Der Club der Äpfel

Handel

Vermarktungschance mit Markenäpfel?

Eine Flasche Wasser für über 80 Euro? In Nobel-Hotels gibt es das amerikanische Mineralwasser in Flaschen, die mit Kristallen der Firma Swarovski besetzt sind. Aber Normalbürger fragen auch „preiswertere Wässer“ exotischer Herkunft nach: „Voss“ kommt aus der norwegischen Wildnis, „Fiji“ aus der Südsee. Dabei reicht die hauseigene Wasserleitung zum Durstlöschen aus, denn aus ihr kommt das penibel untersuchte Trinkwasser. Marke und Image machen den Preis.
Obst und Gemüse haben bei Verbrauchern das gesündeste Image, aber offensichtlich noch große Vermarktungsdefizite. Dabei können die Obst- und Gemüsebauern mit diesem Jahr ziemlich zufrieden sein. Mit über drei Millionen Tonnen Gemüse wurde eine ähnlich hohe Erntemenge wie im Spitzenjahr 2004 erzielt. Europaweit lag die Apfelernte zwar etwas unter dem Durchschnitt, aber in NRW und Bayern sind die Obstbauern mit ihren Ernten sehr zufrieden. Trotzdem ist noch Platz nach oben, denn die EU muss Obst und Gemüse importieren. Und die Zielmarke von 400 Gramm je Kopf und Tag für eine gesunde Ernährung ist noch lange nicht erreicht.
Aber wer kauft seine Möhren schon nach Sorten? Haben Sie schon die Apfelsorten Greenstar und Kanzi probiert? Kennen Sie Cripps Pink?

Bei den Äpfeln gibt es keine „Cash-Kuh“
Auf dem seit gestern laufendem 3. Obst- und Gemüseforum der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle ZMP in Berlin stellte Dr. Wilhelm Ellinger, Abteilungsleiter Gartenbau der ZMP Bonn, den Sortenwandel der letzten 35 Jahre zusammen.
Bis zur Marktkrise 1969 bis 1971 war jeder zweite Apfel ein Golden Delicious. Die „gelben, geschmacklich flachen und häufig überlagerten Golden“ waren den Konsumenten bald überdrüssig. Rund 50.000 Hektar Apfelplantagen wurden in der EU gerodet und der Granny Smith aus Frankreich, Italien und Übersee bot eine grünschalige, saftige und frisch-säuerliche Geschmacksalternative. Mitte der 1980er Jahre begann die Jonagold-Elstar-Periode, die dann 1990 von der Braeburn-Gala-Periode abgelöst wurde. Neuseeland war lange Zeit Alleinanbieter Beliebtes Obstdieser Sorten, die mittlerweile durch andere Überseeländer und Südeuropa einen Marktanteil von 27 Prozent erreicht haben.
Mit dem Abstieg des Golden Delicious wurde die Angebotspalette breiter, aber neue interessante Sorten verloren bald ihren wirtschaftlichen Reiz, weil andere Produzenten einstiegen. So ist der Elstar bei den Kunden sehr beliebt, wirtschaftlich jedoch weniger interessant, bekannte der rheinische Obsthof Klein in der Monatsschrift, dem Magazin für den Gartenbau-Profi. Den Elstar müsse man aber in seinem Sortiment haben.
So gibt es also derzeit keinen Apfel, der den Züchtern und Erzeugern richtig Geld für die viele Handarbeit bringt. Von den 1,99 Euro im Handel, bleiben dem Erzeuger gerade einmal 0,35 Euro je Kilo übrig, rechnete Gerhard Baab vor. Er ist Berater für Kernobst im Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Beim Großhandel bleiben 0,42 und beim Lebensmitteleinzelhandel (LEH) etwa 1,22 Euro in der Kasse.
Dr. Ellinger zeigte auch, dass bei Verbrauchern die Sortenwahl bei Äpfeln altersabhängig ist. Mit steigendem Lebensalter schließen sich so genannte „Geschmacksfenster“ und es werden andere Sorten bevorzugt. Der Granny ist bei jungen Menschen sehr beliebt, ältere Menschen bevorzugen Elstar, Cox und Boskoop.
Hier tun sich vor allem deshalb neue Märkte auf, weil in der Wachstumsphase des Produkt-Lebenszyklus Apfel zu wenig Sorten zur Auswahl vorhanden sind. Neue Sorten, qualitative Sorten und Äpfel für bestimmte Zielgruppen fehlen am Markt. Allerdings dauert die Marktreife einer neu gezüchteten Apfelsorte auch bis zu 18 Jahre.

