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KidsVerbraucherAnalyse 2010

Nach 17 Jahren hat sich die KidsVerbraucherAnalyse (KVA) eine neue Untersuchungsmethode gegönnt. Während bislang die deutsche Bevölkerung befragt wurde, basieren die Zahlen der aktuellen KVA auf einer Befragung der deutschsprachigen Bevölkerung. Nach Ralf Bauer, Leiter der Markt- und Mediaforschung des auftraggebenden Egmont Ehapa Verlags, sind die Zahlen daher nicht mit den Ergebnissen der Vorjahre vergleichbar – aber die Zeitreihen werden fortgeschrieben.
Die Studie, die unter anderem von der GfK Medien- und Marketingforschung durchgeführt wird, fasst auf der Basis von 1.745 Doppelinterviews mit jeweils einem Kind und einem Elternteil, 6,20 Millionen deutschsprachige Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren zusammen. Die Ergebnisse wurden am Dienstag in Berlin vorgestellt.

Medien
Ungebrochen bei den Kindern ist die Lust am Lesen. Insgesamt erreichen die 44 abgefragten Zeitschriftentitel vom Micky Maus-Magazin bis zu GEOlino oder Löwenzahn 4,35 Millionen Kinder. Das sind mehr als 70 Prozent. Mädchen liegen bei der Leselust wiederholt leicht vor den Jungen. Das Lesen ist aber deutlich vom familiären Hintergrund abhängig. Je geringer die Bildung des Hauptverdieners in der Familie und je geringer das monatliche Einkommen, desto geringer ist die Leseaktivität der Kinder.
Erfahrungen mit dem Internet machen die Kinder meist über den Familiencomputer, wobei die Eltern oft Zeit und Inhalte vorgeben. Installierte Schutzprogramme sind seltener geworden, was möglicherweise, so Ralf Bauer, auf die Schwierigkeiten der Installation zurückzuführen ist. Besonders dynamisch zeigt sich die Internetnutzung der Jüngsten zwischen 6 und 9 Jahren. Im Vorjahr haben gut die Hälfte dieser Kinder den Computer genutzt, heute sind es fast zwei Drittel.
Bei der Internetnutzung stehen die Suche nach Informationen für die Schule und verschiedene Nachschlagewerke weit vorne. Die Kinder nutzen den digitalen Austausch mit Freunden immer stärker. Jedes vierte nutzt Chats und Communities. Produkt- oder Markeninformationen werden nur zu 12 Prozent nachgelesen.
Das Thema Handy hat sich deutlich entschärft. War vor einigen Jahren das mobile Telefonieren die große Schuldenfalle, so sind mittlerweile 91 Prozent der Geräte mit Prepaid-Karten ausgestattet. Im Bundesdurchschnitt sank dadurch die jährliche Kostenbelastung von 312 Euro im Jahr 2007 auf heute 251 Euro. Und die Kinder nutzen die technischen Möglichkeiten wie Fotografieren oder Musik hören in vollem Umfang.

Essen und Trinken
Recht stabil haben sich nach Ehapa-Geschäftsführer Ingo Höhn die Ergebnisse im Food-Bereich gezeigt. Am liebsten geben Kinder ihr Geld für Süßes aus. Kaugummi, Bonbons, Schokolade oder eis gehören bei der Minderheit zum täglichen Genuss.
Bei den Durstlöschern folgen die Kinder den Trends bei Erwachsenen. 47 Prozent der Kinder trinken täglich Mineralwasser, bei Limonaden sind es nur noch 13 Prozent, weil diese Getränke langsam aus den Haushalten verschwinden, so Ingo Höhn.
Im Gegensatz zum Non-Food-Bereich ist das Markenbewusstsein bei Lebensmitteln bei den Kindern weniger ausgeprägt. Daher können sie fast immer durchsetzen, was sie sich wünschen.

