Das konservierende Element der Energiewende

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Wo steht Gabriels EEG-Reform?

Heute wird im Bundeskabinett ein neuer Gesetzentwurf zur Reform des EEG verabschiedet. Der Tenor der Kritiker verlautet eine Verlangsamung der Energiewende, aber es wird auch kein Ende der Wende sein. Das sagte am Montag Gerd Rosenkranz in der Berliner Heinrich Böll Stiftung, der mit seinem neuen Buch „Energiewende 2.0“ die aktuelle Debatte mit den ursprünglichen Zielen der Energiewende vergleicht.

Nutzen nicht verdrängen

Die Kostendebatte verdrängt die Motive der Energiewende. Die Bürger wissen zwar, dass sie ein Ersatz für die Atomenergie sein soll, aber schon nicht mehr in gleichem Maße, dass der Klimawandel den Umstieg auf erneuerbare Energien vorantreibt, beschreibt Ralf Fücks, Vorstand der Heinrich Böll Stiftung. Den angekreideten Kosten der Energiewende in Höhe von 24 Milliarden Euro, wird oftmals vergessen gegenüber zu stellen: Ein Viertel des Stroms generiert Deutschland aus Wind, Sonne und Biomasse. 380.000 Arbeitsplätze sind geschaffen worden und das Risiko des Atomstroms wurde durch Abschaltungen schon halbiert. Das EEG hat seine Innovationskraft gezeigt und die Kosten für Photovoltaik um fast 80 Prozent gesenkt. Diese Technik „Made in Germany“ ist globalisierbar, betont Fücks. Das zeigt auch das Bundeswirtschaftsministerium gerade auf der Hannover Messe. Dort ist die „Exportinitiative Erneuerbare Energien“ mit einem Stand und Vorträgen vertreten. Die Initiative hilft den Firmen, neue Auslandsmärkte zu erschließen.

Fücks weiß auch, woran die Energiewende derzeit krankt. Sie ist in den Markt der alten Energien hineingewachsen und die Akteure haben keine „Anschlussgeschichte“ zu erzählen. Wie geht es weiter, wenn die erwachsen gewordenen Energien sich auf eigenen Füßen werden behaupten müssen?
Es war richtig, die Energiewende in Deutschland zu starten – sie müsse aber jetzt in Europa integriert werden. Für Fücks gilt immer noch die Vision von Off-shore-Windenergie von der Nordsee, Pumpspeicherwerken in Skandinavien und preiswerte Sonnenenergie aus dem Mittelmeerraum. Das ist die europäische Dimension der Energiewende.

Deutschland Kohleland?

Doch der Trend ist ein anderer. „Deutschland kann nicht Energiewendeland sein und Kohleland bleiben“, kritisiert Rosenkranz die Wende in der Wende. Umweltministerin Barbara Hendricks hat bereits die Lücke von sieben Prozent ausgemacht, die Deutschland hinter seinen Klimazielen bis 2020 bleiben wird und reagiert mit einem Sofortprogramm [1]. Selbst bei einem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien werden die Kohlendioxidemissionen in Deutschland beim derzeitigen Energiepfad nicht sinken. So viel Braunkohle wie derzeit wird seit 1990 nicht mehr verfeuert, so Rosenkranz. Im vergangenen Jahr hat der Import von Steinkohle erstmals mehr als 50 Millionen Tonnen überschritten. Ohne Verringerung der fossilen Brennstoffe bleibt die Energiewende stecken.
Lange war debattiert worden, ob Deutschland ein eigenes Energieministerium brauche. Bislang waren die neuen Energien mehrheitlich im Bundeslandwirtschaftsministerium und im Bundesumweltministerium verortet. Der Wechsel in das Wirtschaftsministerium scheint der Energiewende keinen Gefallen zu tun. Nach Rosenkranz verkommt sie dort zu einem „reinem Industrieprojekt“.

De-Industrialisierung

Dieses Wort geht Sigmar Gabriel und Industriekapitänen leicht von den Lippen. Doch ob es wirklich zu einem Menetekel gereicht bleibt offen. Die hohe EEG-Umlage macht die Produktion teurer und die Firmen sind im internationalen Wettbewerb schlechter gestellt. Doch stimmt das? Die Exporte boomen [2] und Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) freute sich am Montag: Für das laufende Jahr rechnet der BDI mit einem Exportwachstum von bis zu fünf Prozent. Und: „Aktuell halten wir für das Jahr 2014 einen BIP-Zuwachs in einer Größenordnung von zwei Prozent für erreichbar.“

Rosenkranz räumt mit der De-Industrialisierungs-Legende auf. Zwischen 1991 und 2014 lagen die „Letztverbraucherausgaben (privat und gewerblich) für Elektrizität am Bruttoinlandsprodukt“ bei maximal 2,5 Prozent. Die Kostenanteile der Industrie lagen bei 2,1 Prozent und damit deutlich unter den Materialkosten (44,6 Prozent), den Personalkosten mit 16,8 und sogar noch unter den Abschreibungen, Mieten und Zinsen mit 7,7 Prozent.