Der Club-Apfel
Den Cripps Pink werden viele bereits einmal verspeist haben. Cripps Pink ist der Sortenname, aber im Handel wandert er als „Pink Lady“ in den Einkaufskorb und gilt als „Mutter aller Clubsorten“.
Die Idee ist, im weltweiten Handel eine lokale Marke so zu platzieren, dass sie ein Alleinstellungsmerkmal aufweist, die Investitionskosten der langen Marktreife einspielt, eine höhere Wertschöpfung erzielt und nicht kopiert werden kann. Ein Club, zu dem nicht jeder Zugang hat, der sich geschlossen nach außen präsentiert und seinen exklusiven Wert vermarktet.
Die Clubsorten werden gezüchtet, von ausgewählten Bauern in Lizenz produziert und über eine Genossenschaft oder Marketinggruppe gezielt vermarktet. Die Apfelsorte wird zur qualitativ hochwertigen Marke, die den Erzeugern einen Mehrerlös garantiert. Die Anbaufläche ist festgelegt, um den Wert nicht durch Überproduktion zu mindern: Die Baumproduktion folgt einem Marketingplan.
Michael Weber, Geschäftsführer der VariCom GmbH in der Schweiz zeigte die Schwierigkeit dieser „exklusiven Wertschöpfungskette“ auf. Die Anbauwürdigkeit und Ertragsmenge des neuen Apfels ist nicht alles. Das Marketingkonzept muss langandauernd stimmen, um dem Verbraucher zuerst die unterschiedlichen Eigenschaften des neuen Apfels nahe zu bringen und dann möglichst lange im Wettbewerb daran erinnern.
Gerhard Dichgans, Direktor des Verbandes Südtiroler Obstgenossenschaften erinnerte schon vor zwei Jahren daran, dass die Zukunft den Vermarktern gehört. So stehen Erntetonnagen und Krankheitsstabilität bei den Clubsorten nicht mehr im Vordergrund, bleiben aber Voraussetzung. Nach Weber entscheiden andere Faktoren über den Erfolg: Kann der finanzielle Rückfluss durch „emotionalen Abstand in der Markenführung zum Standardsortiment“ beibehalten werden? Was sind die Inhalte, Konsumenten für den Kauf zu begeistern, wie ist die Qualität der Markenvisualisierung?

Clubsorten: Klein, aber fein
1992 gab es erst zwei Clubsorten. Eine Lebensdauer einer Apfelplantage, also 15 Jahre später, gibt es, heute, 20 Apfelsorten, wie beispielsweise den Greenstar und Kanzi. Im Jahr 2022 werden es vielleicht 22 Sorten sein. Schon alleine, weil die Einführung so lange Der moderne Apfelbaumdauert, sind Clubsorten kein Schnellschuss. Nicht alle Sorten, die heute als Clubsorte vermarktet werden, bleiben in den Läden.
Urs T. Luder, Geschäftsführer der Greenstar Kanzi Europe hat bei den beiden Apfelsorten 2004 in Belgien, den Niederlanden und Deutschland die Vermarktung angefangen. Mittlerweile sind Partner in Großbritannien, Südtirol und der Schweiz hinzugekommen.
Trotzdem: Im Oktober 2007 gab es lediglich 1,8 Millionen Bäume Kanzi und 0,5 Millionen Bäume Greenstar. Die Vermarktungsmenge betrug jeweils 8.000 und 7.500 Tonnen. Die Gesamterntemenge in der EU beträgt rund sieben Millionen Tonnen. Das Gesamtvolumen der Clubsorten wird heute auf etwa 240.000 t geschätzt.
Jedoch scheinen die Bauern ihren Schnitt zu machen. Max Mader baut auf seinem Obsthof in Frickingen am Bodensee auf 30 Hektar Äpfel an. Im Vergleich zum Jonagold trägt Kanzi etwa 30 Prozent weniger und hat bei 22.500 Euro Investitionskosten je Hektar einen etwas höheren finanziellen Aufwand – aber bei vier Cent je Kilogramm Mehrerlös lohne sich der Anbau.
Gartenbauer rechnen gerne in konkreten Zahlen: 50 Tonnen je Hektar und 70 Prozent Premiumqualität sollen es schon sein. Bei den Clubsorten müsse man sich umgewöhnen, so Mader. Das Vertrauen in die Vermarktungsorganisation sei dann schon mehr eine Glaubensfrage.

Exklusivität ist kein Allheilmittel
Die Erzeuger haben bei der Festlegung der Anpflanzungen schon das größte Risiko und es zeigte sich, dass niemand seine Plantage ganz auf eine Clubsorte umstellen sollte. Die „Exklusivität“ werde zukünftig nicht bei allen Sorten auf Dauer gewährleistet sein, schränkte Berater Baab ein. Versagen Qualität durch schlechte Witterung, sinkt die Vermarktungsleistung oder sind die erlöse Nicht mehr kostendeckend, dann funktioniere auch das Clubmodell nicht.
Geschäftsführer Luder spricht auch lieber von einem Businesskonzept. Im Vorfeld muss lange und ausführlich getestet werden, weil die Clubsorte nur dort Erfolg hat, wo sie die besten Anbaubedingungen vorfindet. Die Sorte Kanzi haben die Vermarkter für einen Anbau in Spanien bereits ausgeschlossen. Auch in Frankreich eigne sich nicht jedes Anbaugebiet.
Nur Gutes hingegen, weiß der Handel zu berichten. Christiane Bell-Körber von Metro Cash & Carry glaubt an die win-win-Situation im Handel. Die Metro führt bereits Clubsorten und bietet damit den Kunden besondere Highlights an. Das gehe sogar soweit, dass die Einlistung der Sorten auch dann stattfindet, wenn Erzeuger nur limitierte Mengen und ein saisonal beschränktes Angebot liefern können. Die Clubsorten erfüllten ihren Zweck und die Bereichsleiterin bei Obst und Gemüse wünscht sich auch bei anderen Obst- und Gemüsesorten ein vergleichbares Konzept.

Lesestoff:
Auch wenn der Club andere Erzeuger ausschließt: Erfolg kann vielfältig sein. Die Italiener hatten zur Fruit Logistica mit Mr. Fruitness ein Konzept zusammen mit der Ernährungsbranche vorgestellt.
Herd-und-Hof.de hatte im Spätsommer einen Obstbetrieb im Rheinland besucht, der seine ganze Ernte einfallsreich in der Direktvermarktung unterbringt.

Roland Krieg; Fotos: roRo

Zurück