Die Milch Teil II
Handel
ZMP Milchforum Teil II
Die EU-Agrarpolitik zieht sich aus der Verantwortung für die Märkte immer weiter zurück. Den sehr vielen Milchbauern stehen wenige Handelsfirmen gegenüber, die alljährlich die Listenpreise aushandeln, für die Milch und Molkereiprodukte in die Regale dürfen. So stand das ZMP-Milchforum in Berlin vor allem im Zeichen der Frage, wie es nach dem Quotenausstieg weitergeht.
Ärgernis Billigmilch
In der letzten Woche hatte der Deutsche Bauernverband (DBV) die Discounter Penny (Rewe) und Netto (Edeka) aufgefordert, „ihre aggressive Preispolitik im Bereich der Molkereibasisprodukte unverzüglich einzustellen.“ Bauern in Schleswig-Holstein haben die Penny-Milch für 39 Cent schließlich aufgekauft, um sie aus dem Handel zu nehmen. Allerdings wehrt sich dieser. Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels konnte nicht erkennen, dass Milch „systematisch aggressiv unter Einstandspreis verkauft wird“. Bei Penny liegt der reguläre Verkaufspreis bei 55 Cent und die angesprochenen 39 Cent seien lediglich „ein Aktionspreis, den Penny seinen Kunden zeitlich befristet ausschließlich bei Neu- oder Wiedereröffnung bietet“, sagte ein Rewe-Sprecher.
Der Markt funktioniert nicht |
Als Scharnier zwischen den Milchbauern und dem Handel sieht Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, Udo Folgart, die Molkereien. Sie seien es, die „Preis zerstörerischen Einstellungen“ noch Paroli bieten könnten. Dazu müssten sie sich den Marktgegebenheiten anpassen und ihren Strukturwandel forcieren. Fusionierte Molkereien bieten größere Vermarktungseinheiten, könnten eine effizientere Logistik in der Milchabholung bestimmen und gleichzeitig Drittmärkte im Ausland bedienen. Der Fusionsprozess allerdings ist kein Selbstläufer. So wurde die Verschmelzung zwischen Humana und der Milch-Union Hocheifel (MUH) Mitte Februar wieder gestoppt, weil „insbesondere den MUH-Landwirten zum gegenwärtigen Zeitpunkt die mittel- und langfristigen Vorteile eines Zusammenschlusses beider Unternehmen nicht zu vermitteln“ gewesen ist, teilte Humana mit.
Udo Folgart wirbt aber auch für die neuen Alternativen der Milcherzeuger und hatte dabei die Bayern - MeG im Blick, die als Erzeugerorganisation eher die reinen Interessen der Milchbauern vertreten kann.
Prognose der Molkereistruktur
Auf Grund von 11.000 Testbetrieben hat Prof. Dr. Hannes Weindlmaier vom Institut für Betriebswirtschaftslehre der Milch- und ernährungsindustrie, TU München, eine Prognose für den Molkereimarkt bis 2013 gewagt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass „Molkereien gezwungen sind, sehr kostenintensive Veränderungen vorzunehmen“. Da es noch leichte Quotenerhöhungen gibt, wird sich an der Grundsituation und der Quotenausschöpfung in den nächsten zehn Jahren kaum etwas verändern. Bei den Molkereien, die mehr als 100 Millionen kg Milch im Jahr verarbeiten wird sich die Zahl von 121 auf 91 reduzieren. Die werden jeweils einen Durchschnitt von 330 Mio. kg Milch (aktuell sind es 118 Mio. kg) verarbeiten und 59.000 Tonnen Schnittkäse im Jahr herstellen.
Als Annahme gilt, dass der Milchpreis gegenüber 2003 um 20 Prozent fallen wird. Dadurch werde Bayern 210 Mio. kg Milch verlieren und Schleswig-Holstein rund 340 Mio. kg mehr produzieren als heute. Zu Verschiebungen kommt es auch in Ost-West-Richtung. In den neuen Bundesländern wird die Milchproduktion um 100 kg Milch ausgeweitet.
