Der Zunderschwamm vom Rennsteig

Handel

Der Zunderschwamm vom Rennsteig

>„Ich wandre ja so gerne am Rennsteig durch das Land,
den Beutel auf dem Rücken, die Klampfe in der Hand.“

Das Rennsteiglied ist die heimliche Hymne Thüringens und besingt den 168 Kilometer langen Höhenwanderweg Rennstein zwischen Hörschel und Blankenstein. Erste Hinweise auf den Rennsteig gab es bereits im 9.Jahrhundert. Sprachquellen verweisen den Ursprung des Namens auf die vielen Grenzen, Raine, die der Höhenweg berührt. Erste urkundliche Erwähnung fand der Höhenweg, der mit „Gut Runst“ seinen eigenen Wanderergruß besitzt, am 10. August 1330 in einem Kaufbrief aus Schmalkalden über den „Frankensteiner Wildbann“.
Viele Handelsstraßen passierten den Höhenrücken, der mit dem Großen Inselsberg Thüringens meist besuchtesten Berg aufweist. Bei gutem Wetter ist in der Ferne sogar der Brocken im Harz zu sehen.
Martin Luther hat den Rennsteig im Jahr 1530 überquert, als er von Coburg aus nach Lehesten zum Predigen zog. 1806 überquerte ihn Napoleon auf dem Weg zur Doppelschlacht von Jena und Auerstedt. Botaniker kommen in dem botanischen Garten östlich von Rondell auf ihre Kosten: Auf sieben Hektar Fläche wachen rund 4.000 Pflanzen der Gebirgsflora aus Europa, Asien, Amerika, Neuseeland und der Arktis.

„German tinder“

Schwammhändler Wachtel aus Neustadt am Rennsteig besingt das alte Handwerk:

„Streichhölzle un Schwamm!
Käft, wos mer noch ham!
In Neüstadt am Rennsteig,
do sän mit Leüt net reich.“

Besungen wird Fomes fomentarius, der echte Zunderschwamm, der hufeisenförmig ganzjährig an Buchen wächst. Seit 1700 trug die Zunderschwammherstellung wesentlich zum Lebensunterhalt der Menschen bei. Unter der äußeren Rinde befindet sich ein rötliches-braunes und trockenes Werg. Bis zu 25 Kilogramm brachten die Schwammhändler am Tag aus den Wäldern zurück. In heißer Asche aufgedunsen und mit Holzhämmern auf die zehnfache Größe flachgeklopft wurde die Lunte zum feuermachen hergestellt. Selbst die englischen Pfeifenraucher griffen gerne auf das „german tinder“ Qualitätsprodukt zurück. Den Höhepunkt der Zunderherstellung erreichte Neustadt im Jahr 1842 mit 430 Zentner Feuerschwamm. Mit Stahl und Feuerstein wurde ein Glutkissen im Schwamm erzeugt, das durch anpusten den Brand in der Küche entfachte.
Als der Zunderschwamm in den heimischen Wäldern knapper wurde, importierten die Neustädter den Rohschwamm aus Böhmen und Skandinavien. Der kostete nur 20, ein Zentner Zunderschwamm vom Rennsteig 36 Taler. Das Phosphorhölzchen ließ die boomende Industrie am Rennsteig einbrechen. Nach dem Verbot der Phosphorhölzchen stellten 50 Luntenmacher wieder bis zu 150 Zentner Zunderschwamm her. Bis vor dem ersten Weltkrieg überlebte das traditionelle Handwerk mit der Herstellung von Schmuckschwamm.

Halle 21b

Lesestoff:
www.rennsteigportal.com
www.rennsteigmuseum.de

roRo

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