EEG-Reform in Raten
Handel
Brüssel wird im neuen EEG-Gesetz nachgearbeitet
Trotz offener Fragen aus Brüssel hat das Bundeskabinett am Dienstag wie geplant den Gesetzentwurf zur Reform des EEG verabschiedet. Heute erst wird Brüssel endgültig seine neuen Beihilferegelungen vorstellen. Solange darf Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel noch selbst verkünden, dass etwa 400 Betriebe weniger in den Genuss der EEG-Umlagebefreiung kommen und dass möglicherweise eine Rückzahlung unberechtigter Befreiung vom Tisch ist.
Mehr Markt
Die Ausgangslage ist unverändert. Ein Neustart der Energiewende sei „dringend und bitter nötig“, weil „das System der Stromversorgung instabiler geworden ist“, sagte Gabriel nach der Kabinettssitzung. Die Energiewende sei zu einer Synchronisationsaufgabe geworden. Das betreffe den Netzausbau, einem neuem Strommarktdesign und die europäische Einbindung. Das EEG habe seine exzellente Technologieförderbarkeit unter Beweis gestellt und müsse jetzt für eine Systemumstellung umgebaut werden. Mehr Markt ist das Ziel für die Energiewende. Das Jahr 2017 ist einer der Meilensteine, wenn die Anlagen für neue Energien öffentlich ausgeschrieben werden sollen.
Ein bisschen Umlage
Gabriel wehrte sich vor allem gegen den Vorwurf, ein Gesetz auf Druck der Industrielobby zu machen. Von den rund 45.000 Firmen in Deutschland seinen lediglich 2.000 privilegiert. Jetzt sollen es nur noch 1.600 werden, die nach Brüsseler Vorgaben ihre Bedürftigkeit nachweisen müssen. Was in den 1980er Jahren die Diskussion um die hohen Personalkosten war, sei heute eine Diskussion um hohen Rohstoff- und Energiekosten geworden. Parameter für die Befreiung soll die genutzte Stromintensität im Verhältnis zur Bruttowertschöpfung sein. Wer sehr viel Strom verbraucht und im internationalen Wettbewerb steht, der soll künftig zwischen 0,5 und vier Prozent seiner Bruttowertschöpfung für die EEG-Umlage bezahlen. Ein Deckel wird eingerichtet. Die Firmen, die aus der Befreiung herausfallen, sollen eine Übergangsregelung bis 2017 erhalten und nicht mehr als 20 Prozent der fälligen EEG-Umlage bezahlen.
Aufgaben
In den nächsten Monaten will die Bundesregierung Details ausarbeiten. Strommarktdesign, Ausschreibungsverfahren, Erdverkabelung gegen bayerische Trassenwiderstände und Unterseekabel nach Norwegen und Schweden zu den Pumpspeicherwerken sowie Phasenschieber zu Polen, um deren Netze nicht mit überflüssigem Strom zu belasten. Das alles steht auf der nächsten Agenda.
Kritische Reaktionen
Der Aufgabe Gabriels, die Stromkosten mit einer Neuaufstellung der Energiewende zu senken, hält ein breites Bündnis aus dem arrhenius Institut für Energie- und Klimapolitik, Germanwatch und der Allianz Climate Solutions GmbH gleich eine ganze Studie entgegen. Sie wurde pünkltich zur Kabinettssitzung veröffentlicht. Wer auf sinkende Stromkosten setzen will, der müsse die Energiewende konsequent umsetzen und konventionelle Energieträger zurückfahren. Verglichen wurden zwei Alternativen bis 2050: Einmal ein Ausbau der erneuerbaren Energien auf einen Anteil von 80 Prozent, zum anderen mehr als 50 Prozent fossile Energie. Unterstellt wurde, dass die europäischen Klimaschutzziele eingehalten werden. Dabei zeigt sich, dass die Umstellung der Energieversorgung nicht teurer und im Regelfall sogar günstiger ist als ein Verharren auf hohem fossilem Niveau. Konventionelle Kraftwerke wären nur günstiger, wenn fossile Brennstoffe und die Kosten für Kohlendioxid gering blieben [1].
Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht weiterhin deutlichen Korrekturbedarf bei der ausstehenden Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Die von den Ländern erreichten Verbesserungen, insbesondere bei der Flexibilisierung von Biogasanlagen und beim Bestandsschutz für Vergütungen von Altanlagen, werden begrüßt. Diese Nachbesserungen blieben aber weit hinter dem umwelt- und klimapolitisch Sinnvollen zurück. Der DBV fordert im parlamentarischen Verfahren weitere Verbesserungen. Dazu gehöre insbesondere die Weiterentwicklung der Vergütungsstruktur für Biogasanlagen mit überwiegendem Einsatz von Gülle, Mist und anderen landwirtschaftlichen Reststoffen. Ein Förderangebot allein in Form einer 75-kW-Klasse reiche nicht aus, so der DBV. Eine weitere wichtige Forderung des Bauernverbandes sei die Gewährung angemessener Übergangsfristen bis Ende 2015 für im Bau bzw. in Planung befindliche Projekte.
Erfolge verzeichnet Prof. Dr. Hubert Weiger, Präsident des BUND. Proteste hätten die Bedingungen für die Windenergie doch noch verbessert. Aber grundsätzlich sei der Ausbau der neuen Energien eingeschränkt. Es bleibe weiterhin offen, ob sich eine dezentrale Energieversorgung durchsetze oder die bisherigen zentralistischen Strukturen erhalten bleiben. Weiger hatte bereits am Montag im Rahmen einer Studie auf die Gefährdung der Bürgerenergiemodelle hingewiesen, die beim Ausschreibungsverfahren die Verlierer wären.
Die Industrie- und Wissenschaftsinitiative performing energy hat dem Bundesumweltministerium am Dienstag ein Konzeptpapier für eine nachhaltige Wasserstoffwirtschaft übergeben. Das aktuelle EEG behindere die Integration der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität, erklärte Werner Diwald, Sprecher der Initiative. Wasserstoff könne einfach und effektiv aus erneuerbaren Energien gewonnen werden. Er speichere nicht nur die Energie, sondern kann auch die Mobilität auf neue Fundamente stellen. Katharina Reiche, Staatssekretärin im Bundesumweltministerin, zeigte sich nicht nur wegen der Technologie beeindruckt, sondern auch für die Bereitschaft der Industrie, rund zwei Milliarden Euro für die Marktaktivierung der Wasserstoffwirtschaft zu stellen.
Nicht nur Gabriel, sondern auch die EU-Kommission kommt bei der Deutschen Umwelthilfe schlecht weg. Die neue Beihilferegelung belaste stärker die nicht-privilegierten Verbraucher und privaten Haushalte. Auch die EU will die Ausschreibung von neuen Anlagen und damit die Beteiligung der Bürger kürzen. Lediglich unterhalb einer Bagatellgrenze [500 kW; roRo] könnten Bürger noch mitwirken. „Die Kommission versucht auf diese Weise, das Geschäft mit den Erneuerbaren ausschließlich den großen Unternehmen vorzubehalten. Damit gefährdet sie jedoch nicht nur die lokale Akzeptanz, sondern auch die Energiewende insgesamt. Vielleicht ist das so beabsichtigt“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. Gabriel soll bei seiner Klage gegen die neue Beihilferegelung bleiben.
Die Solarwirtschaft übt scharfe Kritik an den Reformvorschlägen. Die Neufassung konterkariere die Klimaschutzziele, weil ein Großteil künftiger Betreiber von Solarstrom finanziell mit der EEG-Umlage belastet werden soll, während relevante Teile der Industrie weitgehend von den Kosten der Energiewende befreit werden, selbst wenn sie klimaschädlichen Kohlestrom verbrauchen. Carsten König, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft spricht dem Gesetz seine Klimawirkung ab: „Klimasünder werden großzügig entlastet, Klimaschützer hingegen zur Kasse gebeten.“ Die Absenkung der Fördersätze für die Solaranlagen habe dazu geführt, dass sie sich meist nur noch für den Eigenbedarf lohnen.
Der Biogasrat sprach von einem für die Bioenergiebranche „verheerenden“ Gesetzesentwurf. Die Bundesregierung setzt mit diesem Beschluss die Energiewende in den Sand und wird ihrer Verantwortung für das Energiesystem nicht ansatzweise gerecht", so das Fazit von Geschäftsführer Reinhard Schultz. „Biomethan und Biogas liefern grüne Energie und stehen als regenerative Backup-Lösung für fluktuierende Erneuerbare bereit.“ Vor allem Biomethan substituiert Erdgas. Schultz hofft auf Nachbesserungen im Parlamentarischen Prozess.
