Deutsch-polnische Wirtschaft

Handel

D-PL: Gemeinsam wachsen

Geht es der einen Wirtschaft gut, profitiert auch die andere. Polens Botschafter Dr. Marek Prawda drückte damit die mittlerweile engen wirtschaftlichen Verflechtungen beider Länder aus, die gemeinsam als Zugpferde der europäischen Wirtschaft gelten. So hatte es IHK-Präsidiumsmitglied Tobias Werner bereits im Dezember 2010 formuliert. Mit Blick auf den 01. Mai, wenn die Arbeitnehmerfreizügigkeit endlich in der ganzen EU gilt, sollte ein „neues Zwischen-uns im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen“, so Dr. Prawda.

Wirtschaftsbrüder

Auch wenn die deutsche und polnische Statistiken noch nicht im Gleichklang zählen und jeder für sich einen Handelsüberschuss definiert: Deutschland führt Waren im Wert von 38 Milliarden Euro nach Polen aus und Polen umgekehrt für 28 Milliarden nach Deutschland.. Beide Länder haben im letzten Jahr eine Steigerung im Bruttoinlandsprodukt von vier Prozent erzielt und Polen will im nächsten Jahr die Zahl der Arbeitslosen auf unter zehn Prozent drücken, erklärte Dr. Jacek Robak, Leiter der Handelsabteilung in der polnischen Botschaft.
Nordrhein-Westfalen, Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg machen zu 60 Prozent den deutsch-polnischen Handel aus. Brandenburg steht mit einem Anteil von 5,9 Prozent an der Spitze der ostdeutschen Länder. Der Handel mit Tieren, tierischen Produkten und Lebensmittel gehört zu Top Ten des polnischen und deutschen Handelsregisters. Wenn auch mit vier und drei Prozent am unteren Ende.
Der Januar 2010 überrascht: Die polnischen Exporte stiegen um 20 Prozent. Das reicht für eine „gute bis sehr gute Perspektive“ für das Jahr 2011, so Dr. Robak.

Polnische Direktinvestitionen

Wie gut das Klima ist und wie differenziert die Situation sich entwickelt hat, zeigen die polnischen Direktinvestitionen in Deutschland. Lagen die im Jahr 2009 noch bei 52 Millionen Euro, stiegen sie im letzten Jahr auf 300 Millionen an.
Die zweitgrößte polnische Investition tätigte Ciech, die mit rund 100 Millionen Euro in die Soda Staßfurt einstieg. Soda dient hauptsächlich zur Verringerung des Schmelzpunktes von Schmelzsand in der Glasherstellung von rund 2.000 auf 1.200 Grad Celsius. Aber das Sodawerk Staßfurt & Ciech S.A. produziert auch Natriumbikarbonat für die Futtermittel- und Lebensmittelindustrie. Natriumbikarbonat wird als Zusatzstoff und Träger für Natrium im Futter verwendet, gilt als Backmittel in der Lebensmitteltechnik und hilft als Wirkstoff von Fungiziden gegen beispielsweise Mehltau.

Arbeitnehmerfreizügigkeit

Am Montag stand auch das Thema der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf der Agenda. „Im Warschauexpress nach Berlin sind für den 02. Mai noch Platzkarten zu haben“, sagte Jacek Robak.
Was wirklich ab dem 01. Mai passiert ist kaum vorhersagbar. Auf Polen bezogen reichen die Prognosen der teils heftigen Diskussionen von 100.000 bis 1,5 Millionen arbeitsuchenden Migranten. Jacek Robak allerdings hält Zahlen von 200.000 bis 300.000 innerhalb der nächsten vier Jahre für realistisch. Auf dem Bausektor wurden im letzten Jahr 42 Prozent des möglichen Kontingents gar nicht erst abgerufen. Polen baut selber.
Im Wesentlichen ist die Migration von der wirtschaftlichen Entwicklung in Polen abhängig. Die Perspektiven sind gut. Neben der klassischen Industrie sind auch im ländlichen Raum in den Bereichen Dienstleistungen und IT-Sektor attraktive Arbeitsplätze entstanden. Die persönlichen Transaktionskosten für eine Arbeitsstelle in Lodz sind niedriger als im Münsterland. Verglichen auf die Kaufkraftparität gleiche sich das Lohndifferential zwischen Polen und Deutschland langsam an.
Auf den Fachmärkten wird es einen Wettbewerb um qualifizierte Arbeiter geben, so Dr. Robak. Beide Länder leiden unter dem demografischen Wandel und brauchen das gleiche Personal.
Im unteren Lohnbereich als Saisonarbeitskräfte auf deutschen Gemüsefeldern oder in Schlachthäusern werden die polnischen Arbeitskräfte nach Einschätzung von Dr. Thomasz Kalinowski, Leiter der Wirtschaftsabteilung, zunächst einmal mit anderen ausländischen Arbeitern konkurrieren. Es werde auf einen „Lohnwettbewerb“ hinauslaufen, wobei der demnächst fällige Mindestlohn den Mindeststandard vorgibt. Langfristig hofft Dr. Robak, dass sich die Arbeitssituation harmonisiert.
Für die deutsche Landwirtschaft eine Chance: Die so oft gewünschte Inwertsetzung von Gemüse und Fleisch beim deutschen Konsumenten könnte über den Faktor Arbeit realisiert werden. Da ist bald auch das Marketing gefragt.

Roland Krieg; Foto: Ralf Flucke

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