Der moderne Reiz der Seidenstraße

Handel

Seidenstraße als Chance für den Frieden

Wer handelt streitet nicht. Wer Autarkie plant, plant Krieg. Alte Weisheiten, die sich immer wieder bestätigen. Fernhandelskaufleute mussten im 13. Jahrhundert richtige Abenteuerreisen unternehmen, bevor sie exotische Waren aufkaufen und zu Hause wieder verkaufen konnten. Heute spielt die Reisezeit keine Rolle mehr. Aber das Abenteuer bleibt. China plant das Wiederaufleben der Seidenstraße zwischen Europa und Asien und rief am Wochenende Dutzende Politiker und Wirtschaftsexperten zum „Belt and Road“-Gipfel nach Peking.

Marco Polos Seidenstraße

700 Jahre vorher ging die „Initiative“ von Genua aus. Schon Marco Polos Vater bastelte an einer Handelsroute nach China. Sie führte über das Schwarze Meer in die damaligen Mongolengebiete bis nach China. Voraussetzung war die Erlaubnis der Khane, die Kurierstraßen nützen zu dürfen. 1260 erreichte die Familie Peking. Der berühmteste Sohn Marco wurde erstmals 1271 mitgenommen. Die Berichte an seinen Vater legten den Grundstein für den Mythos über die Seidenstraße.

Chinas Seidenstraße

Grundsätzlich unverändert bleibt die Route der modernen Seidenstraße, die Peking mit einem Aufwand von mehr als 100 Milliarden Euro in Gang setzen will. Neben der chinesischen Entwicklungsbank spielt auch die neu gegründete Asiatische Infrastruktur-Investmentbank (AIIB) bei der Finanzierung eine Rolle. Der Blick auf die „Route“ zeigt, dass neben dem Warenaustausch auch geopolitische Aspekte eine Rolle spielen. Die aber sind eine Chance für Regionen und Länder, die am Welthandel bislang nur selektiv teilnehmen und überwiegend mit politischer Instabilität in Verbindung gebracht werden.

Über die Türkei geht die neue Seidenstraße über den Nahen Osten nach Teheran und führt nördlich von Afghanistan und Pakistan nach Zentralasien mit den meist unbekannten Ländern Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisistan, bevor sie endlich China erreicht. Nördlich davon liegt Kasachstan, das derzeit mit neuen Infrastrukturprojekten seine Handelsambitionen mit der restlichen Welt untermauert [1].

Chance für Zentralasien

Am „Seidenstraßen-Gipfel“ nahm auch Wladimir Putin teil. Indien hingegen blieb dem Treffen fern. Weniger, weil es offiziell vor einem Schuldenberg warnt, sondern eher, weil die Handelsroute das chinesische Einflussgebiet nach Westen ausdehnt. Russland, China, Indien. Das Seidenstraßenprojekt ist ein deutliches Signal, dass die BRICS-Staaten das Potenzial für Wachstum, Wohlstand, Frieden besitzen und den Handelsblick auf der Weltkarte komplett neu ausrichten können [2].

Pakistan könnte durch die neue Seidenstraße nach eigenen Berechnungen schon 2022 jährlich fünf Milliarden US-Dollar über Transitgebühren und neue Absatzwege zum Weltmarkt einnehmen. Insgesamt kann die Seidenstraße des 21. Jahrhunderts zur Einkaufsstraße von mehreren Dutzend Ländern mit 60 Prozent der Weltbevölkerung und einem Drittel des Weltbruttosozialprodukts werden. Alle Binnenmärkte entlang dieser Region haben alles andere als gesättigte Märkte. Das kann auch für die künftigen alten Wirtschaftszentren wie die USA und Europa interessant sein.

Das haben die Amerikaner unter US-Präsident Donald Trump erkannt. Gerade erst dürfen sie erstmals nach dem BSE-Bann wieder Rindfleisch nach China verkaufen. Die Times of India berichtet von in Peking anwesenden US-Handelsvertretern, dass sie das Seidenstraßenprojekt mit Infrastrukturprojekten unterstützen wollen.

Zögerlicher ist die EU. Die Welt zitiert die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries am Sonntag: „Was mit der gemeinsamen Erklärung wird, sehen wir morgen.“ Fehlten der Erklärung Zusagen über den freien Handel und über gerechte Wettbewerbsbedingungen könnten die Europäer dem Papier heute ihre Unterschrift verweigern.

Lesestoff:

[1] Kasachstan baut Infrastruktur aus: https://herd-und-hof.de/handel-/kasachstan-baut-infrastruktur-aus.html

[2] Die BRICS-Staaten als neue Wirtschaftszentren? https://herd-und-hof.de/handel-/stellt-brics-den-g7-club-in-den-schatten.html

Roland Krieg

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