Den "Fahndungsdruck erhöhen"
Handel
Seehofers Reform der Lebensmittelüberwachung
Der Bundesverband er Lebensmittelkontrolleure zeigte sich in dieser Woche unzufrieden. „Die Missstände bleiben“, sagte der Verbandsvorsitzende Martin Müller am Dienstag. Seine Idee: Lebensmittelkontrolleure zu Ermittlern der Staatsanwaltschaft ausbilden. Dann „könnten sie sofort handeln, ermitteln und Ware beschlagnahmen.“ Bundesverbraucherminister Horst Seehofer war gestern bei der Vorstellung der Reform der Lebensmittelüberwachung damit unzufrieden: „Das stimmt in der Pauschalität nicht. Aber wir sind noch auf dem gleichen Stand.“
Aufbau eines Qualitätsmanagements
Mit der vorgelegten Reform sollen die Beschlüsse aus der Verbraucherschutzministerkonferenz umgesetzt werden. Es ist kein neuer Plan, sondern eine bundeseinheitliche und standardisierte Regelung, die für die Bundesländer verbindlich werden soll. Noch n diesem Jahr, wenn sich die nächste Verbraucherschutzministerkonferenz Anfang Dezember darüber verständigt.
Seehofer betonte, dass vor allem die Ernährungs- und die Fleischindustrie auf Verbesserung drängte, weil die anhaltenden Skandale Auswirkungen auf den Um- und Absatz haben. „Es gibt ein strukturelles Problem bei der qualitativen und quantitativen Lebensmittelüberwachung“, sagte Seehofer gestern in Berlin. Es könne nicht sein, dass Greenpeace etwas aufdeckt, dass vorher 2.000 Kontrolleuren entgangen ist.
Drei Änderungssäulen
Zwar würde auch das Anti-Dumping-Gesetz zu dem Thema passen, aber es sei mehr eine begleitende Maßnahme und wird die Mängel nicht beseitigen.
Dafür müsse zuerst ein Qualitätsmanagementsystem aufgebaut werden. Dazu gehören die finanzielle und personelle Ausstattung sowie die Ausbildung nach neuesten Erkenntnissen und Fortschritten der Lebensmitteltechnologie. Bei den Kontrollen müsse das Vier-Augen-Prinzip gelten und Kontrolleure sollen dem Rotationsprinzip unterliegen. Ein Veterinär wird demnächst nur noch befristet in einer Region kontrollieren können. Dan wird ihm ein anderes Gebiet zugeordnet. Zudem müssen die Kontrollen selbst viel flexibler werden: Wenn in den Fleischfabriken die Ware um drei Uhr nachts angeliefert werde, dann dürfe nicht erst um 09:00 Uhr vormittags kontrolliert werden. Dann sei die Ware wieder weg. Zur Kontrolle gehöre auch, dass „eine Palette aus fünf Meter Höhe“ extra für den Kontrolleur heruntergebracht wird, damit er sie begutachten kann.
Als zweite Säule werde ein bundesweites Frühwarnsystem aufgebaut, so dass auch Kontrolleure aus Sachsen von einträgen profitieren können, wenn Hessen einen Verdacht nach Bayern meldet. Seehofer will mit dieser ständig aktualisierten Datenbank „keinen Datenfriedhof“ aufbauen, sondern die Datenbank auch nutzen, um in Richtung EU zu berichten.
Als dritte Aktivsäule soll der Bund „bei außergewöhnlichen Ereignissen“ mit einbezogen werden. Der Minister sieht ein gutes Beispiel bei der Tierseuchenbekämpfung, wo diese Rolle selbstverständlich ist.
Auf die Kompetenzen achten
Bei allem achtete Seehofer darauf, dass die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Länder gewahrt bleibt. „Es wird keine Bundesoberbehörde geben.“ Mit dem Reformvorschlag will Seehofer vermeiden, dass durch weitere Untätigkeit die einzelnen Länder nicht wieder auseinanderdriften. Einzelne Länder signalisierten eine eindeutige Bereitschaft mitzumachen. Bayern spricht sich für eine Task force und Eilverordnung aus und NRW will in einem bestimmten Zeitraum die Anzahl der Kontrolleure verdoppeln.
Seehofer betonte aber auch, dass es nicht die vielen kleinen regionalen Vermarktungsstrukturen sind, die ihm Kopfzerbrechen bereiten. Die sind gut kontrolliert und vor allem durch den Verbraucher begutachtet. Sorge bereitet ihm der große Warenstrom durch das Land und der Export.
Wie die veränderten Kontrollzeiten, häufigeren Kontrollfrequenzen und sorgfältigeren Kontrolltiefen allerdings finanziert werden sollen, wollte Seehofer nicht sagen. Dafür seien die Länder zuständig.
roRo