Das dritte Entlastungspaket
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Das dritte Entlastungspaket
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte nach der Sitzung des Koalitionsausschusses zum dritten Entlastungspaket: „Das dritte Entlastungspaket ist eine wichtig Antwort auf die Krise. Grundlage ist ein entscheidendes Prinzip: Wer weniger verdient, wird absolut mehr entlastet. Damit wirkt das Paket zielgenau. Und das ist wichtig, denn wir müssen in dieser Krise den demokratischen Konsens sozialpolitisch absichern.“
„Diese Krise hat die Gerechtigkeitsfrage in neuer Dimension auf den Tisch gebracht. Deshalb ist mir ist die Einigung auf eine Abschöpfung von Zufallsgewinnen besonders wichtig, gepaart mit einer Senkung der Strompreise über die Strompreisbremse. Über beides werden wir bereits am 9. September mit den europäischen Energieministerinnen und -ministern beraten und die Dinge schnell weiter ausbuchstabieren.“
Die Abschöpfung von Zufallsgewinnen soll für die Strompreisbremse für die Haushalte genutzt werden. Auch für die kleine und mittelständische Wirtschaft soll es ein vergleichbares Entlastungspaket geben.
Zufallsgewinne
Sie entstehen bei gleichbleibenden Kosten für viele Kraftwerke, denen steigende Gewinne gegenüberstehen. Der jeweils höchste Preis bestimmt den Preis für alle Erzeuger. Daher stimme die Balance zwischen Chancen und Risiken nicht mehr, so heißt es im Entschlusspapier. Diese finanziellen Spielräume will die Regierung nutzen. Auf der Basis der Infrastruktur der EEG-Umlage werde ein Höchstwert für Erlöse am Spotmarkt festgelegt. Die Differenz zwischen Großhandelspreis und Erlösobergrenze wird an die Verteilnetzbetreiber abgeführt. Damit wird der Berechnungsweg für die abgeschaffte EEG-Umlage in umgekehrter Richtung beschritten. Mit der Erlösobergrenze wird für den Basisverbrauch in Haushalten die Strompreisbremse gestaltet. Eine „gewisse Menge“ an Strom kann zu vergünstigten Preisen genutzt werden. Nicht alles, weil sonst der Anreiz zum Stromsparen verloren gehe.
Wegen der hohen Redispatch-Kosten für Netz- und Systemsicherheitsmaßnahmen, werden die Kosten ab dem 01. Januar 2023 stark steigen. Da sie Bestandteil der Stromkosten sind, fallen sie bei den Verbrauchern an. Hierfür wird der Energiezuschuss eingesetzt.
Allerdings setzt die Bundesregierung auf die Europäische Union, die in der nächsten Woche auf dem Energieministerrat ein gemeinsames Vorgehen abstimmen will.
CO2-Kosten und Auszahlungen
Die geplante Erhöhung des Preises für Kohlendioxid zum 01. Januar 2023 um fünf Euro pro Tonne wird um ein Jahr nach hinten verschoben. Damit verschieben sich auch die Folgeschritte der Jahre 2025 und 2026.
Rentner bekommen über die Deutsche Rentenversicherung zum 01. Dezember eine Energiepauschale in Höhe von 300 Euro. Rentner sollen bereits ab dem 01. Januar 2023 ihre Rentenbeiträge und damit zwei Jahre früher als geplant voll absetzen können. Studierende aller Hochschulen bekommen eine Pauschale in Höhe von 200 Euro.
Wärmebereich, 9-Euro-Ticket
Auch hier soll es ein Preisdämpfungsmodell geben, über das in Deutschland und Europa noch keine Einigung vorliegt. Wer Gas nutzt zahlt ab dem 01 Oktober befristet bis Ende März 2023 nur noch sieben Prozent Mehrwertsteuer. Für die Bundesländer stellt der Bund jährlich 1,5 Milliarden Euro für die Gestaltung eines Nachfolgemodells für das 9-Europ-Ticket zur Verfügung. In der Verkehrsministerkonferenz wird an einem gemeinsamen Konzept für ein bundesweites, digital verfügbares Abo-Ticket gearbeitet. Fernpendler bekommen ab dem 21. Kilometer befristet bis 2026 eine Fernpendlerpauschale von 38 Cent. Bislang liegt sie bei 35 Cent.
Reaktionen
„Es ist geschafft!“, sagte die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Britta Haßelmann. „Wir haben uns auf Maßnahmen im Umfang von 65 Milliarden Euro verständigt. Damit entlasten wir viele Menschen in unserem Land zielgenau, schnell und nachhaltig. Mit Unternehmenshilfen unterstützen wir energieintensive Unternehmen, sei es die kleine Bäckerei oder der große Chemiebetrieb, die die hohen Energiekosten fürchten. Und wir stellen mit dem Paket die Weichen für mehr Nachhaltigkeit im Verkehr.“
Die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge blickt zwar auch auf Europa, sagt aber: „Sollte eine zeitnahe europäische Lösung nicht möglich sein, werden wir hier in Deutschland voran gehen. Auch für Unternehmen außerhalb des Strommarktes soll eine Abschöpfung von Zufallsgewinnen möglich sein.“ Die Finanzierung eines Nahverkehrsticket sollte nach Dröge für ein 49-Euro-Ticket reichen.
Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) lobt die Bundesregierung: Sie „hat den Ernst der Lage erkannt: ein Entlastungsvolumen von 65 Mrd. EUR, das Privathaushalte und ebenso die Wirtschaft stützt, ist richtig und absolut notwendig.“ Der Mechanismus der Abschöpfung von Zufallsgewinnen müsse noch konkretisiert werden.
Mit Skepsis und Sorge blickt Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA), auf das Entlastungspaket: „Die Unternehmen des Groß- und Außenhandels sind zwischen Hammer und Amboss. Die Strom-, Gas- und Spritkosten belasten uns massiv. Das dritte Entlastungspaket will darauf Antworten geben, enthält aber nur viele kleinteilige Maßnahmen. Um es deutlich zu sagen: Jeder Cent der Entlastung hilft. Aber der große Wurf für die Wirtschaft ist es nicht. Er löst nicht die der Inflation zu Grunde liegenden Probleme. Die im Entlastungspaket angedeuteten Eingriffe in den Markt und die Höhe der weitestgehend unkonditionierten Hilfsmaßnahmen stimmt bedenklich. Wir dürfen und können nicht jedes Preissignal aus dem Markt ausgleichen. Sonst geht seine Lenkungswirkung verloren und wir verlassen Schritt für Schritt den Boden der Marktwirtschaft.“
Fossile Versorgungskrise
Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), zieht das folgende Fazit: „Die derzeitige Energiekrise ist durch den Engpass beim Erdgas verursacht und getrieben und wird unter anderem durch den daniederliegenden, veralteten und schadensanfälligen französischen Atomkraftwerkspark verstärkt. Es ist eine fossile Versorgungskrise, die endlich an den Wurzeln gepackt werden muss: Teure fossile und atomare Energieträger müssen überwunden, energiepreissenkende Erneuerbare Energieträger und ein Erneuerbares Energiemarktsystem beschleunigt aus- und aufgebaut werden. Hierfür gibt es ein Rezept: Investieren, Investieren, Investieren.“
roRo, VLE