Düsseldorfer Stadthonig „fensterlt“

Handel

Zwischenbilanz über das Regionalfenster

Beim Düsseldorfer Stadthonig können sich Verbraucher das Brummen der Bienen in den heimischen Rheinauen vorstellen, wo sie den Nektar für den Honig gewinnen. Klarer Fall: regional. Beim Olivenöl aus Spanien, das als Produkt aus dem Spreewald angepriesen wird, in Wahrheit aber aus Andalusien stammt, fügt dem Regionalfenster Schaden zu [1].

Zur Grünen Woche 2013 hatte die damalige Landwirtschafts-ministerin Ilse Aigner das Regionalfenster platziert [2]. Lebensmittel aus der Region haben Konjunktur. Das Regionalfenster will den Kunden Sicherheit und Vertrauen zu Produkten aus der Region vermitteln. Doch schon zur Bekanntgabe platzierte sich das Fenster zwischen Kritikern und Enthusiasten. Für manche Landeslandwirtschaftsministerin ist das Fenster nur „ein halber Schritt“ gewesen, während der Dachverband für Ökolebensmittel genau den richtigen Rahmen für Bioprodukte erkennt. So wird das Regionalfenster auch noch in den kommenden Jahren hin- und hergerissen werden, konnte am Dienstag aber mit 2.400 Produkten nach eineinhalb Jahren Markt, von den Trägern als Erfolg gefeiert werden.

„Emotionales Verkaufsargument“

Das Regionalfenster ist für die teilnehmenden Unternehmen ein Verkaufsargument am Markt, sagte Bundeslandwirtschafts-minister Christian Schmidt. Für die Konsumenten biete es Sicherheit und Vertrauen beim Einkauf und die ganze Wertschöpfungskette könne daran profitieren. Der Franke erinnert an die südliche Tradition des „Fensterlns“, das mit viel Emotion verbunden ist. Auch das Regionalfenster soll Emotionen in die Läden bringen. Die Entwicklung sei noch nicht am Ende. Es können mehr Produkte werden und mehr teilnehmende Unternehmen. Das Regionalfenster spiegele einen Prozess wider, der das Thema bereits aus einem verschämten Aufsteller in ganze Regale gebracht hat.

„Eine Verbindlichkeit strebe ich aber nicht an“, sagte Schmidt und verweist dabei auf die freiwillige Teilnahmemöglichkeit. Bei einer Pflicht käme das Regionalfenster den geschützten Ursprungsprodukten ins Gehege.

Mehr als einen Rahmen will das Fenster auch nicht sein. Was die Qualität oder Sonderbereiche wie das Tierwohl betrifft, sollen die Unternehmen weiterhin mit den vergebenen Siegeln arbeiten können.

„Mitmachen statt Meckern“

Der Trägerverein kennt die Kritik. Die ältere und die jüngste. Sein Vorsitzender Peter Klingmann lädt die Kritiker zum Mitmachen ein. Den einen ist das Fenster nicht genau genug deklariert, die anderen feiern das Fenster euphorisch. 400 Bioprodukte nutzen es bereits und die Zahl der Milchverarbeiter ist auf 31 gestiegen. Schon im ersten Jahr hatten Blumen- und Zierpflanzenerzeuger wegen einer Beteiligung angefragt. Das wird auch bald möglich sein, denn die Ausweitung auf die blühende Ware wurde jüngst beschlossen.

Regionalfenster oder Konzentrationsprozess?

Das Regionalfenster definiert keine Kilometer. Das macht Sinn. Müssen die Küstenbewohner auf ihren Kräuterquark verzichten, weil es in Mecklenburg-Vorpommern keinen Kräuteranbau gibt? Für die Franken hört im Freistaat Bayern die Regionalität immer an der Donau auf, berichtete Schmidt. Diese Verbundenheit lasse sich nicht mit einer Kilometerangabe beschreiben.

Das Regionalfenster versucht etwas Neues. Meist setzen die Produkte auf noch bestehende regionale Strukturen auf. Kleinere Molkereien, Schlachtereien, Mühlen oder Fachgeschäfte gibt es in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen. Dort haben sich nach Schmidt und Klingmann auch schon neue Strukturen eingefunden. Schmidt wünscht sich gegenüber Herd-und-Hof.de, dass sich dieser Trend nach Norden fortsetzt. Ob es Einzelinitiativen sind oder ein Systemwechsel, bleibt offen. Konzentrationsprozesse verstetigen sich auf allen Märkten. Das zeigte jüngst die niedersächsische Molkereiindustrie [3]. Auch im Biomarkt machen sich Verdrängungswettbewerbe breit [4].

Das sind systematische Entwicklungen, wie die Bundesregierung erst Anfang September bestätigte. Inhabergeführte Bäckereien und Fleischereien sind das Symbol für regionale Wirtschaftskreisläufe, aber flächenmäßig auf dem Rückzug. 1980 gab es in Westdeutschland noch 30.668 Bäcker mit 207.900 Beschäftigten. Im letzten Jahr waren im gesamten Bundesgebiet nur noch 13.171 Bäckereien mit 283.800 Beschäftigten.

Im Fleischerhandwerk sieht es genauso aus. 1980 gab es in Westdeutschland noch 28.700 fleischerhandwerkliche Betriebe. 1995 waren es nur noch 19.093. Aktuell sind es im gesamten Bundesgebiet nur noch 13.931.

Wie sich das weiter entwickelt, bleibt offen. Regionale Produkte aus überregionalen Infrastrukturen werden langsam ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Am Ende wird der Kunde am so genannten Point of Sale mitentscheiden, welche Agrar- und Verarbeitungsstruktur überlebt. Bei den derzeitigen Schweinepreisen bleibt den Landwirten nur noch die Möglichkeit, mehr Ferkel pro Sau und Jahr zu erzeugen oder auf den zahlenden Verbraucher zu hoffen [5].

Das Regionalfenster alleine reicht nicht

Ordnungsrecht und Teilnahmeverpflichtungen sind mit Schmidt nicht zu machen. Das Regionalfenster alleine wird die Lebensmittelproduktion jedoch nicht dezentralisieren. In Niedersachsen geht Landwirtschaftsminister Christian Meyer einen neuen Weg und bindet die Agrarfördermaßnahmen an eine flächengebundene Tierproduktion mit Bestandsobergrenzen und maximaler Einkommenshöhe [6].

Das Regionalfenster muss in die Förderung des ländlichen Raumes eingebettet sein. Es gehört als Zeiger für eine regionale Wirtschaft zur Grundversorgung des Landes und kann dort Lebensverhältnisse gegen den demografischen Trend mitgestalten, glaubt Schmidt.

Lesestoff:

[1] Die Herkunft ist nicht immer klar

[2] Das Regionalfenster geht an den Start

[3] Wandel in der Molkereilandschaft

[4] Ausverkauf durch Alnaturas Expansion

[5] Mit 1,40 Euro/kg sind Schweinepreise stabil in der Talsohle

[6] Niedersachsen fördert nur noch bäuerliche Ställe

Roland Krieg; Fotos: roRo

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