Eveline Lemke, Wirtschaftsministerin in Rheinland-Pfalz kommentiert: „Das EEG macht kluges Wirtschaften und unsere Anstrengungen für den Klimaschutz viel schwieriger. Künftig werden klein- und mittelständische Unternehmen in Rheinland-Pfalz und selbst Mieter bei selbst erzeugtem Strom zur Kasse gebeten. Es ist innovationsfeindlich, dass Industrie und Mittelstand 50 Prozent der Ökostromumlage auch bei ökologisch sinnvoll erzeugtem Strom zahlen sollen. Das wird in unserem Bundesland dazu führen, dass demnächst keine neuen Eigenstromanlagen gebaut werden und in der Folge für diese Unternehmen die Produktionskosten steigen, weil ihr Strom teurer wird. Auch Mietern wird der Zugang zur Energiewende verwehrt. Durch die hohe Eigenstrombelastung werden Solaranlagen auf Dächern von Mehrfamilienhäusern nämlich unwirtschaftlich.“
Für Stephan Kohler, Vorsitzender der Deutschen Energie-Agentur dena, kann das Gesetz die bestehenden Problem nicht lösen: „Mit der Umsetzung der Energiewende sind die CO2-Emissionen angestiegen und nicht gesunken, wie es eigentlich geplant war. Auch die Versorgungssicherheit hat sich nicht erhöht, sondern abgenommen. Die Strompreise sind gestiegen und werden systembedingt weiter steigen. Die notwendige Netzinfrastruktur wurde bisher nicht realisiert, was zu einer volkswirtschaftlich unsinnigen Situation führt: Der Ausbau der Windenergie im Norden wird weiter forciert. Der Strom kann aufgrund der fehlenden Netze nicht in den Süden transportiert werden, weshalb die Windenergieanlagen oft abgeregelt, aber dennoch bezahlt werden müssen. Gleichzeitig werden im Süden häufig alte Kraftwerke als sogenannte Redispatchanlagen betrieben und bezahlt, um kurzfristig auftretende Engpässe zu vermeiden oder zu beseitigen und um den Stromhandel abwickeln zu können.“
Franz Untersteller, Umweltminister in Baden-Württemberg wirft der Bundesregierung Bruch der Vereinbarungen mit den Ländern aus der letzten Woche vor. Dass die Gesprächsergebnisse eine so kurze Haltbarkeit gehabt hätten, bezeichnete Untersteller als enttäuschend. Gewerbe, Handel, Dienstleistungen [GHD; roRo] sowie private Verbraucher würden gegenüber der Industrie benachteiligt: „Stattdessen würde die Eigenverbrauchsbelastung in Höhe von 50 Prozent der EEG-Umlage den Eigenverbrauch von Handwerkern, Gewerbetreibenden und Privatleuten schlicht unrentabel machen. Das bedrohe in der Konsequenz Arbeitsplätze in der Erneuerbaren-Branche und die Existenz von Unternehmen. Die nur 15 Prozent Umlagenbeteiligung für die Industrie dagegen fielen deutlich zu niedrig aus, um einen spürbaren Beitrag zur gerechten Kostenverteilung bei der Energiewende zu leisten und vielleicht sogar für Entlastung beim Strompreis zu sorgen.“ Beim Energiegipfel seien Bund und Länder einig gewesen, die Differenzierung zwischen Industrie und GHD und Privatkunden aufzuheben und zwischen erneuerbarer und konventioneller Stromerzeugung einzuführen. Untersteller wirft Gabriel Absicht vor.
Kritik ganz anderer Art zeigten die ostdeutschen Ministerpräsidenten. Die Leipziger Volkszeitung von heute berichtet von einem Brief an die Kanzlerin, in dem sich Stanislaw Tillich (CDU, Sachsen), Reiner Haseloff (CDU, Sachsen-Anhalt), Dietmar Woidke (SPD, Brandenburg) und Christine Lieberknecht (CDU, Thüringen) sich gegen die Benachteiligung der Braunkohle - entgegen aller Absprachen - wehren. Sie fürchten, dass nur die Steinkohle Privilegien bei der EEG-Umlage bekommt und die Braunkohle im internationalen Wettbewerb schlechter stellt. Nur günstige Braunkohle könne die Strompreise dämpfen.
