Die Ratspräsidentschaft Frankreichs

Handel

Essor, Force, Appartenance

Die Franzosen sind alte EU-Hasen, haben einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat und prägten die europäische Geschichte unter anderem mit den Worten „Liberté, Égalite, Fraternité“. Für die nächsten sechs Monate hat Paris sich für die drei Worte „Essor, Force, Appartenance“ entschieden. Bis Ende Juni übernimmt Frankreich die Ratspräsidentschaft der EU und hat sein Programm mit den Worten „Aufschwung, Stärke, Zugehörigkeit“ überschrieben.

Die französische Botschafterin in Deutschland, Anne-Marie Descôtes, hat das Programm am Dienstag digital bei der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) vorgestellt. Das Programm ist umfangreich und ambitioniert betonte die Botschafterin – und muss es angesichts der Lage der Welt und der EU auch sein. Die drei Worte stehen für die drei Säulen eines souveränen Europas mit Stärkung des Schengen-Raums und einer verbesserten Migrationspolitik sowie einer Stärkung des Westbalkans und Intensivierung der Beziehungen zu Afrika. Frankreich will in Säule zwei mit der Transformation den nächsten Schritt im europäischen Wachstumsmodell gehen. Innovation, verbesserte Arbeitswelten und Spitzentechnologie vom Wasserstoff bis zur digitalen Cloud bringen Klima, Wachstum und soziale Gerechtigkeit unter einen Hut.

Die Konferenz zur Zukunft Europas will der Union ein menschliches Gesicht geben. Hier gehören die ureigenen europäischen Werte, wie die Rechtsstaatlichkeit  und freie Wissenschaft dazu.

„Ein Moment der Wahrheit“

Frankreich hat sich zum Ziel gesetzt, die aktuellen Herausforderungen mit Afrika, der digitalen Welt, den europäischen Sicherheitsfragen sowie bei Umwelt und Klimaschutz einen „Moment der Wahrheit“ nutzen. Paris will erstmals einen gemeinsamen Militärhaushalt umsetzen, den  CO2-Grenzausgleich, Mindestlohn, die Frauenquote in den Vorständen der Unternehmen und die Beziehungen mit Afrika gleich Mitte Februar mit dem nächsten Gipfel von EU und der afrikanischen Union (AU) verbessern. Was am ehesten gelingen wird, ist der Start einer europäischen  Geschichtsforschung, die Basis für ein kollektives Bewusstsein der kulturellen Vielfalt, die Europa vereint, schafft.

Der „Global Gateway“ als Reaktion auf Chinas Seidenstraßenprojekt soll den Europäern die Stallung in der Welt erhalten und stärken. Schließlich ist die Handelspolitik, Einfluss auf die Welt zu nehmen, das wichtigste Element der EU.

Was allerdings mit den Ergebnissen der Zukunftskonferenz passiert ist noch nicht abzusehen. Die Ergebnisse der Zukunftskonferenz [1] könnten nach Willen Berlins auch zu Vertragsänderungen führen, sagte Anna Lührmann als Staatssekretärin für Europafragen im Auswärtigen Amt auf. Zur Meinungsvielfalt gehöre auch eine Abstimmung auf einen gemeinsamen Energiemix, der in den nächsten Monaten noch mehr Aufmerksamkeit erregen wird.

Frankreich und Landwirtschaft

Die französischen Bauern waren schon immer lauter als die deutschen. Die Struktur des Sektors leidet unter den negativen Folgen der Märkte und des Handels stark. Es geht dabei nicht nur um das Höfesterben in den ländlichen Regionen. Frankreich war bis vor einigen Jahren noch zweitgrößter Exporteur von Agrarprodukten und hat vor allem gegenüber Deutschland und den Niederlanden an Boden verloren. Das schmerzt auch die französische Seele. Französische Delikatessen haben nicht mehr den exquisiten Glanz früherer Jahre, nicht zuletzt hat die Pandemie das Essverhalten auf eine weniger mondäne Esskultur umgestellt. Mit dem im Herbst verabschiedeten „Egalim 2“ zur Verbesserung der Margen auf den Betrieben sind die Landwirte nicht zufrieden. Die gestiegenen Kosten für Betriebsmittel fressen die letzten Reserven auf. Kurz vor Weihnachten hatten Landwirte bei Protesten mit brennenden Reifen auf ihre Lage hingewiesen.

Es sind mehr die regionalen und nationalen Aufgaben, die in den kommenden sechs Monaten gelöst werden müssen. Gebündelt werden sie allerdings über die nationalen Umsetzungsstrategien zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die Kommission muss in den nächsten Monaten die eingereichten Vorlagen unter französischer Präsidentschaft abschließen. Paris hat die Möglichkeit, über den Agrarrat für attraktive und wirksame Eco-Schemes zu sorgen.

Im Rats-Programm steht die Reziprozität von gesundheitlichen und Umweltstandards zwischen europäischen und Drittländern ganz oben auf dem Plan. Dem Plan für entwaldungsfreie Lieferketten sollen die nächsten Schritte folgen. Carbon Farming ist für Frankreich eine gesicherte Blaupause für eine kohlenstoffarme Landwirtschaft und teilt die neuerlichen Bedenken der deutschen Ökolandwirtschaft nicht. Paris will die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ beschleunigen und will die Richtlinien zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln überarbeiten. Ob Paris dem deutschen Ziel folgen kann, gleich den Zulassungsprozess zu erneuern, bleibt offen.

Spannend bleibt die angestrebte Überarbeitung der Gesetzgebung zu geografischen Angaben. Im Agrarrat des Europaparlamentes ist von einer Aufweichung der Regen und einer Übertragung der Aufgaben an das Markenamt die Rede. Von der Marketingförderung könnten Produkte, wie beispielsweise rotes Fleisch ausgenommen werden. Vor diesem Hintergrund wird Frankreich auch sein eigenes Nutri-Score-Modell für eine gesunde Ernährung überarbeiten. Die Italiener, die mit einem Batterie-Modell arbeiten, überprüfen über das Kartellamt, ob die Nutri-Score-Kennzeichnung nicht gegen den Wettbewerb verstößt, weil sie Produkte brandmarke. Ausgerechnet mit dem französischen Landwirtschaftsminister Julien Denormandie haben die Italiener einen prominenten Unterstützer, der dem Agrarrat vorstehen wird. Die französische Käseindustrie liebäugelte mit einer ähnlichen Zurücksetzung von Traditionsprodukten wie dem Camembert und Roquefort durch das Label. Denormandie hat eine Überprüfung angekündigt – die aber am Ende in EU-Kommission für Lebensmittelsicherheit und Gesundheit geklärt werden muss.

Frankreich setzt sich für heimische Futterquellen ein. Denormandie hat noch vor Weihnachten mit der österreichischen Agrarministerin Elisabeth Köstinger eine Vereinbarung für eine gemeinsame Eiweißkonferenz unterzeichnet. Beide Länder haben bereits nationale Eiweißpläne und wollen vor allem den Anbau von Soja ausweiten. In der EU wächst derzeit nur ein Prozent der Sojabohnen. Für Paris gehört die Futterversorgung zum Rats-Akzent der Ernährungssouveränität dazu.

Lesestoff:

[1] Die Zukunft liegt in Ihrer Hand: https://futureu.europa.eu/?locale=de   

Roland Krieg

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