Der Osten braucht Milliarden

Handel

Investitionsbedarf in Osteuropa

Russland, Kasachstan und die Ukraine: Von dort kommen rund 20 Prozent des weltweit gehandelten Getreides und 60 Millionen Tonnen mehr könnten sie produzieren, wenn Ertrag, Infrastruktur und Technik modernisiert wären. Die Länder können nach Aussage von Dr. Thomas Kirchberg, Vorsitzender der Südzucker AG, einen erheblichen Beitrag zur Sicherung der Welternährung leisten.
Das sah auch Bundeslandwirtschafts-ministerin Ilse Aigner beim Ost-Ausschuss auf der Grünen Woche so. Schlüssel für die Entwicklung sind Technik und Ausbildung, die aus Deutschland kommen könnten.
Dr. Thomas Mirow schätzt den Investitionsbedarf in der Ukraine auf bis zu 2.000 US-Dollar je Hektar. Der Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung errechnet damit ein Investitionsvolumen in Höhe von bis zu 80 Milliarden US-Dollar für das Land, das die fruchtbarsten Böden der Welt hat. Finanzierbar sei das nur mit privater Unterstützung, von der bislang aber kaum etwas zu sehen sei.

Selbsthilfe oder Hilfe?

Russland ist ehrgeizig und will mit einem Modernisierungsprogramm die Selbstversorgung deutlich steigern. Die russische Landwirtschaftsministerium Elena Skrinnik beschrieb die Anstrengungen, die bis 2020 unternommen werden sollen. Russland will die Infrastruktur verbessern, Verarbeitungsbetriebe aufbauen und Maßnahmen gegen die Trockenheit durchführen. Europa solle bei den Investitionen helfen, sagte Skrinnik.
Tobias Lüpke von den Beratern Erst & Young ist skeptisch. 120 Millionen Hektar Ackerfläche hat Russland, zehnmal mehr als Deutschland, und nur 75 bis 80 Millionen werden genutzt. Die Brachfläche ist so umfangreich wie die Ackerfläche Kanadas. Ein Grund warum Russland rund 40 Prozent seiner Nahrungsmittel importieren muss.
In den letzten Jahren hat sich auch kaum etwas geändert, stellt er auf der Zukunftswerkstatt Niedersachsens vor. Seit der Perestroika muss Russland rund ein Viertel an eier und Milch importieren, ohne das der zwischenzeitlich abgenommen hat.
Die selbstversorgungsziele Russlands sind ehrgeizig. Doch dem Soll für das Jahr 2020 hinkt die Realität aus dem Jahr 2009 noch weit hinterher. Bei Getreide ist Russland zwar dem Ziel von 100 Prozent schon nahe, es fehlt nur ein eines, aber bei den anderen Produkten sieht es mau aus: Kartoffeln (99 % für 2020, aber erst 61 % im Jahr 2009), Fleisch (88 % und 64 %), Milch (85 und 78 Prozent) und Zucker liegen die werte bei 90 und 60 Prozent.
Da reißen auch die straff organisierten großen Farmen nichts mehr. Prodimex bewirtschaftet 570.000 Hektar und Black Earth Farming 328.000 Hektar. Sie bewirtschaften nicht nur Land, sondern nehmen in den Dörfern auf ihrem Land auch staatliche Aufgaben wahr, die von der Regierung vernachlässigt werden, so Lüpke. Fünf Farmen in der Größe von Prodimex würden für die Bewirtschaftung Niedersachsens ausreichen.
Aber neben der alten Technik, schlecht ausgebildeten Mitarbeitern ist die Infrastruktur mangelhaft. Im Osten Russlands kaufen die Menschen Lebensmittel lieber in Japan, weil das schneller geht. Ein Lkw ist auf Schotterpisten in West-Ost-Richtung mindestens fünf Tage unterwegs.
Wer also in Russland investieren will, der muss sich auch damit auseinander setzen. Das große Marktpotenzial lockt Investoren, doch auch die russischen Farmen sind sich dessen bewusst und haben im direkten Wettbewerb noch immer eine vertraute Nase vorn.

Roland Krieg (Text und Fotos)

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