Positive Stimmen
„Der erste Schritt zum Paradigmenwechsel ist geschafft. Der Reformwille, den die Bundesregierung bei der EEG-Reform gezeigt hat, ist erfreulich“, sagte Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU). Der Wechsel zur Direktvermarktung und eine Auktionierung ab 2017 sei der richtige Weg, den der VKU schon länger forderte. Der Ausbau der neuen Energien könne jetzt besser geplant werden. Deshalb wäre ein Wegfall der Bagatellgrenzen bei der Direktvermarktung auch noch wünschenswert gewesen. Um den Vertrauensschutz zu gewährleisten, sollten alle angefangenen Projekte noch zu Ende geführt werden dürfen.
Die Wirtschaftsvereinigung Metalle zieht ebenfalls ein positives Fazit. Der Gesetzentwurf sei ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die von der EU-Kommission durchgesetzte Regelung, dass Unternehmen mit hoher internationaler Wettbewerbsintensität künftig 15 Prozent der EEG-Umlage zahlen müssen, ist „ein beträchtlicher Finanzierungsbeitrag seitens der Industrie“, erklärte Präsident Oliver Bell. „Die von der EU-Kommission aufgestellte Liste von insgesamt 65 Branchen, für die eine volle EEG-Umlage existenzgefährdend wäre, zeigt klar, wie problematisch einseitige Belastungen für den Export- und Industriestandort Europa sind“. Die in Brüssel von Wirtschaftsminister Gabriel ausgehandelten Schwellenwerte stellten nach Angabe des Verbandes einen „beträchtigen Finanzierungsbeitrag“ dar.
Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg über die Bedeutung der Kompromisse: „„Die Industrie war und ist ein entscheidender Wachstumsgarant. Aufgrund seiner industriellen Stärke steht Deutschland heute wirtschaftlich besser da als viele andere Länder in Europa. Deshalb dürfen wir die im internationalen Wettbewerb stehende energieintensive Industrie nicht weiter belasten. Mit dem heutigen Kompromiss werden diese Unternehmen auch zukünftig von den Steigerungen der EEG-Kosten entlastet und industrielle Arbeitsplätze in Deutschland und der Region dauerhaft gesichert.“
„Mit der verpflichtenden Direktvermarktung für erneuerbare Energien wird der längst überfällige Weg in Richtung Markt geebnet. Zudem ist es ein Erfolg, dass die Industrie beim Thema Eigenverbrauch nicht zusätzlich belastet werden soll“, kommentierte Kurt Lauk, Präsident des CDU-Wirtschaftsrates. Es fehle nur an der langfristigen Planungssicherheit, denn der Entwurf bleibe ein Kompromiss, der „die schleichende Deinvestition nicht aufhalten wird.“
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt freut sich, dass die Biomasse ihren Teil zur Energiewende beitragen wird: „Ohne nachhaltig erzeugte Biomasse ist die Energiewende nicht machbar. Wer nicht von russischem Erdgas abhängig sein möchte, kann auf nachhaltig erzeugte Bioenergie nicht verzichten“. Der Luftreinhaltebonus sichert den Bestandsschutz und der Ausbaupfad von 100 MW gelte nur für Neuanlagen. Bestehende dürfen erweitert und flexibilisiert werden. Biomasse stellt rund zwei Drittel der neuen Energien und fördert den ländlichen Raum.
Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) begrüßt die Entlastungen für die Industrie als Verhandlungserfolg gegenüber Brüssel. Das komme der Milch-, Fleisch- und Futterwirtschaft zugute. Doch ganz zufrieden ist DRV-Präsident Manfred Nüssel noch nicht. Er hat EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia angeschrieben, eine unmittelbare Entlastung dieser Branchen einzurichten. Die EU sollte daher die Branchenzuordnung überprüfen.
Lesestoff:
Den Gesetzentwurf finden Sie beim www.bmwi.de
Kritik an der Energiewende hat am Montag Gerd Rosenkranz in seiner Version der „Energiewende 2.0“ beschrieben:
[1] Studie: Energiewende senkt Kosten künftiger Stromerzeugung: http://germanwatch.org/de/8444
Roland Krieg; VLE