Die Zukunft der Milchanlieferung

Handel

ZMP-Milchforum

Bei der Milchanlieferung wird zwischen den Molkereigenossenschaften und privaten Molkereien unterschieden. An die Genossenschaften haben die Milchbauern das Recht und die Pflicht, ihre Milch abzuliefern. Auf der Basis der Nettoverarbeitungskosten wird, betriebswirtschaftlich nachvollziehbar, der Milchpreis berechnet, und über den Vorstand haben die Bauern Einfluss auf ihre Entlohnung. Hingegen liegt bei den ZMP Milchforum in Cobbelsdorfprivaten Molkereien eine Informationsasymmetrie bei der Preisbildung vor, beschreibt Prof. Dr. Hannes Weindlmaier von der TU München. Die Molkereien orientieren sich nach Durchschnittswerten der Nachbarbetriebe und suchen Referenzpreise bei Magermilch und Butter. Die Bauern haben darauf keinen Einfluss.
In den beiden letzten Jahren ist die Milcherzeugerbranche jedoch stark in Bewegung geraten und konnte über die Erhöhung der Endverbraucherpreise ihr Thema auch unter die Verbraucher streuen. Nicht zuletzt deshalb übertreffen die über 200 Teilnehmern des 14. Milchforums der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) die Teilnahmeerwartungen um das Doppelte.
2015 wird nach Willen der EU die Milchquote abgeschafft, die den Milchbauern bislang eine Garantiemenge in der Milchproduktion sicherte. Gestern diskutierten die Forums-Teilnehmer auf der Agrargenossenschaf Cobbelsdorf, bei Coswig, in Sachsen-Anhalt: „Zukünftige Vertragsbeziehungen zwischen Milchbauern, Milchverarbeitern und Milchhändlern“.

Bauern bündeln ihre Kräfte
Zu Beginn des Jahres hatte im Biobereich eine weitere Milcherzeugergemeinschaft ihre Arbeit aufgenommen. Die Milchmenge und damit die Verhandlungsmacht gegenüber den Molkereien zu bündeln ist Anliegen der Bauern, die höhere Preise durchsetzen wollen. Das nämlich in den Genossenschaften nicht immer alles so funktioniert, wie ursprünglich gedacht, zeigt das Beispiel der Milchliefergemeinschaft Bocholt-Hamminkeln. Landwirt Wilhelm Neu sagte, dass die heute 60 Mitglieder und 25 Mio. kg Milch umfassende Gemeinschaft, 1997 „von enttäuschten Genossen gegründet“ wurde. Allerdings war die Suche nach einer abnehmenden Molkerei ein harter Weg. Ende 2006 machte der bisherige Partner die Pforten dicht. Der jetzige zahlt einen Basispreis aus den Milchpreisen der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Hinzu kommen Aufschläge und Ladestaffeln. Neu legt strenge Kriterien bei der Auswahl der Molkerei an. Wegen des Wettbewerbs um die Rohware Milch wird nicht jede heute noch existierende Molkerei zukünftig bestehen bleiben. Da für die Bauern eine dauerhafte Milchabnahme mit regelmäßigen Milchgeldern wichtig ist, sollte die Molkerei eine seriöse Bankbürgschaft besitzen. Frank Wiese von der Agrargenossenschaft Altmärkische Höhe aus Lückstedt im Landkreis Stendal will eine breit aufgestellt und innovative Molkerei, die mit der Rohware veredelte Produkte auf dem Markt unterbringen kann.

Molkereien wollen stetigen Milchfluss
Molkereien brauchen eine strategische Sicherung der Milchanlieferung, definiert Prof. Weindlmaier. Nur so können sie die Rohware verarbeiten, veredeln und letztlich verkaufen. Die Milchliefermenge gilt den Banken als Bonitätsprüfung. Das sieht auch Hans Holtorf von den frischli-Milchwerken aus dem niedersächsischen Rehberg-Loccum so. Daher sind die Beziehungen zwischen Bauern und Molkereien immens wichtig. Zukünftig wird sich seiner Meinung allerdings nach einiges ändern. Steigende Energiekosten und die Lkw-Maut werden die Kosten für die Milchanlieferung deutlich erhöhen, so dass die Molkereien ihre Erzeugerbetriebe in einem Umkreis von maximal 130 Kilometern „verdichten“ werden. Die Vertragsbindungen werden längerfristig gestaltet und in vergleichbaren Regionen werden sich vergleichbare Milchpreise ergeben.

Milchmarkt in Dänemark
Das nördliche Nachbarland hat zwar nur 5.000 Milchbauern, diese produzieren jedoch 4,5 Milliarden Kilogramm Milch. Von den 34 Molkereien im Land sind die meisten nur kleine Hofmolkereien, so Hans Bender-Pedersen vom Danish Dairy Board. 94 Prozent der Milch gehen zu Arla, die zu jeweils einem Drittel die Produkte ladenfertig nach Dänemark, die EU und weltweit liefert. Arla bereitet in diesen Tagen ein Konzept vor, wie die Zukunft auf dem dänischen Milchmarkt aussehen soll. Wer die Genossenschaft verlässt, zahlt aktuell 2.000 Euro, was möglicherweise zukünftig als „Bestrafung“ deutlich höher ausfallen soll. Wer länger dabei bleibt, der könnte mit einem Treuebonus belohnt werden.
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Im Spannungsfeld zwischen Bauern und Molkerei wollen die Milchhändler vermitteln. Mit 650 Mio. kg Milch ist die Berliner Milcheinfuhr-Gesellschaft (B.M.G.) eine der größten in Deutschland. Gegründet wurde sie 1909 zur Sicherung der Milchversorgung in Berlin. Heute erwirbt sie von 500 Landwirten und Erzeugergemeinschaften Rohmilch und verkauft sie an 10 Molkereien weiter, sagte Erhard Buchholz von der B.M.G.. Er versteht die Milchhändler als „Drehscheibe im Logistikbereich“ und sieht durch den Wegfall der Quote neue Chancen für dieses Geschäftsmodell.