Fusionen wird es nicht unendlich geben, denn zu Beginn sinken zwar die Stückkosten, aber ab einer bestimmten Größe steigen dann die Transportkosten an. Der Umwandlungsprozess wird insgesamt etwa 11,5 Milliarden Euro kosten Hier sieht Prof. Weindlmaier Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Große Strukturen sind auch weniger flexibel als kleine und es gebe emotionale Widerstände gegen solche Prozesse. Als größtes Erfolgshemmnis allerdings macht der Milchexperte die Notwendigkeiten bei der Anpassung aus: Betriebe müssen stillgelegt und Personal abgebaut werden.
Was bleibt als Erfolgsgröße dabei stehen? Das Modell weist ein Einsparpotenzial von 431 Mio. Euro oder 1,56 Cent je kg verarbeitete Milch auf.
Schweiz und Kanada
Der Ausstieg aus der Quote ist noch nicht festgelegt. Lediglich, dass die aktuelle Quotenregelung bis 2014 läuft. Die südeuropäischen Länder beispielsweise wollen an der Quote festhalten. Befürworter wollen diese Mengenregelung nur anders ausgestaltet wissen und nehmen dabei gerne Kanada als Beispiel.
Dort orientiert sich die Quotenmenge am internen Markt abzüglich der Importe. Eine nationale Kommission verteilt auf die zehn kanadischen Provinzen eine Tagesquote, deren Menge bis zu 20 Tagen über und bis zu 30 Tagen unterliefert werden darf. Sonja Korspeter, Geschäftsführerin des European Milkbord sieht im „Kritischen Agrarbericht 2007“ der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft darin ein Vorbild für die EU.
Die Schweiz steigt 2009 aus der Quote aus und wer danach überhaupt noch Milch produzieren will, der braucht einen Vertrag. Dieser muss nach Benedikt Felder, Geschäftsführer Zentralschweizer Milchproduzenten, entweder als Mitglied in einer Organisation bestehen, die Milch verkauft, oder direkt mit einem Verarbeiter abgeschlossen sein. Hier ist die Produktion direkt an das Produkt geknüpft und Felder sieht daher den Ausstieg als Chance für die Milchbauern.
Und Chancen gibt es auf dem Milchmarkt, denn Molkereiprodukte bedienen Megatrends. Dr. Kerstin Keunecke aus der Marktforschung der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle ZMP sieht Functional Food, Biomilch und den Außer-Haus-Konsum als Markttreiber für Milchprodukte:
Entscheidung 2007
Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium Gert Lindemann ist sich des Spagats über die Quotenentscheidung wohl bewusst. Beim Milchforum des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes am 22. Februar versprach er eine Positionierung des BMELV noch in diesem Jahr, damit sich die Bauern darauf einstellen können. Die wachstumswilligen Betriebe fordern die Abschaffung der Quote. Die Betriebe auf den weniger wettbewerbsfähigen Standorten fürchten dann das wirtschaftliche Aus. Auf EU-Ebene wird der „Health Check 2008“ das Schicksal der Quote bestimmen.
Lesestoff:
Zum Milchforum hat die ZMP ein Sonderheft herausgebracht: Milchmarkt der Zukunft; ISSN 0945-5132; www.zmp.de
Der BDM ist der einzige überparteiliche, von Politik und Wirtschaft unabhängiger Interessensverband. Auf der Seite www.bdm-verband.de können ältere Ausgaben des Verbandsmagazins heruntergeladen werden.
„Der kritische Agrarbericht 2007“ kann bei der AbL bestellt werden: www.bauernstimme.de
In zehn europäischen Mitgliedsländern gibt es das www.europeanmilkboard.org
Trends und Fakten der Deutschen Landwirtschaft mit zahlreichen Grafiken gibt es vom DBV unter www.situationsbericht.de
Roland Krieg; Foto: CMA; Grafik: ZMP: Private Nachfrage nach ZMP-Analyse auf Basis GfK-Panel; Bio-Absatz auf Basis ACNielsen