Energiewende europäisieren
Handel
Bundestag debattiert über Energiewende
Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, die Energiewende europäisch zu verankern [1], setzt voraus, dass die Energiewende in Deutschland funktioniert. Daran hegten die Oppositionsparteien rege Zweifel, wie die Debatte im Bundestag am Donnerstag zeigte.
Der Temperaturrekord am 09. März mit 24 Grad Celsius in der Winterzeit sowie Überlegungen, welche Ortschaften in England und Irland an der Küste noch gehalten werden können, sind für Dr. Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) Signale, dass der Klimawandel längst begonnen hat. Nur ein ehrgeiziges Europa könne mit validen Zielen die weltweite Klimakonferenz 2015 in Paris zu einem Erfolg bringen. Dazu brauche es eine Festschreibung der Klimaziele für 2030 und die Wiederbelebung des Emissionshandels. Die Bundesregierung habe aber aus Ausnahmefällen für die EEG-Umlage eine Regel gemacht. Dabei braucht ein Windrad mehr Stahl als 500 Automobile, was für Hofreiter ein Zeichen ist, das „alte Industrien und neue Energien“ zusammen passen. Die Rechnungen für fossile Energien auf europäischer Ebene mit 500 und auf nationaler Ebene mit 35 Milliarden Euro sollten die Umsetzung der Energiewende eher beschleunigen.
Vorschläge wie der Ausbau der neuen Energien auf 55 Prozent bis zum Jahr 2030 hält Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) für „weltfremd und nicht erreichbar“. Auch wenn die Chinesen mittlerweile 15 GW Windkraft nutzen, erhöhten sie dennoch durch den parallelen Ausbau von Kohlekraftwerken weiterhin die Emissionen. Ein ehrgeiziger, aber alleiniger Plan bringe weltweit nichts, so Pfeiffer. Zu ehrgeizige Ziele verdrängten die energieintensive Industrie und deren Emissionen ins Ausland.
Kritik gibt es auch von Wolfgang Tiefensee (SPD): „Wir wollen den Erfolg der Energiewende in Deutschland, in Europa und international“. Aber der Antrag beachte nicht die unterschiedlichen Ausgangssituationen der einzelnen Mitgliedsländer, nehme den eigenen kritischen Blick auf Erfolge und Irrtümer nicht wahr und fordere nicht, dass die EU einen gemeinsamen Rahmen für die Energiepolitik brauche.
Solange Deutschland seinen Weg in der Reform der Energiewende nicht gefunden hat, solange bleibt die Stimme in Brüssel unscharf. Dort tagt noch heute der Energierat. Eva Bulling-Schröter (Die Linke) fordert ein „nationales Kohleausstiegsgesetz“, Alexander Ulrich (Die Linke) fordert den Ausstieg aus Euratom. Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) forderte bereits zu Wochenbeginn eine Energiepartnerschaft mit Polen. Nicht nur, damit die Nachbarn keine Kernkraftwerke bauen, sondern auch den Ausstieg aus der Kohlewirtschaft finden.
Strittig ist, wie Deutschland im internationalen Vergleich dasteht. Die neueste Statistik von Eurostat weist Deutschland beim Ausbau der neuen Energien einen Platz im unteren europäischen Mittelfeld zu [2]. Thomas Bareiß (CDU/CSU) hingegen wähnt Deutschland beim Klimaschutz an der Weltspitze.
Strittig ist auch der Paradigmenwechsel von der Einspeisevergütung zu einem von der Opposition kritisierten Ausschreibungsmodell. Tiefensee verweist auf die Pilotmodelle und will erst die Auswertungen abwarten. Karl Holmeier (CDU/CSU) sieht mit diesem Modell die Energiewende auf den richtigen Weg. „Die marktwirtschaftliche Ausgestaltung des EEG macht es auch europakonform“, ergänzte Dr. Herlind Gundelach (CDU/CSU).
Zu viel Wirtschaft habe jedoch in der Vergangenheit durch die FDP eine Bremse für ehrgeizige Ziele in Brüssel werden lassen. Frank Schwabe (SPD) hingegen sieht derzeit eine „neue Harmonie“ zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium. Deutschland werde nach wie vor in Europa als progressiver Vertreter für die Klimapolitik wahrgenommen. Um den Emissionshandel zu stärken müssten sogar mehr Zertifikate herausgenommen werden. Wer diesen nicht wollte, werde sich auf nationaler Ebene mit anderen Lenkungsinstrumenten wie eine CO2-Besteuerung oder einem Mindestpreis für Kohlendioxid auseinander setzen müssen. Schwabe will auch die Wettbewerbsfähigkeit nicht als Begründung für schwächere Klimaziele gelten lassen. In den USA und auch in China wird an der Klimapolitik gearbeitet und verändern sich die Wettbewerbsbedingungen.
Trotz zahlreicher Kritik wurde der Antrag nicht abgelehnt, sondern in die Ausschüsse für Wirtschaft, Umwelt und für europäische Angelegenheiten überwiesen.
Lesestoff:
[1] EU bereitet sich auf die Klimaziele 2030 vor
[2] Anteil erneuerbare Energien nach Mitgliedsland
Roland Krieg