Die zwei Seiten der Milch
Handel
Milch: Hohe Erzeugerpreise oder Preis unter Druck?
Im zweiten Quartal lag die Milchanlieferung bei den Molkereien mit 11,2 Millionen Tonnen rund vier Prozent über Vorjahresniveau. Nach Ansicht des Milchindustrieverbandes ein erfreuliches Ergebnis, denn der Export gehe auch ohne Russland unvermindert fort. Vor allem Südeuropa fragt derzeit Käse nach. Russlands Veterinäre hatten schon vor dem Importstopp deutsche Molkereien vom Export nach Russland ausgeschlossen. Die Molkereien hatten also Zeit, sich nach neuen Märkten umzusehen.
Die Milcherzeugerpreise sind nach Ansicht der Molkereien „konstant hoch geblieben“. Allerdings drückt der Milchexport auf den Weltmarktpreis. Auf dem heimischen Markt hat sich ein Milchpreis von weniger als 40 Cent eingependelt. Saisonal bedingt geht die Milchanlieferung zurück, was die Rohstoffmärkte entspannt.
Die Bauern sehen das anders. „Seit Monaten sind die Milchpreise unter Druck“, rügt der Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern und führt den russischen Importstopp als einer der Hauptgründe an. Die Bauern schauen auf den Ladenpreis. Seit September gehen die Produktpreise wieder zurück. Das 250-Gramm Päckchen Butter ist wieder für 0,85 Euro zu haben, Aldi-Nord bietet 400 Gramm Gouda für 1,89 statt 2,19 Euro an. Die Geschichte wiederholt sich, denn bereits im März geriet der Butterpreis unter Druck. Landesbauernpräsident Rainer Tietböhl: „Diese Rotstift-Aktionen von Aldi haben Auswirkungen auf den gesamten Handel und bringen eine Abwärtsspirale der Preise auf den Weg.“ Tietböhl appelliert an die Verbraucher, nicht auf solche „Schleuderangebote“ einzugehen. Ein Abwärtstrend bei den Erzeugerpreisen habe bereits angefangen. Im September zahlten die Molkereien vier Cent weniger als im August. „Ich habe den Eindruck, dass der russische Importstopp und die damit verbundene Verunsicherung auf den Märkten vom Lebensmittelhandel ausgenutzt werden, um die Einkaufspreise zu optimieren“, klagte Tietböhl.
Unter diesem Aspekt sieht der Westfälisch-Lippische Bauernverband den geplanten Verkauf von Kaiser´s an Edeka kritisch [1]. Der WLV fürchtet ein marktbeherrschendes Oligopol und forderte vom Präsidenten des Bundeskartellamtes eine kritische Überprüfung. „Gerade jetzt, wo der Milchpreis durch ein gestiegenes Angebot und das russische Importembargo unter Druck geraten ist, spüren unsere Molkereien und Milcherzeuger, wie der in Deutschland stark konzentrierte Lebensmitteleinzelhandel mit seiner geballten Nachfragemacht der Milchwirtschaft die Daumenschrauben anlegt“, kritisiert WLV-Präsident Wilhelm Brüggemeier.
Die Bauern leiden nicht nur unter den Konzentrationsprozessen bei den Großen. Brüggemeier verwies auf die lokalen Übernahmeprozesse. So werde die Bünting-Gruppe aus Leer die Jidi-Supermärkte mit Stammsitz in Bielefeld übernehmen, nachdem sie bereits 2013 die Minipreis-Märkte in Paderborn geschluckt hatte.
Lesestoff:
[1] Was wird jetzt aus Kaiser´s?
Auch die Bio-Branche frisst sich auf
Roland Krieg