Der Ware aus dem Ausland trauen

Handel

Digitalisierung der Rückverfolgbarkeit

Die Kunden misstrauen selbst einheimischer Ware, was Unternehmen mit hohem Aufwand für eine Rückverfolgbarkeit wett zu machen versuchen. Ware aus dem EU-Ausland mit gleichen Qualitätsstandards wie in Deutschland genießt aber auch noch einen hohen Ruf. Doch wie sieht es mit Nüssen aus dem Iran, Gemüse aus Chile, Geflügelfleisch aus Thailand oder Fisch aus Vietnam aus?Antworten gab es auf dem 5. Food Safety Kongress in Berlin.

Übersee ist kein vertrautes Gebiet

Da stehen nicht nur Verbraucher vor vielen Fragezeichen. Nach Dr. Bernhard Müller, Mikrobiologe der DQS-UL Food Safety Solution, stehen auch Importeure vor den gleichen Fragen. Oft ist der Herstellungsprozess vor Ort nicht bekannt und es gibt sprachliche Differenzen, wo Importeur und Exporteur zwar das gleiche sagen, aber es unterschiedlich umsetzen. Zudem sind Länder wie Brasilien und Indien mit ihren Bundesstaaten ebenfalls föderalistisch aufgebaut und weisen alles andere als einen harmonisierten Rechtsrahmen auf, erläutert Dr. Karsten Giffey, Referent für Gesundheit und Verbraucherschutz im Auswärtigen Amt.
Was bei pflanzlichen Lebensmitteln noch gerade ausreicht, erweist sich bei tierischen Lebensmitteln als schon erheblich schwieriger, weil sich dort die Lieferketten beim Bezug der Futtermittel weiter verzweigen, ergänzt Jörg Lickefett, Vertriebsleiter von Eurofins. Unternehmen stehen dabei auch vor der Frage, wo sie am besten kontrollieren lassen. Am zuverlässigsten wäre die Eingangskontrolle an der EU-Grenze – aber dann ist die Ware schon gekauft und verschifft. Eine eventuelle Reklamation ist oft ein langwieriger Prozess. Einfacher sind Kontrollen, bevor die Ware das Land verlässt, am besten bereits auf dem Feld. Analphabetismus vor Ort macht Kontrollen aber unzuverlässig. Oft hapert es an Transportlogistik und Kühlmöglichkeiten für Proben. Sollen Getreideproben auf dem Feld, im Sammellager oder erst bei Verladung statt finden? Der Weg bis nach Europa ist weit und die Ware kann auf dem Weg in unterschiedlicher Weise noch kontaminiert werden, erläutert Dr. Katrin Hoenicke von Eurofins.

Neue Kontrolltechniken

Die Firmen nehmen bei diesen Unwägbarkeiten, strengen EU-Audits vor Ort, die manche Kooperative, manches Schlachthaus aus der EU-Zertifizierung wieder herausnehmen, die Herausforderungen mit Hilfe des technische Fortschritts nehmen an.
Die Art der Probenziehung ist für die Repräsentativität der bestellten Gesamtmenge wichtig. Ein Lkw lässt sich leichter kontrollieren als ein Schiff mit einem Ladevolumen von 50.000 Tonnen. Auch ein ganzes Probenmuster kann etwaige Schimmelnester verfehlen. Zumindest was den Entladevorgang beim Lkw betrifft, gibt es eine neue Technik, die eine kontinuierliche Beprobung erlaubt. Nach Lickefett saugt ein Gerät den beim Entladen entstehenden Staub ab und bildet daraus eine repräsentative Gesamtprobe der angelieferten Menge. So reicht dann auch eine Probe für eine Anlieferung aus.
Fisch ist für die Metro ein wichtiges Produkt. Damit hat das Unternehmen im letzten Jahr über seine cash & carry – Märkte 1,2 Milliarden Umsatz erzielt. 183.000 Tonnen Frischfisch, gefroren oder in Dosen gingen über die Ladentheke. Als globalisiertes Produkt stellt eine Rückverfolgbarkeit die Unternehmen vor großen Herausforderungen: Selbst ein einfaches Produkt wie der Fisch weist mit dem Fischer, dem ersten Verarbeiter, dem Exporteur und Importeur, dem zweiten Verarbeiter, dem Logistiker, dem Handel und dem Kunden schon sieben verschiedene Stufen auf. Kunden wollen über den Fisch alle Details wissen, als wenn sie ihn selbst gefangen hätten: So kann die Metro tatsächlich angeben, welcher Kutter in welchem Seegebiet wann genau den Fisch gefangen hat, erläuterte Britta Gallus von der Metro AG. Doch bei jeder Stufe kommen weitere Informationen hinzu. Und das für jedes weitere Produkt mit Rückverfolgbarkeit auch. Die herkömmlichen Warenwirtschaftssysteme sind mit dieser Datenflut überfordert.
In einem Pilotprojekt mit Fisch wird bis Anfang 2014 eine dezentrale Lösung ausprobiert: Jede Stufe sammelt und sichert die Daten, speichert sie aber bei sich selbst ab. In einem übergeordneten System für alle Beteiligten, Kontrolleure und Behörden wird nur der Link zu diesen Daten hinterlegt. Das hat Vorteile, wie Ulrich Schäfer von GS1 Germany erklärt: Die Datenkette wird unterbrochen, sobald eine Stufe nicht liefert. Beim neuen System liefern auch die nachfolgenden Stufen noch Daten und der säumige Datenlieferant kann gezielt angesprochen werden. Die Daten der anderen Stufen sind sichtbar. Stellt das neue System große Unternehmen vor keine Probleme, sind kleine und mittlere Firmen mit dem Datenaufkommen oft überfordert. Für die gibt es aber eine Schnittstelle, über die sie ebenfalls an dem neuen System teilnehmen können.
Die europäische Fischwirtschaft zeigt sich nach Britta Gallus von dem neuen System überzeugt. Der neue Standard besitzt den Charme, dass er weltweit angewandt werden kann.

Allerdings gibt es drei Bedenken: Was bei Fisch noch leicht zu abzubilden ist, erscheint derzeit noch unüberwindlich, wenn verarbeitete Produkte in noch weiter verarbeiteten Produkten verwendet werden. Zweitens bleibt zu hinterfragen, ob Angaben über das Fanggebiet und der lateinische Name des Fisches für die meisten Verbraucher tatsächlich für die Kaufentscheidung herangezogen werden. Und zuletzt: Die Daten sind so belastbar, wie sie bei einem ehrlichen Kaufmann auch angegeben werden. Das System ersetzt keine Kontrollen und verhindert keinen Betrug. Es kann einen aber leichter aufdecken helfen.

Broker oder persönliche Beziehung?

Ein Fazit der Unternehmer liegt darin, was die Ökobranche bereits professionalisiert hat: Keine Rohstoffe über einen anonymen Broker kaufen, von dem die Lieferanten nicht bekannt sind – sondern auch einmal vor Ort reisen, die Situation kennen lernen und die Beziehung zu den Lieferanten pflegen. Am Ende lohnt sich auch ein höherer Preis, der kostengünstiger ist, als Warenrückruf, Pressekonferenzen und staatsanwaltliche Untersuchungen.

Roland Krieg

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