Die Zukunft des Obst- und Gemüsehandels
Handel
Wer Qualität produziert hat eine Chance
Schon längst kommt nicht mehr alles Obst und Gemüse, dass im Süden für den Weltmarkt produziert wird nach Europa. In Asien und Osteuropa steigt die Produktion, wird diejenige Mittelschicht größer, die sich Zitrusfrüchte und Bananen leisten kann und scheint zahlungswilliger zu sein, als der preisbewusste Europäer. Zudem steigt der geringe Obst- und Gemüseverzehr in Europa gerade einmal um jährlich 0,5 Prozent, erläuterte Cindy van Rijswick, Marktanalytikerin der niederländischen Rabobank auf dem 31. Frischeforum der Fruit Logistica.
Sich unterscheiden müssen
Wer im Handel den Kunden noch etwas anbieten möchte,
was er auch zu kaufen bereit ist, muss sich von den anderen Produkten unterscheiden.
Die sozialen und Umweltkomponenten in der Obst- und Gemüsebranche werden bedeutender
als der Preiskampf, der zur Zeit die Branche wegen eines Überangebotes prägt.
Der Zwang zur Differenzierung hat nach van Rijswick Folgen für die Lieferkette
bis hinunter zum Erzeuger. Eine Studie in England habe gezeigt, dass sich
Discounter und Premiumgeschäfte in ihren Angeboten auf eine Mitte hin zubewegen
und sich vom Preis und der Qualität kaum noch unterscheiden.
Äpfel und Bananen als scheinbar unendliches
Massenprodukt werden auch in Zukunft den meisten Umsatz für das Geschäft
erzielen. Auch saisonale Produkte aus der Region, die leicht zu beziehen sind,
stellen keine großen Anforderungen an die Logistik. Die Geschäfte werden sich
über strategische und Nischenprodukte unterscheiden, um einen Mehrwert
erzielen. Das können Bioprodukte oder sensible Beerenprodukte sein. Eine
entsprechende Kampagne habe in England den Umsatz von Beerenfrüchten um 92 Prozent
in allen Geschäften steigern können.
Zukunftsträchtig sind nach van Rijswick auch
Convenience, Nutraceuticals und Produkte mit intelligenter Verpackung, die
Frische oder eine längere Lebenszeit garantieren.
Da sei zwar nicht neu, sagte van Rijswick zu Herd-und
Hof.de. Aber immer noch aktuell. Neue Ideen in der Fruchtbranche kommen nur
wenig zum Zuge, weil es den Erzeugern an Geld für neue Entdeckungen und
Werbekampagnen fehlt, weil oftmals die Liefermenge zu gering ist und vor allem,
weil es immer noch genug Kunden gebe, die sich für das preiswertere Produkt
entscheiden.
Kooperationen
Auch Andreas Allenspach von der Van Rijn Group aus den
Niederlanden und Dietmar Bahler von der BayWa Group, die kurz vor der
erfolgreichen Übernahme der neuseeländischen „Turner and Growers“ steht, einem
weltweit agierendem Obst- und Gemüsehändler, berichten vom Preisdruck in der
Branche. Was nicht billigst ist, geht von Südamerika direkt nach Asien – an Europa
vorbei. Für Allenspach ist eine effiziente Logistik das Kernelement, derzeit in
Europa noch zu bestehen. Andrew Sharp von der britischen Fresca Group bestätigte,
dass die Wahl des richtigen Geschäftspartners in der Logistik bereits wichtiger
sei als die Frage nach der Qualität der Produkte.
Alle suchen den Weg aus diesem Dilemma heraus. „tegut…“
scheint ihn gefunden zu haben, denn der Familienfilialist aus Hessen wurde mit
dem Preis für die beim Kunden beliebteste Obst- und Gemüseabteilung ausgezeichnet.
Seit mehr als 30 Jahren fußt das Konzept der Hessen auf
Vertragsanbau. Gerade im Bio-Bereich, der gut 50 Prozent des Umsatzes macht,
sei eine andere Differenzierung nicht möglich, erläuterte Bernd Schröder von
der Gutberlet Stiftung & Co. Sie machen das nicht nur bei regionalen
Karotte, sondern auch bei der Banane aus der Dominikanischen Republik. Wer
seine Bauern kenne, der verkaufe die Bananen nicht für unter einem Euro,
erklärte Schröder. Wer mit einem Bauern wirbt, der lächelnd einen Salatkopf für
15 Cent bewirbt, kenne nicht die Arbeit, die der Bauern geleistet habe.
Er fordert einen Fruchtmeister, der ähnlich wie der
Bäcker- oder Fleischermeister, sein Produkt „erlernt“ hat und Kunden beraten
kann. Er zeigt den Konsumenten, wann eine Mango reif ist und wie Auberginen
zubereitet werden.
England ist derzeit Vorreiter für Verpackungen. Die
Fresca Group hält Weintrauben in Verpackungen zu 80 Gramm als Snack für die
Sandwichbar genauso bereit wie die große 9-Kilo Verpackung für die Familie.
Sharp hält Innovationen bei Verpackungen für Kaufentscheidend. Zum einen können
sie die notwendigen Produktinformationen besser tragen als lose Ware, zum anderen können neue Verpackungen die Ware
länger frisch halten und daher im Geschäft den Abfall verringern.
Demgegenüber könne der Fruchtmeister die Verpackungen
überflüssig machen, hält Schröder entgegen. Bei tegut… werden die
Vertragsvereinbarungen so gestaltet, dass jeder Erzeuger weiß, wann er was mit
welcher Menge zu liefern hat. Die Erfahrungen helfen, weniger Abfall zu
produzieren.
Das Thema des Frische Forums lautete „Beschaffung 2020“.
Die Branche hat demnach noch acht Jahre Zeit einen grundlegenden Wandel
durchzuführen, der den restlichen Obstbauern ein Einkommen erzielt und den
Verbrauchern schmackhafte frische Früchte. Das wichtigste Qualitätsmerkmal, so
der Konsens in Berlin, bleibt der Geschmack von Obst und Gemüse.
Roland Krieg; Foto: Messe GmbH