„En god smag i munden“

Handel

Sind die Dänen die besseren Ökokunden?

>107 Euro geben die Dänen pro Jahr im Durchschnitt für Ökoprodukte aus. Fast doppelt so viel wie die Deutschen. Aber auch in Dänemark gibt es Discountkonsumenten und Bioskeptiker, die jeweils 15 Prozent der Kundenlandschaft ausmachen, so Henrik Hindborg, Verkaufsleiter von Organic Denmark. Woran also liegt es, dass Öko so erfolgreich ist? Sind die Dänen bessere Ökokunden?

Oekosiegel DaenemarkDauerhafte Marktdurchdringung
Das dänische Ökosiegel folgt im Wesentlichen den EU-Standards, ist in einigen Teilen strenger formuliert und wurde bereits 1987 eingeführt. Das Zeichen der roten Krone kennen über 90 Prozent der Dänen und bringen ihm auch einen deutlichen Vertrauensbonus entgegen. Das liegt daran, dass der Staat die Kontrolle übernimmt und die Produkte auch ohne Zusatzzertifizierungen auf dem amerikanischen Markt akzeptiert werden.
Auch der dänische Biomarkt hat klein und mit Basisartikeln wie Milch, Müsli und Kartoffeln angefangen. Er stagnierte zwischen 2000 und 2005 auf einem Niveau von 3,5 Prozent Marktanteil, hat sich seitdem jedoch vor allem durch die Genusskundschaft einen Anteil von 6,5 Prozent erobert. In den letzten 12 Monaten sind 54 Prozent mehr Produkte in den Handel gekommen, so Paul Holmbeck von Organic Denmark. Heute gibt es Bio-Cider, Bio-Bier, Covenience Kartoffelsuppe und probiotischen Joghurt im Regal.
Das breite Angebot ist nicht das das einzige Geheimnis hinter dem dänischen Erfolg. Ein weiteres ist die effektive Marktdurchdringung. Zwar galten auch in Dänemark die ersten Ökopioniere als landwirtschaftlich aktive Romantiker, doch dieses Image hat sich in den letzten 20 Jahren gewandelt. In dem Verein Organic Denmark sind 900 Betriebe, 100 Verarbeiter und 3.400 Kunden organisiert und ziehen vor allem gemeinsam am gleichen Strang. 86 Prozent der Ökoprodukte werden über den konventionellen Handel vertrieben. Auch die dänische Handelslandschaft ruht auf mehreren Schultern vom Discount bis zum Fachgeschäft. Den Markt teilen sich die Danish Supermarket Group, Reitan, Supergroup und Coop. Letztere besitzt einen Marktanteil von 37 Prozent und beschäftigt mehr als 27.000 Mitarbeiter, beschreibt Katrine Milman, Umweltmanagerin von Coop. Den 1,6 Millionen Mitgliedern gehören so unterschiedliche Firmen wie die dörfliche Dagli Brungsen, die einem Ökoanteil von vier Prozent im Sortiment hat, bis zum Kopenhagener Spezialitätenladen Irma, der mit seinem Bioanteil von 25 Prozent derzeit in das Umland expandiert. Zu Coop gehört auch der Hypermarkt Kvickly.
Alle Geschäftsformen bedienen ihre Klientel und Hindborg arbeitet mit allen Geschäftsformen vom Discount bis zum Feinkostgeschäft ohne Berührungsängste zusammen. Oragnic Denmark passt seine Verkaufsstrategie sogar den Kundenwünschen an. So erreicht die dänische Ökobranche eine intensive Marktdurchdringung und egal in welchem Geschäft die Dänen einkaufen, sie finden dort ein vergleichbares Sortiment.

Ein gesamtgesellschaftliches Erlebnis
Weil alle an gleichen Strang ziehen, wurde vor drei Wochen erstmals ein Ökomagazin an alle Haushalte verteilt. Wenn im Frühjahr die Kühe wieder auf die Weide können, öffnen alle Ökomilchbetriebe am gleichen Tag die Tore und zwei Prozent aller Dänen stehen an den Wegrändern und feiern diesen Tag.
Irma veranstaltet einmal im Jahr eine Ökowoche und versucht jährlich einen neuen „Weltrekord“ beim Verkauf an Biowaren zu erreichen. Aktuell liegt die Messlatte bei 45 Prozent Anteil von allen verkauften Waren, so Milman.

Harte Arbeit und persönliches Engagement
Erfolg lässt sich auch knapp beschreiben: Die maximale Preisdifferenz zu konventioneller Ware beträgt 20 Prozent; weil es nur ein Label gibt, gibt es keinen Wettbewerb zwischen guten, schlechten und besseren Siegeln; die Produktentwicklung wird kontinuierlich vorangetrieben und Organic Denmark arbeitet mit den Kunden permanente, individuelle Marketingaktionen aus. „Ein guter Geschmack in aller Munde“ (En god smag i munden) ist ein Beispiel.
Coop schickt ein bis zwei Mitarbeiter pro Filiale auf einen Lehrgang, um gegenüber den Kollegen und den Kunden auskunftssicher zu sein. Der neueste Clou: Jedes Geschäft ernennt einen „Grünen Agenten“, der als permanenter Ansprechpartner Verantwortung zeigt. Zudem organisiert Coop auch Betriebsbesuche, damit die grünen Agenten auf dem aktuellen Stand bleiben.

OekokaesePolitik ist Marketing
Stimmen müssen aber auch die äußeren Rahmenbedingungen. Das wichtigste ist ein qualitativer Dialog zwischen Politik und Nichtregierungsverbänden, sagt Paul Holmbach. Die Dänen haben sich die Frage gestellt, was der Ökobereich für das Land tun kann und fördern derzeit den gesamten grünen Bereich. Der Ökolandbau hat einen festen Stellenwert in der Umweltpolitik und bei der Förderung des ländlichen Raums. Die Förderungen richten sich auch an die kleinsten Bauern und verarbeitenden Unternehmen und sorgen dafür, dass auch sie ihren Platz in den Regalen haben. Gibt es Verstöße, wird das sofort transparent gemacht und das Vertrauen wieder hergestellt. Haben die Bauern eine Verbesserungsidee, nehme das die Forschung auf und überprüft sie. „Graswurzelforschung“ nennt Holmbeck das.
Morten Lautrup-Larsen aus dem Landwirtschaftsministerium beschreibt die Allseitigkeit der politischen Unterstützung. Werde nur der Konsum gefördert, vernachlässige man die Bauern, fördere man nur die Bauern, vergesse man den Absatz. So organisiert Organic Denmark auch Auslandsmessen. Im letzten Jahr gab es dänische Wochen bei tegut in Deutschland, in Schweden gibt es „Minimessen“.
Die dänischen Geschäfte haben alle im Eingangsbereich eine Ökoecke und wer grüne Produkte herstellt wird steuerlich begünstigt. Wer Pflanzenschutzmittel verwendet, muss eine Extragebühr bezahlen.
So ist in Dänemark über einen langen Zeitraum eine gemeinsame Kultur entstanden, die ausreichend Patz für Individualisten bietet. Im Land der Wikinger tragen die konventionellen und Ökobauern keine Grabenkämpfe aus. Offensichtlich finden die Ökobauern ihr Auskommen genauso wie die die exportorientierte Arla-Molkerei. Organic Denmark ist erfolgreich, so Holmbeck, weil es klare Strukturen gibt, die auch gemeinsam kommuniziert werden.

Lesestoff:
www.organicdenmark.com

Roland Krieg

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