Finanzkraft
Vor allem wegen der veränderten Untersuchungsmethode sollten die Zahlen der zur Verfügung stehenden Kaufkraft nicht mit den Vorjahren verglichen werden. 2,4 Milliarden Euro sind es für das Jahr 2010.
Die Finanzkrise hat auch beim Taschengeld nicht halt gemacht. Die sechs- bis neunjährigen bekommen im Durchschnitt 17,45 Euro im Monat, die zehn- bis 13jährigen 27,76 Euro. Der Gesamtwert von 23,04 liegt damit auf dem Niveau von 2007.
Unter den TopTen der Kaufgelüste rangieren Süßigkeiten mit 61 Prozent, Comics mit 51 Prozent und Eis mit 32 Prozent an der Spitze. Für Fast Food kann sich mit 22 Prozent nicht einmal jedes vierte Kind begeistern und salzige Knabbereien landen mit 14 Prozent auf Platz 10.

Passive Konsumtrottel oder mündige Verbraucher?
Unbestritten sind Kinder nicht nur wegen ihres Taschengeldes lukrative Konsumenten. Die ständige Präsenz von Waren und leichte Verfügbarkeit macht es gerade Kindern schwer, „Nein“ zu sagen. Verbraucherschützern sind Werbung und Schule ein Dorn im Auge. Forderungen nach Werbe- und Verkaufsverboten sollen Kinder vor ungesunder Ernährungsweise schützen.
Sportwissenschaftler Prof. Dr. Wolf-Dietrich Brettschneider von der Universität Potsdam hatte jedoch schon beim Gründungskongress der „Plattform Ernährung und Bewegung“ (peb) prognostiziert, dass sich in Zukunft die Menschen in aktive und inaktive, in fitte und nicht fitte, in kreative Mediennutzer und passive Konsumenten trennen wird.
Die Gründe dafür liegen nicht bei den Kindern selbst, sondern bei familiären Hintergründen. Im Vergleich zur Nationalen Verzehrsstudie II hat die KVA 2010 ebenfalls geringe Bildung und geringes Einkommen in den Familien ausgemacht, weniger zu lesen, sich zu bilden und zu lernen.
Die Mediennutzung der KVA-Studie zeigt, dass die Kinder sich die neuen Medien erschließen und dadurch eine Chance haben sich eher zu einem kritischen Verbraucher zu entwickeln, als zu einem passiven Konsumtrottel.
Was die Ernährung betrifft, liegt das Versagen bei der Politik. Mehr als die Hälfte der Bundesländer hat die Chance nicht genutzt, das EU-Schulfruchtprogramm umzusetzen. Fehlt den Kindern das Ernährungs- und Konsumvorbild zu Hause, gibt es auch kein Auffangnetz in der Schule. Auf der diesjährigen Grünen Woche erklärte Alexander Antonoff von Nestlé anhand einer Studie bei Ganztagsschülern, dass für die Mittagsverpflegung lediglich 2,90 Euro zur Verfügung stünden. Bei 20 Schultagen im Monat ist das gerade Doppelt so viel, wie das Taschengeld der älteren „Kids“.

Mosaiksteine
Der Superheld in Lazy Town hat eine Vorbildfunktion für Kinder. Aerobicweltmeister Magnus Scheving kann vorweisen, dass die Fernsehsendung Wirkung auf den Obstverzehr zeigt.
Professor Chutima Sirikulchayanonta von der Mahidol Universität in Bangkok hat in der aktuellen australischen Zeitschrift „Nutrition & Dietetics“ ebenfalls aufgezeigt, dass ein Gemüsegarten im Kinderhort, gemeinsames Kochen und selbst der Popeye Cartoon positive Effekte auf den Verzehr von Gemüse haben.
Dann bleiben die Kinder gesünder, selbst wenn sie ihr ganzes Geld für Süßes ausgeben – wenn sie es dann noch täten.

Lesestoff:
Die KVA 2010 kann bei www.egmont-mediasolutions.de bestellt werden.
Chutima Sirikulchayanonta, et al.; Using food experience, multimedia and role models for promoting fruit and vegetable consumption in Bangkok kindergarten children; Nutrition & Dietetics; 2010;67: 97–101; DOI: 10.1111/j.1747-0080.2010.01426.x

Roland Krieg; Grafik: KVA 2010, Foto: Annabella Bluesky (Science Photo Library)

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