Die COP23 hat ihre Symbolfigur

Handel

Der Klimakrieger aus San Francisco

Jerry Brown, Gouverneur aus Kalifornien

Jede Bewegung braucht eine Identifikationsfigur. Ein Gesicht mit kämpferischen Worten, Weisheit in Sätzen, die Menschen aufwecken und sammeln kann. Jemanden, der die Antipode „Gut“ gegenüber dem „Bösen“ besetzt. Das „Böse“ ist derzeit auf Asienreise und führt Gespräche zur Verringerung des amerikanischen Handelsbilanzdefizits. Das „Böse“ hat sich im Boxkampf mit dem „noch Böseren“ verfangen und tönt nordkoreanisch um die Wette.

Fast wäre die Vertragsstaatenkonferenz Nummer 23, die COP23 in Bonn US-unbesetzt geblieben, wenn es in den beiden nächsten Wochen um die Rettung des Weltklimas geht. Schließlich hat sich am Mittwoch offiziell auch Syrien als letzter Staat dem Klimavertrag zugewandt. Seit Mittwoch aber hat die Klimakonferenz mit Edmund Gerald Brown Jr, genannt „Jerry“, Gesicht und Sprache bekommen. Und als demokratischer Gouverneur von Kalifornien ist er auch noch der „Anti-Trump“, wie „Die Zeit“ Brown im Oktober bezeichnete.

Von Stuttgart nach Brüssel

Jerry Brown trat am Mittwoch vor dem Landtag in Baden-Württemberg auf, reiste nach Brüssel in den Umweltausschuss des Parlamentes und stellte sich abends noch einmal den europäischen Parteien und Ausschussvertretern.

Dieser Brown hält was er verspricht. Zu Hause macht er nicht nur Klimapolitik gegen Trump, sondern will auch dessen Administration vor Gericht bringen: „Wir haben das Geld, wir haben die Anwälte, wir haben die Wissenschaft auf unserer Seite“, sagte er im Interview mit „Die Zeit“.

Als Gouverneur darf er keine Außenpolitik machen, ist aber, wie er im europäischen Parlament sagte, auf der Ebene unterwegs, die den Menschen und dessen Probleme nahe steht wie ein Bürgermeister. Mit ihnen will er zusammen mit weiteren US-Bundesstaaten, Wirtschaftsführern, anderen Nationalstaaten und den deutschen Bundessländern sein Bündnis „under2coalition“ voranbringen.

Auf dem Hamburger G20-Gipfel hat er das Memorandum of Understanding vorgestellt, unter dem sich Regionen versammeln, um den Temperaturanstieg des Klimawandels auf unter zwei Grad Celsius zu halten. Damit will er regional den Pariser Klimavertrag mit seinen maximalen Zielen erfüllen.

In Kalifornien kämpfe er aber nicht nur gegen Trump. Der stehe nur für die breite Koalition der mächtigen Ölindustrie, vieler Republikaner, dem neuen Chef der US-Umweltbehörde und Leugnern des Klimawandels. Sowohl in Stuttgart als auch in Brüssel sagte er, dass die USA derzeit nur Urlaub von der Klimapolitik machten. „Die Staaten kommen zurück“, und sind mit Kalifornien schon da. Die EU mache mehr als die USA, aber nicht so viel wie Kalifornien.

Brown besetzt die US-Klimapolitik in Europa

Der Mann hat 1992 die Begeisterung der Umweltkonferenz in Rio verinnerlicht und ist nach Stuttgart nicht als Vertreter einer Partei, sondern als Repräsentant einer kalifornischen Tradition gekommen, die Arnold Schwarzenegger begründet hatte. 300.000 Elektroautos fahren bereits in Kalifornien;  der aus dem Jahr 2009 stammende kalifornische Emissionshandel wurde gerade erst bis 2030 verlängert. Mit diesem erneuerten „Cap and Trade“ zementiert Kalifornien seine Vorreiterrolle im Kampf gegen den Klimawandel, schrieb die Los Angeles Times im Juli.

Wildfeuer hat es in Kalifornien schon immer gegeben. Früher war die Zeit der Brände auf einige Monate im Sommer begrenzt. Jetzt jedoch ist die Gefahr durch das langsame Austrocknen der Böden und der fehlenden Luftfeuchtigkeit das ganze Jahr über vorhanden, sagte Brown. Daher kann die „under2coalition“ der Bürgermeister und Landräte mehr erreichen, als die oberste Regierungsspitze.

„Wir müssen der Welt einen Weckruf schicken“, forderte er den Landtag auf. Es gehe nicht nur um die politische Arbeit, sondern um das Leben. Es gehe um das „Eingreifen der Besten“ und er glänzte mit altgriechischem Sprachschatz: Die Vorsilbe Öko“ komme aus dem Wort „oikos“ und bedeutet Haus. Ökologie und Ökonomie sind die Häuser, um die es geht. Dabei aber, so Brown, muss die Wirtschaft in die Ökologie passen und nicht anderes herum.

Brown ist für die Suche nach Verbündeten nach Europa gereist und steht daher für die „guten USA“, mit denen die Europaparlamentarier lieber zusammen arbeiten wollen. Die belgische Sozialdemokratin Kathleen Van Brempt forderte mit der Bio-Ökonomie eine neue Wirtschaft ein, die nicht eine Wirtschaft für Einige werden dürfe. Brown kennt die Herausforderung. Der Klimawandel gefährde die Zivilisation. Die Kluft zwischen Arm und Reich dürfe nicht größer werden. Das erschwere das Regieren. Doch der Wohlstand habe Menschen wohlgefällig gamacht. Für Brown ist die Weltgesellschaft auf einem Destruktionskurs. Paris und Bonn sind die Meilensteine für die Wende. Die COP 24 findet in seiner Heimatstadt San Francisco statt und wird im nächsten Jahr zu Browns Heimspiel. Wenn US-Präsident Donald Trump aus Asien zurückkehrt wird er bis zur COP in Frisco keinen politischen Fuß mehr auf das Parkett der Klimapolitik bekommen. „Machen wir eine Welt, die besser sein wird, als die der Unverbesserlichen“, proklamierte Brown in Brüssel.

Was Jerry Brown mehrheitsfähig macht, ist seine Absage an Radikalismus. Anja Hazekamp von den europäischen Linken und der niederländischen „Partei für die Tiere“ verlangte von Brown auch ein Bekenntnis zur Umstellung auf die fleischlose Ernährungsweise. Den Methanausstoß der Wiederkäuer bezeichnete Brown schon als „ernsthaft“. Gerade die Verringerung von kurzlebigen, aber gefährlicheren Treibhausgasen könne Zeit für die großen Aufgaben gewinnen. Doch der Verzicht auf einen Hamburger oder den Pickup-Truck hält Brown für zu kleinteilig. Stattdessen müssten übergreifende Ziele gesetzt werden. So fehlt es weltweit an Regelungen für die Emissionen im Luftfahrt- und Schiffsverkehr.

Lesestoff:

Hier geht es zu Browns Memorandum: http://under2mou.org

Roland Krieg; Foto: Screenshot aus dem Landtag BW

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