„Die faire Milch“ darf bleiben

Handel

OLG München erlaubt Werbung mit „Die faire Milch“

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts München vom Donnerstag darf die MVS GmbH weiterhin Milch mit dem Aufdruck „Die faire Milch“ vertreiben. Der Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM) begrüßte das Urteil. Der Slogan „Die faire Milch“ geht auf die Proteste des BDM zurück, der vor vier Jahren mit einem Milchlieferstreik gegen den Sinkflug der Milchpreise ankämpfte.
Für den BDM ist das Urteil eine Bestätigung des Konzeptes und gleichzeitig Auftrag, weitere Konzepte für faire Milchpreise umzusetzen.

Wettbewerbsfrage

Die Wettbewerbszentrale hingegen beanstandete den Slogan als irreführend nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG1). Gleichzeitig ging sie auch gegen die Aussage auf der Verpackung vor, dass die Milch „ausschließlich von Höfen aus Ihrem Bundesland“ komme. Das Landgericht Landshut hatte schließlich den Slogan und das Herkunftsversprechen im April 2011 verboten.
Das Gericht befand, dass der Slogan den Eindruck erwecke, dass nur die MVS GmbH faire Milch anbiete (das wurde im August vom Gericht allerdings wieder korrigiert) und auch 40 Cent für die Milch zahle, die nicht als „faire Milch“ gekennzeichnet ist. Analysen haben ergeben, dass nur ein Viertel der MVS-Milch wirklich mit 40 Cent entlohnt werde. Milch mit Fairness-Zuschlag werde mit rund 33 Cent abgerechnet, was teilweise unter anderen Auszahlungspreisen gelegen habe. Der Slogan sei keine Meinungsäußerung, sondern wirke vollständig überprüfbar.
Die Herkunftsangabe stimme nicht, weil in Nordbayern auch Milch aus hessischen Betrieben verkauft wurde.

OLG München

Das OLG München konnte der Argumentation des Erstgerichts nicht folgen und sieht in dem Aufdruck „Die faire Milch“ keine Irreführung des Verbrauchers. Das Landgericht Landshut hatte den Vorwurf des Alleinstellungseindruckes schon von alleine korrigiert, aber auch hinsichtlich von etwaigen Fehlvorstellungen des Verbrauchers über die an die Milcherzeuger gezahlten Preise konnte das OLG München keine Irreführung feststellen. Außerdem wird der Konsument auf der linken Schmalseite der Verpackung in seinem Eindruck einer allgemeinen Fairness bestärkt, weil das Attribut in dreierlei Relationen erläutert wird: fair zum Verbraucher, fair zur Natur und fair gegenüber dem Landwirt.

Die Regionalität

Indirekt kann das Urteil auch wegweisend für die Diskussion über den Begriff der Regionalität gelesen werden. Auf der Grünen Woche hat Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner eine geografisch unpräzise Regionalkennzeichnung vorgeschlagen. Die Definition, was ist eine Region, bleibt diffus.
Die MVS hingegen hatte die Milch mit dem Hinweis verkauft, sie stamme aus dem Bundesland des Konsumenten. Allerdings hat die hessische Molkerei in Schlüchtern auch Milch aus Baden-Württemberg und Bayern verarbeitet, ohne sie wirklich stofflich zu trennen. Der BDM bezeichnet das innerhalb der Großregion Nordbayern und Hessen als einzelne Überlappungen – was zunächst logisch erscheint. Aber nicht rechtsicher ist. Denn hier gab das OLG München den Landshutern Recht, dass diese Kennzeichnung falsch ist.
Die Hessische Milch wurde auch in Bamberg, Würzburg und Bad Kissingen mit dem Aufdruck „kommt ausschließlich von Höfen aus Ihrem Bundesland“ ins Regal gestellt. Der Einwand des BDM, dass eine separate Verarbeitung in einer Molkerei nicht realistisch sei, greife nicht. Zwar hat es auf der Schmalseite der Verpackung eine farblich korrekte Kennzeichnung nach Bundesländern gegeben, im Internet jedoch wurde die Aussage als Allgemeingültig interpretiert. Die Fehlvorstellung aus dem Internet könne nicht nachträglich durch eine Korrektur auf der Verpackung rückgängig gemacht werden.
Abgesehen davon erläutert das OLG München, dass ein geographischer Herkunftsnachweis regelmäßig wettbewerbsrechtliche Bedeutung aufweise, insbesondere, wenn die Information für die Kaufentscheidung von Bedeutung ist.
Diese Auslegung hält BDM-Vorsitzenden Romuald Schaber für bedauerlich, „weil es auch zeigt, wie schwierig es ist, in der modernen Geschäftswelt, die großräumiger strukturiert ist bzw. vorrangig auf effiziente Vertriebswege setzt, regionale bzw. bundesländerspezifische Konzepte umzusetzen“.
Wer also Hessen sagt, muss an der Landesgrenze halt machen. Wer Bayern sagt, darf keine hessische Molkerei in Anspruch nehmen. Brauchen wir dann eine exakte Abgrenzung der Rhön, um mit dem Begriff der Regionalität nicht in die Bredouille zu kommen? Wie regional sind pfälzisch-französische, rheinisch-belgische oder brandenburgisch-polnische Produkte? Der CO2-Fussabdruck zieht andere „Grenzen“.

Expansion

Im Verlauf des Prozesses hat sich gezeigt, dass das Projekt „Die faire Milch“ expandiert. Nach Angaben des BDM stehe bereits die Ausweitung nach Nordrhein-Westfalen fest und nach „tegut“ zeigt jetzt auch Edeka Nord „ernsthaftes“ Interesse – wartete jedoch zunächst die Verhandlungen ab.

Lesestoff:

1) Unlauter handelt, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über folgende Umstände enthält.

Aigner wirbt für Regionalfenster

Roland Krieg; Foto: roRo

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