marktgerechte Ausbau der erneuerbaren Energien weiterhin durch zu viel Bürokratie behindert. Wer heute in Solaranlagen, Wärmepumpen, Batterien oder Wallboxen für das Laden des Elektroautos investiert, wird vielfach mit Bürokratie überschüttet und ausgebremst, kommentiert Ralf Schmidt-Pleschka von Lichtblick.

Windanlagen-Abstände

Der BWE Landesverband für Windenergie Berlin Brandenburg (BWE LV B BB) begrüßt ausdrücklich die von den Bundesministern Habeck und Wissing verkündete Einigung zur Reduzierung der Mindestabstände um Wetterradare und Drehfunkfeuer. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hat zudem einen Gesetzentwurf zur Aufhebung der Länderöffnungsklausel in Paragraph 249 Absatz 3 Baugesetzbuch veröffentlicht. Die vor einigen Jahren eingeführte Klausel ermöglicht es den Ländern, landesweite pauschale Abstände von Windenergieanlagen zur Wohnbebauungen einzuführen. Der Vorsitzende Jan Hinrich Glahr: „Der Bund verbietet zudem die Einführung pauschaler Abstände zwischen Wohnbebauung und Windenergie. Damit macht er eines ganz deutlich, die Verhinderungspolitik einiger Länder mit Hilfe pauschaler Abstände will man nicht mehr akzeptieren und kann sich Deutschland nicht mehr leisten. Das in Brandenburg geplante 1.000-Meter-Abstandsgesetz ist damit vom Tisch!“

Biogas vergessen

„Obwohl Biogas für die Versorgungssicherheit so dringend benötigt wird wie niemals zuvor, bremst der EEG-Vorschlag die landwirtschaftliche Biogaserzeugung aus, kritisiert Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Bernhard Krüsken. „Es fehlt weiterhin die Perspektive für den Weiterbetrieb des Anlagenbestandes. Hier muss der Bundestag noch für Verbesserungen sorgen.“ Positiv wertet der DBV, dass die Gülleverwertung in Biogasanlagen auf bis zu 150 kW erweitert wird. „Der Ausbau bei Photovoltaik sollte weiterhin vorrangig auf Dächern erfolgen, um landwirtschaftliche Flächen soweit wie möglich zu schonen. Bei Agri-Photovoltaik muss die Förderung auch auf Grünland, auf Extensivstandorten und in geeigneten Schutzgebieten möglich werden“, so Krüsken weiter.

Die neuen Ölscheichs

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sieht in dem Osterpaket eine Stärkung der Bauern: „Für mich sind drei Punkte entscheidend: Der ländliche Raum wird insgesamt gestärkt, da die Beteiligung der Kommunen an der Wertschöpfung von Windkraft- und Freiflächen-PV-Anlagen verbessert wird. Zudem können sich die Kommunen bei der Steuerung von Freiflächen-PV stärker als bisher einbringen. Und wir konnten die Anschlussförderung der Biogasanlagen weitestgehend sicherstellen. Das Osterpaket ist nicht nur ein Booster für den Ausbau der erneuerbaren Energien, sondern es macht unsere Landwirtinnen und Landwirte zu Treibern der Energiewende. Mir war besonders wichtig, dass wir die Wertschöpfung in den ländlichen Räumen erhalten und weiter stärken – und das ist uns gelungen. Die bestehenden Anlagen bleiben als ein wichtiger Pfeiler der Wertschöpfung und klimafreundlichen Energieversorgung des ländlichen Raumes und der Landwirtschaft erhalten.“ Für dieses Jahr will das BMEL noch eine Biomassestrategie vorstellen.

Bioenergie vernachlässigt

Fazit aus der Perspektive Bioenergie: dieser Entwurf ist ein Ausstiegspfad für den Bestand an Bioenergieanlagen. Die Bioenergieverbände setzen nun auf die Tatkraft der Abgeordneten des Bundestages, um sowohl die geopolitischen Abhängigkeiten von fossilen Brennstoffen zu reduzieren sowie eine Verfehlung der wichtigen Klimaziele der Bundesrepublik abzuwenden. Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie, kommentiert im Namen der Verbändegemeinschaft: „Der Entwurf der Bundesregierung zum EEG 2023 lässt die Potenziale der Bioenergie zur Bereitstellung gesicherter und regelbarer Leistung, zur regionalen Wärmebereitstellung und zur Reduzierung des Importbedarfs fossiler Energieträger ungenutzt. Mit der vorgeschlagenen einseitigen Fokussierung der Biomasse-Vergütung auf Biomethan-Spitzenlastkraftwerke steht der bestehende Park an dezentralen Holzheizkraftwerken und flexiblen Biogasanlagen sowie deren erneuerbare Nah- und Fernwärmeversorgung auf dem Spiel.

Verbraucher einbinden

Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert eine stärkere Einbindung der Verbraucher. „Verbraucher müssen endlich in den Mittelpunkt der Energiewende gestellt werden. Konkret braucht es mehr finanzielle Unterstützung und weniger Bürokratie für alle, die Wärme und Strom aus Erneuerbaren beziehen wollen. Energieeffizienz und Energiesparen fehlen im Osterpaket völlig, hier muss die Bundesregierung kurzfristig nachbessern“, so Thomas Engelke aus dem Energiebereich der vzbv. Der vzbv begrüßt die Vorschläge der Bundesregierung zur besseren Regulierung von Energielieferanten. Aus Sicht des vzbv sollten Energielieferanten jedoch nicht nur auf Anfrage der Bundesnetzagentur (BNetzA) zur Vorlage eines Wirtschaftsprüfertestats verpflichtet werden, sondern in regelmäßigen Abständen einen solchen Bericht der BNetzA vorlegen müssen. Zudem sollte eine Prüfungspflicht der BNetzA in Bezug auf die Leistungsfähigkeit von Energielieferanten mit eindeutigen Mindeststandards eingeführt werden.

EEG-Umlage

Bei der Anhörung im Bundestagsausschuss Klimaschutz und Energie waren die Experten sich nicht einig, ob die Absenkung auch tatsächlich beim Kunden ankommt. Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht befürchtet, dass die Anpassung der Strombezugspreise nur dann verpflichtend werde, wenn die EEG-Umlage in die Preiskalkulation eingeflossen ist. So könnten am Ende nur die Stromlieferanten profitieren, was wegen der internen Prozesse kaum transparent zu machen ist. Paula Hahn vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist zuversichtlich, dass die Abschaffung auch einen senkenden Preiseffekt habe. Wenn aber die Strompreise auf der Großhandelsebene weiter steigen, müssten die Energieversorger ebenfalls mitziehen. Thorsten Lenck von der Agora Energiewende will den Senkungsbeitrag auf der Stromrechnung transparent vermerkt haben. Matthias Dümpelmann von der 8KU GmbH, einer Kooperation von acht kommunalen Energieversorgern fordert zusätzlich, die Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz abzusenken.

Lesestoff:

Das Überblickspapier finden sie hier: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2022/04/20220406-habeck-das-osterpaket-ist-der-beschleuniger-fur-die-erneuerbaren-energien.html

Roland Krieg

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