Deutschlands Erster Verbraucher

Handel

Bundespräsident auf dem Deutschen Verbrauchertag

1967 gab es die erste „Woche der Verbraucher“ und Wirtschaftsminister Karl Schiller wusste bereits: „Jede Kaufentscheidung ist ein Plebiszit der Wirtschaftsbürger.“ Zwischen 1979 und 1987 wurde die Woche als europäisches Verbraucherforum weitergeführt und zum Abschied von Prof. Dr. Edda Müller veranstaltete die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gestern den ersten Deutschen Verbrauchertag 2007 mit dem Thema „Nachhaltiger Konsum“.

Das „zweite Preisschild“
„Wir holen uns die Welt ins Haus“, sagte Bundespräsident Horst Köhler. Vom Wecker über das Frühstück bis zum Rasierapparat begleiten bereits Produkte oder Produktteile aus aller Welt den Start in den Tag. Damit beeinflussen wir die globale Wirtschaft ökologisch und ökonomisch. Verbraucher kaufen aber einen preiswerten Fernseher aus Asien, während sie beklagen, dass in Deutschland Arbeitsplätze verloren gehen. Zunehmend werde dem Verbraucher jedoch bewusst, dass jedes Produkt „ein zweites Preisschild“ hat: den Preis für soziale Gerechtigkeit, umweltgerechte Produktion und gute Arbeitsbedingungen.

Verbraucherpolitik Bund:
Im Herbst 2005 hätte das Bundesverbraucherministerium ein deutliches Zeichen geben können, hat jedoch im Namen den Verbraucherschutz gleich hinten an gestellt. So ist bis heute von Bundesverbraucherminister Horst Seehofer als verbraucherpolitischer Impuls- und Ideengeber wenig zu spüren. Wie bei der Vorgängerregierung sind verbraucherpolitische Akzente wie Anlegerschutz oder Insolvenzrecht weitgehend von anderen Ressorts besetzt.
nach Jahresbericht vzbv

Horst Köhler erinnerte daran, dass auch mit wenig Geld die Ernährung ausgewogen und gesund gestaltet werden kann. Voraussetzung dafür sind Informationen „für die gerechte Wahl“. Die werden von den „Geschwistern“ Stiftung Warentest, Verbraucherzentralen oder den Eco Top Ten zur Verfügung gestellt. Der Markt reagiere auf Nachfrage und Köhler appellierte: „Fragen sie nach!“. Der Kaufentscheid belohne die Produzenten, die nachhaltige Produkte anbieten.
Gerd Billen als Nachfolger von Dr. Müller „kennt die Sphären der Wirtschaft aus eigener Erfahrung. Er werde fortfahren, das Verursacherprinzip einzuführen. Alle Kosten müssten in den Endpreis der Produkte einfließen, denn: „Die soziale Marktwirtschaft des 21. Jh. hat eine ökologische Dimension.“

Seehofer will europäischen Verbraucherschutz
Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer erinnerte daran, dass Verbraucher bereits viel erreicht haben. Vor 30 Jahren war die Frage, ob man sich eine Waschmaschine überhaupt leisten kann. Heute steht die Frage nach der Energieeffizienzklasse des Gerätes im Vordergrund. Die seinen die Forderungen der Verbraucher viel weiter gestellt und Politik, Wissenschaft und Handel stellen sich im Lauf der Zeit darauf ein. Wohl wissend: „Man wird nie fertig!“ Es sei ein hartnäckiges Vorurteil, so Seehofer, das Verbraucherpolitik und Wirtschaft nicht vereinbar seien. Früher ging es um die Schutzfunktion für den Verbraucher, heute geht es um seine Beteiligung am Wirtschaftsleben.

