Der Kern der Energiewende

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Soziale Nachhaltigkeit bei der Energiewende

Kein Geld mehr für die Stromrechnung – schon sitzt die Familie im Dunkeln. Windräder für die energieautarke Kommune – schon hat sich die erste Bürgerinitiative gegen den Windturm gegründet. Die EEG-Umlage wird als Haushaltskiller verschrien: Wer hat dabei noch Lust auf die Energiewende?

Darüber debattierten Prof. Dr. Uwe Schneidewind, Präsident des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und Prof. Dr. Michael Opielka, Wissenschaftlicher Direktor des IZT (Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertungen) am Montagabend in der Berliner Mercator-Stiftung.

Wenig Energiespezifisches

Für Dr. Schneidewind ist die Energiewende kein Spaziergang und zieht ein verändertes Konsumverhalten nach sich. Für Dr. Opielka kann die Energiewende nur gelingen, wenn die soziale Nachhaltigkeit gegeben ist.
Die Vermieter wollen ihr Haus energiegerecht sanieren, die Mieter fürchten die Umlegung der Kosten auf die Miete. Das Konfliktpotenzial ist nach Dr. Opielka nicht spezifisch für die Energiewende. Dahinter steht die Frage, ob der Sozialkonflikt, der in diesem Fall den Sektor Energie berührt, ausgehandelt oder eine Lösung aufoktroyiert wird. Am Ende gehe es bei diesem Konflikt um die Machtfrage, wer eine demokratisch legitimierte Mehrheit erhalte. Hätten die Kommunen in der Vergangenheit ihren Gebäudebestand nicht privatisiert, so Opielka, dann hätte die Politik heute Zugriff auf die Lösung.
Dr. Schneidewind ergänzt, dass die Energiewende mittlerweile einen Status erreicht habe, bei der die institutionellen Herausforderungen größer die technologischen seien. Beim Mietshaus gehe es um die Frage nach der Organisation des Eigentums. Das könne auch auf die Mobilität übertragen werden. Muss jeder eine besitzende Mobilität mit einem eigenen Auto umsetzen, oder sollte eine nutzende Mobilität mit dem öffentlichen Personennahverkehr im Vordergrund stehen?
Auch die 600.000 jährlich durchgeführten Stromsperren sind nicht primär auf die Energiewende zurückzuführen. Sie verweisen nach Dr. Opielka bei acht Millionen arbeitenden Menschen im Niedriglohnsektor auf ein generelles soziales Strukturproblem.

Anders konsumieren

Beide Wissenschaftler wollen von einem Konsumverzicht nichts wissen. Sie führen Beispiele an, wie künftig anders konsumiert werden kann, um das Klima auf der Erde erträglich zu gestalten. Die Menschen verbrauchen am Ende mehr Energie, weil sie nach einem Einspareffekt neue Geräte kaufen. Diesem Rebound-Effekt könne die Politik begegnen, wenn sie Energie immer teurer mache. Damit können Effizienz- und Produktivitätssteigerungen eingefangen und bewahrt werden, so Dr. Schneidewind. Auch für Dr. Opielka steht kein Konsumverzicht ins Haus. Online-Tauschbörsen helfen, die Nutzungszeit von Produkten zu verlängern. Die Bürger bräuchten einen neuen Zugang zum Ressourceneinsatz.
Dabei werden sich noch viele neue Fragen stellen: Eine einzige Suchanfrage bei „Google“ verursache durch die Rechnerleistung der Server so viel Energie, wie eine Energiesparlampe während fünf Minuten verbrauche.

Beteiligungsmodelle

Die Energiegenossenschaften zeigen, dass die Akzeptanz für neue Energien bei Bürgern steige, wenn sie als Mitwirkende beteiligt sind. Die Bürger wollen mindestens befragt werden, ergänzt der Soziologe Opielka.
Dabei muss die die Energiewende nicht „sexy“ gemacht werden, um bei den Jugendlichen anzukommen. Jeder dürfe nach Dr. Schneidewind nach seiner Fasson glücklich werden. Wenn aber der politische Rahmen stimme, dann wird die Entscheidung für ein energiearmes Neugerät bald so selbstverständlich wie das Stehen bleiben bei roter Ampel. Vieles werde derzeit falsch gemacht, wenn Erwachsene die „Jugendlichen als Konsumpraktikanten“ auch in der Werbung ansprechen. Werden junge Menschen als verantwortungsvolle Bürger erzogen, werden sie sich wie selbstverständlich für einen Konsum innerhalb der irdischen Ressourcen entscheiden.
Bislang wurde die Energiewende überwiegend aus der ökologischen Perspektive gesehen. Die gesellschaftliche Dimension rücke jetzt erst in den Fokus der Wissenschaft.

Roland Krieg

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