Die offensichtliche Stufe im Brexit
Handel
Black September for Northern Irland
Kurz nach Ausweitung der Brexit-Idee war allen Beteiligten klar: Wir haben ein Problem. Das Karfreitagsabkommen sichert nach vielen Jahrzehnten endlich den Frieden zwischen Nordirland und der Republik Irland. Beide Inselteile können zusammenwachsen. Der Brexit wird Nordirland von der Republik trennen und will dennoch den Frieden bewahren [1].
Es hat viele Vorschläge für einen Warenaustausch gegeben, doch keiner hat überzeugt. Die Politik verhandelt in der Regel die leichtesten Sachen zuerst, damit die Verhandlungen möglichst weit kommen. Für die EU-Iren und Brexit-Nordiren hätte es sich gelohnt, ihre Frage vor Beginn des Brexits zu klären. Immerhin: Das Oberhaus muss dem Gesetz auch noch zustimmen.
Was Premier Boris Johnson jahrelang verdrängt hat, hat er mit einem eigenen Binnenmarktgesetz auf die politische Agenda katapultiert. Die Vorstellung, Nordirland in den britischen Binnenmarkt zu integrieren, verhärtet die Grenze zur Republik Irland. Das aber hat das legendäre Karfreitagsabkommen ausgeschlossen, damit die Insel endlich Frieden hat.
Nachdem das Unterhaus für das Binnenmarktgesetz gestimmt hat, ist die EU ernstlich verärgert. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat die europäischen Sorgen am Donnerstag in einen offiziellen Brief an London verfasst. Johnsons Binnenmarktgesetz hebelt die bisherigen Einigungen im Scheidungsvertrag zwischen der EU und Großbritannien aus. Sollte London nicht innerhalb eines Monats auf den Brief reagieren, will die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das „noch Übergangsmitglied“ anstrengen. Das kommt nicht unerwartet. EU-Vizepräsident Maroš Šefčovič hatte gleich zu Beginn die britische Seite aufgefordert, bis Ende September das Gesetz zurückzuziehen. Dabei hat er auf die rechtlichen Instrumente für die Streitbeilegung hingewiesen.
Großbritannien hat sich bisher verpflichtet Vertragsverletzungsverfahren bis Ende 2020 anzuerkennen und sogar noch für eine Periode von vier Jahren darüber hinaus. Offenbar hat die EU die Verträge besser ausgehandelt als London. Im Jahr 2019 gab es noch mehr als 800 Gerichtsverfahren gegen London. Im Vergleich: Deutschland steht aktuell in 47 und Frankreich in 34 Verfahren.
Fischerei
Derweil hat London diese Woche ein Fischereiabkommen mit Norwegen unterzeichnet, das bilaterale Fangquoten und den gegenseitigen Meereszugang absichert. Das wird bereits am 01. Januar 2020 in Kraft treten. Die Quoten werden jährlich fest gelegt.
So weit sind London und Brüssel noch nicht. Es liegt aber ein Papier vor, das der EU für die Dauer von 2021 bis 2024 einen stufenweisen Rückgang der Fischereirechte in britischen Gewässern einräumt. Der Vorschlag ist nach britischen Medien nicht neu, es fehlten bislang aber die Details. Die EU ist schließlich der größte Markt für Meeresfrüchte, an die Briten ihre Fänge verkaufen können. Eine Einigung scheint also im Gegenzug möglich. Sowohl Großbritannien als auch die EU haben Fischereizonen in den jeweils anderen Gewässern.
Alles hängt an der Irlandfrage
Die EU und Großbritannien verhandeln weiter. Die EU hält mit den bisherigen Vertragsabschlüssen und dem Vertragsverletzungsverfahren die Fäden in der Hand. Ohne Rücknahme des Binnenmarktgesetzes wird die EU kein Freihandelsabkommen mit Großbritannien abschließen.
Lesestoff:
[1] Irlandfrage offen: https://herd-und-hof.de/handel-/irlandfrage-braucht-eine-loesung.html
Roland Krieg
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