"Endstation Ladentheke"

Handel

Die Rolle des LEH im internationalen Handel

Die Anstellung ist auf zwei bis drei Monate begrenzt, die Frauen verdienen rund 75 Cent in der Stunde, sind Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt, die wie Paraquat in Europa verboten sind und arbeiten jeden Tag 12 Stunden auf der Ananasplantage.
Was sich wie Berichte aus den 1980er Jahren anhört, gibt es heute immer noch. Aber, so Marita Wiggerthale, heute sind es nicht mehr nur die multinationalen Konzerne, die für schlechte Arbeitsbedingungen verantwortlich zeichnen. Im Bananenlager von Dole in Ecuador fragen sich die Händler morgens: „Wie steht der Aldi-Preis?“
Marita Wiggerthale ist Agrarreferentin bei Oxfam und stellte gestern in Berlin ihre neue Studie über die Macht des Einzelhandels entlang der Wertschöpfungskette bei Ananas und Bananen vor. Heute übt der Lebensmitteleinzelhandel über die Multinationalen Konzerne durch Marktkonzentration eine vergleichbare Macht und Druck auf die Kleinbauern und Plantagenarbeiter aus.

Kampf um den Zehntelkunden
Auf der Grünen Woche sprach Herd-und-Hof.de mit Rewe über die steigende Marktkonzentration im Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Die Regale sind voll, die Floprate innovativer Produkte ist hoch und der Kampf um den Kunden bleibt scharf und preisgetrieben. Es sind nur noch fünf Konzerne, die 73 Prozent des Lebensmittelhandels ausmachen.
Das Bundeskartellamt stoppte vor knapp zwei Wochen die Plus-Übernahme von Edeka, weil die neue Gruppe den Markt beherrschen würde, so die Behörde. Ein Zusammenschluss würde die Marktkonzentration bei der Warenbeschaffung verschärfen, die Lieferanten in größere Abhängigkeiten stellen. Bis zum 17. April haben Edeka und Tengelmann Zeit für eine Stellungnahme.
Bezogen auf diese Ereignisse führt Wiggerthale an, dass das Bundeskartellamt im Sinne der deutschen Kunden handelt – ihre Studie jedoch zeigt, dass es international ebenfalls Korrekturen bedarf, denn die Lebensmitteleinzelhändler „sind das Nadelöhr, über das die Händler an den Kunden kommen.“ Die Rolle des Lebensmitteleinzelhandels werde immer wichtiger, denn er „hat das Ruder in der Hand und bestimmt die Bedingungen.“

Ware selbst bezuschussen
Händler müssen nicht nur Listengelder zahlen, dass ihre Ware überhaupt in die Regale kommt. Sie zahlen Zuschüsse bei Geschäftsneueröffnungen, Anteile an mildtätigen Spenden des Konzerns und bezahlen noch etwas extra, wenn ihre Produkte an exponierter Stelle platziert werden sollen. Die Importeure haben wenig Lieferalternativen – genauso wie die Bauern in Costa Rica und Ecuador.
Die beiden Länder könnten mit Mindestlöhnen und Sozialstandards dem Beginn der Wertschöpfungskette einen besseren Start geben. Aber die Regierungen sind zu schwach, es durchzusetzen. In Costa Rica haben die Ananashändler mit „Solidarismo“ eine „Alibi-Gewerkschaft“ aufgebaut, die eine unabhängige Vertretung unterbindet, so Wiggerthale. Instrumente auf den Bananenplantagen in den 1980er Jahren.
Es mache auch keinen Unterschied, wenn der Verbraucher in Deutschland zu teurerer Ware greift. Ob für Edeka oder Netto: Der Händler bekommt immer den gleichen Preis.

Forderungen von Oxfam
Die Forderungen von Oxfam sind vielfältig. Sie richten sich an das Bundeskartellamt, dass den Machtmissbrauch auf internationaler Ebene berücksichtigen soll. Die Bundesregierung soll für verbindliche, internationale Regeln sorgen, der Lebensmittelhandel seine Einkaufspraktiken selbst verbessern und Verbraucher sollen auf fair gehandelte Produkte zurückgreifen.
Die untersuchten Ananass und Bananen stammen aus dem konventionellen Handel. Bei Bio-Bananen zeigt sich jedoch, dass durch den Einstieg der Discounter in den letzten Jahren auch ein Preiswettbewerb nach unten weiter gegeben wird. Auch Bio soll so günstig wie möglich verkauft werden. Da wird es für Verbraucher schwer, sich richtig zu entscheiden, denn, so die Studie, nur 20 Prozent der Bio-Bananen sind auch fair gehandelt. Und: sollen fair gehandelte Produkte bei Lidl gekauft werden, wo Mitarbeiter überwacht wurden und Gewerkschaften auch keinen Zutritt haben? Diese Antwort nimmt die Studie dem Konsumenten nicht ab.

Lesestoff:
Die Studie „Endstation Ladentheke. Einzelhandel – Macht – Einkauf“ ist bei Oxfam zum Herunterladen eingestellt: www.oxfam.de Downloadbereich.
Marita Wiggerthale hatte im letzten Jahr zum Welternährungstag die Studie über Strukturschäden in Entwicklungsländern durch Supermarktketten herausgebracht.

Roland Krieg

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