Der Rest vom Fest

Handel

Nachbemerkungen zum Fleischskandal in Bayern

>Das Schnitzel liegt wohl paniert zwischen Salzkartoffeln und Bohnen in dunkler Sauce auf dem Teller. Oder die Gänsekeule taucht in den Rotkohl am Tellerrand. Aber auch das Medium Steak kann eine feierliche Belohnung in einem Restaurant sein. Fleisch gehört bei den allermeisten Menschen zur täglichen Nahrung dazu und ist, einem alten Werbespruch zur Folge „ein Stück Lebenskraft“. Das Stück Fleisch auf dem Teller zeigt aber nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit.

Mengen tierischer Nebenprodukte
Von einem Hähnchen werden nur rund 68 Prozent vom Menschen unmittelbar verzehrt. Das Schwein landet nur zu 62 Prozent auf den Teller, das Rind zu 54 Prozent und bei Schaf und Ziege sind es gerade nur 52 Prozent. Was die Konsumenten in der heutigen Zeit gar nicht mehr mitbekommen, sind die Abfälle, die tierischen Nebenprodukte, die nicht „zum unmittelbaren Verzehr durch den Menschen bestimmt“ sind. Die EU hat ausgerechnet, dass jedes Jahr etwa 10 Millionen Tonnen Nebenprodukte anfallen, die in irgendeiner Art und Weise entsorgt werden müssen.
Knochen, Haut und Bindegewebe werden beispielsweise für die Herstellung von Gelatine verwendet, die sich bei Marshmallows und Desserts wieder in Lebensmitteln finden. Eiweiß für Lebens- und Futtermittel oder für Kosmetika wird aus Gemischen von Knochen und Schlachtabfällen ausgeschmolzen und wieder verwendet. Schlachtabfälle werden nach einer genau definierten Hitzebehandlung von 133 °C für 20 Minuten bei 3 bar Druck als Futtermittel verwendet und werden als Material der Kategorie 3 bezeichnet. Dazu gehören genussuntaugliche Schlachtkörperteile, aber auch genusstaugliche, die allerdings aus kommerziellen Gründen nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind. Ferner Häute, Hufe und Hörner, Schweineborsten und Federn; Blut von anderen Tieren als Wiederkäuern, die nach einer Schlachttieruntersuchung zum Schlachten zugelassen worden sind; entfettete Knochen und Grieben; ehemalige Lebensmittel tierischen Ursprungs außer Tisch- und Speiseabfälle und noch einiges mehr was in der EU-Verordnung 1774/2002 ausführlich aufgelistet ist.
Material der Kategorie 3 ist unverzüglich abzuholen, abzutransportieren, zu kennzeichnen und durch Verbrennen in einer zugelassenen Verbrennungsanlage direkt als Abfall zu beseitigen. Es kann auch in zugelassenen Betrieben zu Heimtierfutter weiter verarbeitet oder in Biogas- oder Kompostierungsanlagen eingesetzt werden.

Niedersachsen bemängelte Deggendorfer „Fleisch“
Mitte Oktober hat eine niedersächsische Firma eine Fleischlieferung aus Deggendorf als untauglich zurückgewiesen, woraufhin das Verbraucherschutz-Ministerium aus Hannover die Bayrischen Behörden informiert hatte. Vorher will Minister Werner Schnappauf aus Bayern keine Informationen über Fleischabfälle, die als Lebensmittel deklariert wurden, erhalten haben.
Seit Juli wurde der Betrieb in Deggendorf jedoch bereits sieben Mal kontrolliert. Sechs Mal fielen Verstöße gegen Hygienevorschriften auf. Möglicherweise entging den Behörden das Umdeklarieren, weil es während des Transports im fahrenden LKW durchgeführt wurde, wie es aus der Branche heißt.
Jedenfalls gerät Bayern unter Druck, denn Hans Michael Goldmann, ernährungspolitischer Sprecher der FDP: „Nach den vorliegenden Fakten drängt sich der Verdacht auf, dass hier vertuscht werden sollte.
Schnappauf und Ministerpräsident Stoiber müssen jetzt genau darlegen, ab wann sie von dem Fleischskandal wussten.“

Gelha wehrt sich
Offen ist die Diskussion, ob die Politik im Rahmen eines Verbraucherinformationsgesetzes die Namen der betroffenen Produkte veröffentlichen soll. Die Geschäftsführer Helmut Heidmeyer von Firma Gelha wehrt sich:
„Wir verwenden nur lebensmittelrechtlich unbedenkliche Ware für die Herstellung unserer Qualitätsprodukte. Es ist deshalb unzutreffend, wenn in einer Pressemitteilung vom 18.10.2005 das Bayrische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz behauptet wird, im Zeitraum vom 15.12.2004 bis 24.02.2005 seien über unsere Lieferanten, die Fa. Rottaler Geflügelprodukte GmbH/Gangkofen, lebensmitteluntaugliche Geflügelprodukte zur Herstellung von Gelha-Hühnerklein und Gelha-Hühnersuppentopf verwendet worden. … Wir stehen in keiner Geschäftsbeziehung zu dem Deggendorfer Unternehmen, das im Zentrum der Ermittlungen des Fleischskandals steht. … Die Pressemitteilung ist aus unserer Sicht eher der Versuch, schnelle Ermittlungsergebnisse der Öffentlichkeit präsentieren zu wollen als der Ausdruck sorgfältiger Prüfung.“
Das bayrische Verbraucherschutzministerium hielt einen Tag später wieder gegen: Die Ermittlungsergebnisse der Bundeszollverwaltung haben zu dem Ergebnis geführt, dass lebensmitteluntaugliches Material an die Deggendorfer Frost GmbH und die Rottaler Geflügelprodukte GmbH geliefert wurde. „Damit ist nach dem Lebensmittelrecht die Rechtsgrundlage für eine öffentliche Rückholaktion gegeben.“

Vorbeugende Regelungen
Werner Schnappauf hatte einen Maßnamenkatalog vorgeschlagen. Die Behälter für K3-Materialien sollten farblich markiert, das Material selbst könnte mit Lebensmittelfarbe vergleichbar wie Streusalz gefärbt werden. Nur noch zugelassene Spediteure dürfen Fleischabfälle transportieren und müssen einen Begleitschein für eine Rückmeldung wie bei der Abfallverbringung mitführen.
In einem Memo der EU über tierische Abfälle heißt es: „Leider lässt sich die Möglichkeit krimineller Handlungen nie ausschließen. Dies gilt für den Bereich der Futtermittel ebenso wie für die Lebensmittelindustrie und jeden anderen Bereich. Es ist jedoch Sache der Mitgliedsstaaten, dafür zu sorgen, dass die Sanktionen bei Verstößen streng genug sind, um die Einhaltung der Verordnung zu gewährleisten.“

Die EU-Verordnung 1774/2002 kann unter http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/f81001.htm eingesehen werden.

VLE

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