Rosenkranz stellte klar. Für neun von zehn Firmen spielen die Energiekosten keine große Rolle. Auch ein Blick auf die privaten Stromkosten lohne sich. Seit 2000 haben sie sich zwar verdoppelt, aber erst seit 2010 ist die EEG-Umlage daran beteiligt. Rosenkranz prophezeit aber eine weiter „Rabattorgie“.

Ob das Bundeskabinett heute über alles entscheidet ist offen, da EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia ja noch über diese Rabatte entscheiden wollte [3]. Eventuell lässt das Kabinett diesen Bereich erst einmal aus. Die Signale aus Brüssel wiesen aber am Montag auf ein Einlenken hin. Rosenkranz setzt auf das Korrektiv des Bundesparlaments. Zuvor verwies er auf den Arbeitsaufwand für den Strom. 1961 mussten die Deutschen für 200 Kilowattstunden Strom fast 9,5 Stunden arbeiten. 1991 waren dafür nur noch drei Stunden nötig und im letzten Jahr ist der Aufwand auf 3,3 Stunden gestiegen.

Wer macht den Strom?

Die Energiewende bekam ein ganz besonderes Momentum: Die Bürger nahmen die Energieerzeugung selbst in die Hand [4]. Statt 200 Großkraftwerke erzeugen heute mehr als 1,5 Millionen Kleinkraftwerke Strom. Mit dem Nebeneffekt, dass die Akzeptanz der Energiewende steigt. Ob das aber so bleibt, ist fraglich. Eine ebenfalls am Montag vorgestellte Studie vom BUND und der Leuphana Universität Lüneburg kommt zu dem Ergebnis, dass bereits jede zweite kWh Ökostrom von kleinen und privaten Erzeugern stammt. Die vorgesehenen Änderungen im EEG allerdings gefährden Bürgerenergiegenossenschaften und -windparks sowie Privatpersonen, weil Gabriel die Erzeuger zur Vermarktung ihres Stroms an die Börse zwingen will. „Verpflichtende Direktvermarktung“ heißt der Begriff. „Unsere Markterhebung zeigt, dass aufgrund der geringen Größe Bürgerenergie-Akteure für die Vermarktungsunternehmen nicht besonders attraktiv sind. Es ist daher zu erwarten, dass sie von den Vermarktern zuletzt und dazu mit den schlechtesten Konditionen bedient werden. Die Folge: Bürgerenergie wird es schwer haben, sich weiter auf dem Markt zu behaupten“, so Heinrich Degenhart, Professor für Finanzierung und Finanzwirtschaft an der Leuphana Universität Lüneburg. Ab 2017 solle zudem die Errichtung neuer Anlagen ausgeschrieben werden. Das könnte das endgültige Aus für die dezentrale Bürgerenergie sein fürchtet Lars Holstenkamp von der Leuphana Universität. Die Bürger können weder Risiko streuen, noch großes Kapital absichern oder hohe Transaktionskosten finanzieren. Hubert Weiger, Präsident des BUND: „Wir haben in Deutschland über eine Million Menschen, die privat viele Milliarden Euro in die erneuerbaren Energien investiert haben. Diese vielen kleinen privaten Investoren sind es, die uns schneller von riskanten Atom- und klimaschädlichen Kohlemeilern wegbringen. Energie in Bürgerhand garantiert eine von allen akzeptierte und sozial verträgliche Gestaltung der Energiewende. Der EEG-Reform-Vorschlag der Bundesregierung schafft zusätzliche Risiken für diesen wichtigen Motor der Energiewende. Wir fordern die Bundestagsabgeordneten auf, im weiteren Abstimmungsprozess diese Fehler zu korrigieren.“

Gabriels Umlage-Clou

Der Energiegipfel wurde mit den großen Worten eingeleitet, die Stromkosten zu senken. Also im Wesentlichen die EEG-Umlage im Zaum zu halten. Das Eckpunktepapier soll den Worten Taten folgen lassen. Doch der Bundeswirtschaftsminister setzt wie Robert Redford und Paul Newman im Film „Der Clou“ nach dem Rennen.
Seit Jahresbeginn häufen sich die Milliarden-Überschüsse auf dem EEG-Umlagenkonto. Das hat am Montag das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR) aus Münster veröffentlicht. Bereits Ende März lag ein Rekordüberschuss in Höhe von 1,5 Milliarden Euro vor. Selbst wenn im Sommer ein leichter Rückgang eintreten wird, werde das Umlagekonto bis Jahresende auf drei bis vier Milliarden Euro anwachsen [5]. Damit erhält die Bundesregierung neuen Spielraum für die Gestaltung der EEG-Umlage. Leicht vorherzusagen, dass sie nicht steigen wird. Leicht, das auf die eigene Politik der EEG-Reform zurückzuführen, entlarvt Rosenkranz des Vizekanzlers Spiel.