Milk Spot
Agrarrohstoffe werden international auf Spot-Märkten gehandelt. In Deutschland gelangen nur etwa drei Prozent der gesamten Milchmenge auf den Spot-Markt und Dr. Hans-Theo Göbbel gibt diesem keine großen Zukunftschancen. Derzeit wären gerade einmal 300 Betriebe in der Lage, ausschließlich für diese Form des Handels zu produzieren. Das sind Betriebe mit mehr als 400 Kühen und in direkter Nähe zur Autobahn, die bei der Abholung der Milch gleich einen Tankzug voll machen können. Die meisten Betriebe in Deutschland haben jedoch weniger als 100 Kühe.
Allerdings sind Börsenlösungen nicht abwegig. Mit Blick auf den Warenterminmarkt böte sich einer für die Milch an, meinte Holtorf. Auf einer Warenterminbörse werden heute handelbare Kontrakte abgeschlossen, deren Einlösung durch einen festen Verkauf in der Zukunft liegt: Ein Kilogramm Milch in sechs Monaten für 36 Cent. Sinkt der Marktpreis hat der Milcherzeuger seinen Preis abgesichert, also Gewinn gemacht. Steigt der Preis über 36 Cent, freut sich die Molkerei über den günstigeren Abschluss.

Erholung Weltmilchmarkt
Neuseeland und Australien sind die beiden Hauptausfuhrländer für Milch. Nachdem in den letzten Monaten die im vergangenen Jahr angestiegenen Milchpreise wieder ins Rutschen gekommen sind, meldet die Südhalbkugel, dass wegen ausbleibender Niederschläge die Milchproduktion deutlich zurück gegangen ist. Vor einigen Wochen ging der Deutsche Bauernverband (DBV) noch davon aus, dass die weltweite Milchmenge um etwa drei Prozent weiter steigen würde. Jetzt liegen erste Informationen vor, dass in einigen Gebieten Neuseelands die Milchproduktion um 20 Prozent zurückgefahren werden musste, Futtermittel knapp seien, einige Bauern ihre Kühe bereits trocken gestellt haben und sogar schon Notschlachtungen vorgenommen sein sollen, teilte der DBV gestern mit. Neuseelands Exportmolkerei Fonterra, unter den größten sechs auf der Welt mit einem Produktionsvolumen von über 14 Milliarden Litern Milch, hat für die Bauern den Verlust an fehlenden Milchgeldern bislang auf 60 Millionen Dollar beziffert. Die Frischmilchversorgung in Neuseeland ist nicht gefährdet, aber Fonterra nimmt derzeit keine Auslandsorder mehr an. Vorsitzender Henry van der Heyden fürchtet Verluste in Höhe von 500 Mio. $, wenn es weiterhin nicht regnet.
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Zeitweise Wettbewerb
Das vergangenen Jahr hat gezeigt, wie sich der Wettbewerb auf die Rohstoffpreise auswirken kann. Einen Wettbewerb gibt es allerdings erst , so ein Diskussionsteilnehmer, „wenn ein Tropfen zu wenig am Markt ist“. Das ist in der Vergangenheit nicht oft der Fall gewesen, so dass in Cobbelsdorf die Anlehnung des Auszahlungspreises an der Nachbarmolkerei stark hinterfragt wurde Einmal bildet sich der Preis nach vorliegenden, also vergangenen Beobachtungen, zum andern drehen sich die Preise alle in die gleiche Richtung. Landwirt Neu bezweifelt denn auch, ob die hohen Preise der jüngsten Vergangenheit betriebswirtschaftlich begründet gewesen seien. Die Bauern wollen als Kaufmann zumindest einen Basispreis für die beiden nächsten Monate erfahren, so Landwirt Wiese.
Mit Blick auf die gegründeten Milcherzeugergemeinschaften ist Hans Holtorf von der Molkerei skeptisch. Brötchenpreise sind weitestgehend stabil, weil der Rohstoffanteil am Endprodukt gering ist. Milch hingegen ist der reine Rohstoff und dauerhaft hohe Preise seien illusorisch. Bei Getreide und Düngemittel haben die Bauern auch keine festen Preise. Selbst wenn die Milcherzeuger höhere Preise über die Molkerei bis in den Handel durchsetzen könnten – sind die Preise zu hoch, dann üben sich Konsumenten in Kaufzurückhaltung. Auch das hat das letzte Jahr gezeigt.
Trotzdem haben Milcherzeugergemeinschaften eine Zukunft. Und sie könnten sogar noch mehr Aufgaben als die Bündelung des Angebots übernehmen. In der Schweiz übernehmen sie auch die Milchsammlung, also die Logistik bis zur Molkerei. Und, so eine Prognose von Prof. Weindlmaier: Sie könnten auch in die Vorverarbeitung einsteigen. Dann lieferten sie nicht nur Milch, sondern haben den Rahm bereits abgeschöpft und verkaufen Magermilch. Zwischen Erzeugergemeinschaft und Magermilchverkauf hat sich zumindest in Bayern das Milk Board etabliert, dass die Genossenschaften als Konkurrenz fürchten.

Am Montag folgt der zweite Teil

Roland Krieg; Foto: roRo

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