„Durch wegschauen scharf bewacht“
Handel
250 Jahre Kartoffelbefehl in Brandenburg
Kurz vor dem Auspflanzen der Kartoffel stehen die Bauern vor einer unbefriedigenden Marktsituation, schätzt der Deutsche Bauernverband DBV. Die Frühkartoffelsaison war 2005 durch sehr niedrige Erzeugerpreise gekennzeichnet, weswegen der Anbau nicht gerade markwirtschaftlich attraktiv ist. Die Vermarktungssituation sieht der DBV auch dadurch erschwert, dass immer mehr Kartoffeln beim Discounter gekauft werden. Deren Ware komme aber überwiegend aus dem Ausland und könnte nicht „das hohe Qualitätsniveau der deutschen Ware aufweisen“. Der DBV empfiehlt den Konsumenten trotz der ausländischen Frühware auf deutsche Knollen zurück zu greifen: Es stehen noch ausreichend Lagerkartoffeln zur Verfügung, die wirklich ausgereift sind und daher eine intensiven „kartoffeligen Geschmack“ aufweisen.
Wer früh pflanzt, kann früh ernten
In Nordrhein-Westfalen ist der Frühkartoffelanbau, der überwiegend im Rheinland durchgeführt wird, um 15 Prozent angestiegen. Auf 4.000 der 30.000 Hektar Kartoffelfläche, werden die frühen Knollen angebaut. Sollte es noch einmal kalt werden, dann werden die Äcker mit einer Folie abgedeckt. Damit die tollen Knollen schneller wachsen, haben viele Bauern in den vergangenen Wochen diese „kräftig in Stimmung gebracht“, verkündete die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen. Um den Pflanzkartoffeln die Augen zu öffnen, gab es zunächst einen dreitägigen Wärmestoß von 20 °C und eine daran anschließende Belichtung. Dadurch bilden sich vier bis sechs kräftige Keime je Knolle. Normalerweise werden diese sechs bis acht Millimeter langen Sprösslinge erst nach dem Pflanzen im Boden gebildet. Die vorgekeimten Kartoffeln haben daher bereits einen Vorsprung von ein bis zwei Wochen und können entsprechend früher geerntet werden. Damit die empfindlichen Keime nicht abgebrochen werden, ist viel sorgfältige Handarbeit erforderlich. Die Rheinländer werden Anfang bis Mitte Juni die erste Ernte einfahren und dann erst wissen, ob sich der ganze Aufwand gelohnt hat – weil Kartoffeln europaweit gehandelt werden, hängt der Preis stark vom Witterungsverlauf in den Anbaugebieten von Spanien bis Norddeutschland ab.
24. März 1756
Vor 250 Jahren befahl Friedrich II Testfelder intensiv zu bewachen und gleichzeitig wegzuschauen, wenn die neugierigen Brandenburger das vermeintliche Gold von den Äckern stahlen. Die Knolle gehört zu Brandenburg, wie zu keinem anderen Landstrich. Kartoffelgerichte bietet jeder Landgasthof an. Die Sorten „Adretta“ und „Linda“ bleiben auch in diesem Jahr die Stars der märkischen Agrarproduktion, wie der Verband pro agro verkündet. Der Boden ist für die Kartoffel von zentraler Bedeutung, denn er bietet den Pflanzen Schutz, Mineralstoffe und speichert Wasser. Aber er profitiert auch von der Kartoffel, die wegen ihres Anbaus zu den Hackfrüchten gezählt wird. Die Pflanze braucht einen aufgelockerten Boden, der dadurch intensiver belüftet wird.
Das war aber seit 1565, als die Kartoffel über Spanien nach Deutschland kam, noch gar nicht bekannt. Wegen ihrer schönen Blüte fand man die Kartoffel eher in botanischen Gärten als auf dem Acker für die menschliche Ernährung. Der Bevölkerungsanstieg und Hungersnöte veranlassten Friedrich II, die Knolle auf den märkischen Sanden einzuführen. Allerdings vergeblich. Bis zu jenem Märztag vor 250 Jahren, als es in einem Edikt an die Land- und Steuerräte, Beamte und Magistrate hieß: „Als habet Ihr denen Herrschaften und Unterthanen den Nutzen von Anpflantzung dieses Erd Gewächses begreiflich zu machen, und denselben anzurathen, dass sie noch dieses Früh Jahr die Pflanzung der Tartoffel als einer sehr nahrhaften Speise unternehmen.“ Auf jedem leeren Fleck solle die Kartoffel angebaut werden, bis sie 1785 endlich akzeptiert war. Die Brandenburger nennen sie Toffel oder Töffelen. In der Uckermark heißt sie bei den Alteingesessenen noch heute „Nudel“.
Es könnte mehr sein
Trotz aller Tradition wird der Kartoffelanbau in Brandenburg immer mehr zur Nischenproduktion. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in Potsdam wurden 1989 noch auf 123.900 Hektar, 10,5 Prozent der Ackerfläche, Kartoffeln angebaut. 1990 waren es bereits nur noch 99.500 Hektar, rund 9,2 Prozent der Ackerfläche und 2005 nur noch 11.640 ha – 1,15 Prozent. Die folgende Tabelle zeigt die Ertragsentwicklung der Brandenburger Hackfrüchte.
Fruchtart |
Anbaufläche in ha |
Ertrag in dt/ha | |||
|
2005 |
2005 |
2004 |
2003 |
2000-2004 |
Kartoffeln gesamt |
11.640 |
376,8 |
385,3 |
266,7 |
305,2 |
davon: |
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|
|
|
|
Frühkartoffeln |
133 |
312,3 |
332,7 |
254,1 |
261,5 |
Mittelfrühe und späte Kartoffeln |
11.507 |
377,5 |
386,1 |
266,8 |
305,6 |
Zuckerrüben |
9.638 |
518,4 |
531,6 |
415,9 |
483,8 |
Hackfrüchte gesamt |
21.455 |
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Quelle: MLUV, Brandenburg
Das Hauptproduktionsverfahren des Kartoffelanbaus bleibt der Vertragsanbau von Industriekartoffeln. Ein Viertel der brandenburgischen Produktion sind Speisekartoffeln.
In diesem Jahr soll vermehrt für die traditionelle Knolle geworben werden. Der Agrarmarketing Verband pro agro wird gemeinsam mit regionalen Einrichtungen und Verbänden Veranstaltungen wie den uckermärkischen Nudelmarkt im Oktober durchführen. Im letzten Jahr hatte sich der Tourismusverband Fläming zur Stärkung der Kartoffelvermarktung in Berlin vorgestellt. Mit einer Kulinarischen Kartoffeltour präsentiert sich der Fläming als „Spezialitätenregion rund um die Kartoffel.
VLE