Verlierer Biomasse

In der ersten Version der EEG-Reform schien die Biomasse ganz aus dem Wettbewerb zu fallen. Mit leichten Veränderungen ist sie wieder dabei und die Agrarminister haben sich am Freitag auf ihrer Ministerkonferenz darüber erleichtert gezeigt. Einen hohen Stellenwert hat die Biomasse aber nicht mehr. Sie ist zwar speicherbar und grundlastfähig. Begriffe wie „Vermaisung“ schaden aber ihrem Image. Es gibt mittlerweile zahlreiche Alternativpflanzen und steigende Bodenpreise sind auch ein Resultat des Flächenverbrauchs. Gerd Rosenkranz bestätigt Herd-und-Hof.de, dass die Biomasse in den letzten Jahren systematisch schlechter gemacht wurde als sie ist. Aber von ihr überzeugt ist er auch nicht. Gegenüber Wind und Sonne müssen bei Biogas immer Brennstoffkosten in Rechnung gestellt werden. Während die Reform bei zu Wind- und Sonnenenergie nur kleine Auswirkungen habe, sind die Wirkungen auf die Biomasse schon wesentlich deutlicher. Die Photovoltaik habe ihre Kosten gesenkt. Eine vergleichbare Perspektive bei der Biomasse sei schlechtweg nicht vorhanden, erklärte Rosenkranz.

Neue Energien werden immer mehr

Montag war der Tag der Energiestudien. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) hat zusammen mit der Frankfurt School for Climate and Sustainable Energy Finance die weltweiten Investitionen im Bereich der neuen Energien vorgestellt [6]. Die Investitionen sanken auf 35,1 Milliarden US-Dollar, was im Wesentlichen auf den Rückgang der Kosten bei der Photovoltaik zurückzuführen ist. Als weiteren Grund wurden unsichere politische Rahmenbedingungen aufgeführt. Ohne Berücksichtigung großer Wasserkraftwerke wurden weltweit 43,6 Prozent der neu installierten Energieerzeuger im Bereich der neuen Energien aufgebaut. Ohne diese Kapazitäten wäre der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid um 1,2 Gigatonnen höher. Das hätte die Lücke für das erreichen des Zwei-Grad-Ziels im Zwischenjahr 2020 um 12 Prozent vergrößert.

Einige Höhepunkte der Studie, die in dieser Woche in New York auf dem „Future of Energy Summit“ vorgestellt wird:

2013 hat China erstmals mehr in neue Energien investiert als Europa. Chinas Investment sank um sechs Prozent auf 56 Milliarden US-Dollar, dass der Europäer um 44 Prozent auf 48 Milliarden US-Dollar. Mit Ausnahme der USA und Brasilien haben die amerikanischen Länder ihr Investment um 26 Prozent auf 12 Milliarden US-Dollar erhöht. Japans Boom im Bereich der Solarindustrie hat die Investitionen um 80 Prozent auf 26 Milliarden US-Dollar ansteigen lassen. Obwohl im Solarbereich die Investitionen um 23 Prozent von 135,6 auf 104,1 Milliarden US-Dollar sanken, stieg die installierte Leistung um 26 Prozent auf 39 GW weltweit. In Lateinamerika, im Mittleren Osten und in Afrika gibt es zahlreiche Beispiele von neuen Wind- und Sonnenkraftwerken, die mittlerweile ohne staatliche Subventionen entstehen. Weltweit wurden im letzten Jahr 8,5 Prozent des Stroms aus neuen Energien ohne große Wasserkraftwerke erzeugt. 7,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Seit 2006 wurden in diesem Bereich mehr als 1,5 Billionen US-Dollar investiert.

Lesestoff:

Das Buch „Energiewende 2.0“ finden Sie auch zum Herunterladen auf www.boell.de

[1] „Zeitalter des anthropogen verursachten Klimawandels“

[2] Gehen Sie mit der Konjunktur

[3] Almunia in Berlin

[4] In die Selbstversorgung investieren

[5] Die gezahlte EEG-Umlage landet zunächst auf einem speziellen Konto, das von den Netzbetreibern geführt wird. Einnahmen (EEG-Zahlungen der Verbraucher, Einnahmen durch Stromvermarktung) werden mit den Ausgaben (Vergütungszahlungen an die Betreiber) saldiert. Der Fehlbetrag wird als EEG-Umlage auf die Stromverbraucher verteilt. Die Höhe dieser Differenzkosten ist von 2012 auf 2013 nur unwesentlich von 16 auf 16,2 Milliarden Euro gestiegen.

[6] Frankfurt School, FS-UNEP Collaborating Centre for Climate & Sustainable Energy Finance: Global Trends in Renewable Energy Investment 2014 www.fs-unep-centre-org

Roland Krieg

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