Regierungsentwurf für den Haushaltsplan 2008 vom 04. Juli 2007

Einzelposten

Mio. € 2008

Mio. € 2007

Veränderung €

Veränderung %

BfR

58,4

52,7

5,7

10,9

vzbv

8,7

8,7

0

0

Stiftung Warentest

6,0

6,5

- 0,5

- 7,7

Informationen f. Verbraucher


14,0


14,0


0


0

Die Voraussetzung dafür ist der Wettbewerb. Weg von den Monopolen und Oligopolen. „Eine gute Wettbewerbspolitik ist auch eine gute Verbraucherpolitik“, damit der Verbraucher auch zwischen verschiedenen Produkten auswählen kann.
In Europa hat der Verbraucherschutz mit der Entwicklung des Binnenmarktes nicht Schritt gehalten. „Wenn der europäische Verbraucher nicht zum Spielball werden solle, brauchen wir ein europäisches Kartellamt“, forderte Seehofer. In Europa sieht er eine „nachholende Verbraucherpolitik“ und lobte ausdrücklich die erste europäische Verbraucherkommissarin Meglena Kuneva aus Bulgarien, die sehr engagiert ist, aber einen schweren Stand habe. Mit dem digitalen Verbraucherschutz, „einer Kernaufgabe der Zukunft“ sein bereits ein guter Anfang gemacht.

Verbraucherpolitik Länder:
Gegenüber dem Bund zeigten die Länder 2005 und 2006 eine stärkere Dynamik und haben mit Beginn des Jahres 2007 die Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) fest etabliert. Den Ländern kommt bei der Kontrolle von Verbraucherschutzvorschriften eine wesentliche Rolle zu. Anhand von 59 Indikatoren wird seit 2004 ein Verbraucherschutzindex für die 16 Länder veröffentlicht. Das die Länder darauf reagieren, zeigt Brandenburg. Belegte es 2004 noch Platz zehn, so hat es 2006 den Spitzenplatz übernommen.
nach Jahresbericht vzbv

In Deutschland ist der Verbraucherschutz auf gutem Wege. Auch wenn das neue Verbraucherinformationsgesetz umstritten ist, so sei nach sechs Jahren Diskussion doch einmal etwas geschaffen, das in zwei Jahren auch einer Evaluierung unterzogen werde. Die nächsten Baustellen sieht Seehofer im Bereich Bußgeld für unerwünschte Telefonate, Lebensmittelkennzeichnung und Kennzeichnung für Gentechnikfreiheit.

Der Verbraucher: mündig oder hilfsbedürftig?
Das Leitbild des verständigen und informierten Verbrauchers sei eine Fiktion, resümierte Prof. Dr. Edda Müller bei ihrem letzten öffentlichen Auftritt. Verbraucher können heute kaum noch die Frische von Fisch und Fleisch erkennen oder saisonale Produkte aufzählen. Keine Fiktion hingegen ist der wachsende Verbraucherwunsch, nach ethischen Richtlinien einkaufen zu können. Daher müssten solche Standards bei der WTO Platz finden, ohne als nicht-tarifäre Handelshemmnisse zu gelten. Das müsse als „Kaufwert des Unsichtbaren“ den Menschen vermittelt werden, stoße aber gerade bei der Industrie immer wieder auf Widerstand. Der Handel reagiere erst nach Veröffentlichung von Missständen und zeige keinerlei Anzeichen, dass es einen breiten politischen Wandel hin zur Nachhaltigkeit gebe.

Verbraucherpolitik EU:
Erstmals in 50 Jahren EU gibt es mit Meglena Kuneva eine Kommissarin, die ausschließlich für Verbraucherfragen zuständig ist. Kurz nach Amtsantritt konnte sie bereits das Grünbuch Verbraucherschutz vorstellen. Kuneva setzt sich für wirksame Klagemöglichkeiten innerhalb des Binnenmarktes ein und will Verbraucherthemen zu einem Bestandteil der EU-Politik machen.
nach Jahresbericht vzbv

Dr. Müller hatte 2001 den Vorstand der Bundesverbandes übernommen und mit dem Dachverband, der sich im Zeichen der BSE-Krise zuvor gegründet hatte, „Maßstäbe für die politische Agenda“ gesetzt. Mit diesen Worten zeichnete Horst Seehofer ihre nimmermüde Arbeit für den Verbraucherschutz mit der Prof. Niklas-Medaille aus.

Morgen gibt der zweite Teil die Rolle des Verbrauchers in der Wertschöpfungskette wieder und zeigt Beispiele der Arbeit des vzbv.

roRo

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