Entwicklungszusammenarbeit (auch) in Afrika

Handel

Bundestag zur Afrikapolitik und Entwicklungsfinanzierung

Es klang ein wenig wie die Auslosung zur nächsten Afrikameisterschaft: Sambia, Kamerun, Kenia, Mosambik, Mali und Namibia. Trotz Mahnung des Entwicklungsministers Dr. Gerd Müller folgte in der Aussprache des Bundestags zur Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika am Donnerstag die Aufrechnung von positiven mit negativen Beispielen aus verschiedenen Ländern. Es wird nicht gelingen, eine einheitliche Entwicklungszusammenarbeit mit einem Kontinent zu gestalten, der hundert Mal größer als Deutschland ist, aus 54 Ländern besteht und auf dem mehr als 3.000 Sprachen gesprochen werden.

So hat Niema Movassat (Die Linke) Recht, wenn eine Bilanz nüchtern ist; wenn nach Jahrzehnten internationaler Hilfe noch immer 20 Prozent der Gesamtbevölkerung hungern, 30 Prozent der Kinder mangelernährt sind und die Hälfte der Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben. Kreditbedingungen der Weltbank, mehr Rosen für Europa anzubauen, klingt im Bundestag schrecklich – aber die Ausgestaltung dieses Marktsegmentes für den fairen Handel hat gezeigt, dass dieser in Ostafrika „die Spielregeln“ für Arbeitsrechte positiv verändert hat [1].

Auf die Heterogenität des Kontinents hat Sybille Pfeiffer (CDU) hingewiesen. Korruption wollten auch die Afrikaner nicht. Es gehe darum, Positives zu unterstützen. Ihr fehle ein konkreter Alternativvorschlag, wenn die Opposition auf Kamerun zeigt, das sich in den 1980er Jahren noch gut entwickelte, aber heute, so Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Die Grünen) trotz Wachstum im Drogen- und Waffenhandel versinke. Pfeiffer setzt auf die Sustainable Development Goals (SDG), die Ende des Jahres in New York für alle Länder verbindlich abgestimmt werden. „Dann schauen wir mal, was dabei herauskommt.“

Hohe Arbeitslosigkeit, zwei Drittel der Menschen ohne verlässliche Stromversorgung und ein enormes Bevölkerungswachstum stellen Afrika vor großen Herausforderungen, sagte Dr. Müller. Deutschland versagt nicht mehr als andere Länder. So habe die Bundesregierung nach Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) auf dem G7-Gipfel verpasst, die „Vorfahrt der G7-Länder“ für afrikanische Rohstoffe zu beenden. Für die UN-Finanzierungstagung in Addis Abeba sei das kein gutes Omen. Roth fehlt in der gesamten Bundesregierung die Kohärenz aller Ressorts für eine Wende in der Entwicklungshilfe. Dr. Müller empfehle sich als „Minister des guten Gewissens, während der Rest des Kabinetts etwas anderes macht.“

Ein Knackpunkt ist das 45 Jahre alte Versprechen, 0,7 Prozent des Nationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Roth will von dieser Quote nicht durch Gegenrechnen von privatem Kapital abweichen. Zuletzt haben Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) und Hans-Joachim Fuchtel (CDU), Staatsekretäre im Umwelt- und Entwicklungsministerium, die Zusammenlegung von Klima- und Entwicklungsgeldern bekannt gegeben [2]. Die Sozialdemokratie steht nicht einmütig hinter diesem Konzept. Gabi Weber forderte ein zügiges anheben der Quote auf 0,7 Prozent „durch frisches Geld und nicht durch Umwidmung von Klimamitteln.“

Die Afrikapolitik wird am Ende global, wie die Gültigkeit der SDG, bestimmt werden müssen. Die Ausgestaltung des fairen Handels ist nach wie vor die Domäne der Welthandelsorganisation WTO. Doch ausgerechnet die als Entwicklungsrunde ausgezeichnete Doha-Runde stolpert von einer Barriere zur nächsten und droht von bilateralen Freihandelsabkommen ausgehebelt zu werden. Seit dem G7-Treffen hat WTO-Generaldirektor Roberto Azevedo mehrere Treffen abgehalten und erst am Mittwoch eine Zwischenbilanz gezogen. „Es sind kaum Fortschritte zu erkennen. Es gibt nach wie vor keine gemeinsame Positionen bei strittigen Verhandlungspunkten.“ Wie bei der Landwirtschaft. Im Dezember findet in Nairobi das nächste Doha-Treffen statt. Bis dahin sind noch etliche Treffen der Verhandlungsgruppen einberaumt. Azevedo appellierte an die Politik, jetzt die Entscheidungen für einen wirklichen Abschluss zu treffen.

Dazu gehört auch, dass mit der neuen Asiatischen Entwicklungsbank für die Infrastruktur neue Investitionsmöglichkeit geschaffen wurde, die wegen ihrer regionalen Verankerung die westlich dominierte Wirtschaftslinie aufbrechen und verbessern kann [3].

Movassats Kritikpunkte gegen die Rolle der Agrarkonzerne, Europäischen Partnerschaftsabkommen oder die Notwendigkeit zur globalen Umverteilung des Reichtums durch fairen Handel bleiben Aufgaben für die Zukunft. Good Governance, Abbau der Korruption und Aufbau eines Steuersystems aber auch, sagte Dr. Müller. Entwicklungshilfe soll die Eigenanstrengung der Länder nicht lähmen. Der Gewinn liegt in der Summe erfolgreicher Details [4].

Afrikapolitik des BMZ

Das Ziel, jährlich mindestens 100 Millionen Euro für Afrika auszugeben, hat das BMZ übertroffen und die Schwerpunkte in mehr als 50 Initiativen übersetzt. Im letzten Jahr flossen 1,4 Milliarden in bilaterale Projekte und es gab 311 Millionen Euro Sonderfinanzierungen. Eine davon ist die Eindämmung von Fluchtursachen in Afrika. In Berlin soll eine neue „Servicestelle Wirtschaft“ entstehen, die Investitionskapital nach Afrika locken will. Hermes-Kredite gbt es bereits für die Länder Äthiopien, Ghana, Mosambik, Nigeria, Tansania, Kenia dem Senegal und seit einigen Tagen auch für Uganda.

Müller ist nicht derjenige, der wie sein Vorgänger die Privatwirtschaft überbetont. Aber ohne sie geht es eben nicht. In Kürze wird er in Marokko das größte Solarkraftwerk der Welt eröffnen [5]. Energie ist einer der wichtigsten Sektoren Afrikas. Anfang Mai sagte Dr. Stefan Liebig, Vorsitzender des Afrika-Vereins, auf dem 9. Deutsch-Afrikanischen Energieforum in Hamburg mit 200 afrikanischen Energieexperten: „Bis 2040 wollen wir den Investitionsbestand deutscher Firmen im afrikanischen Energie- und Rohstoffsektor von geschätzt unter vier auf über zehn Milliarden Euro steigern.“

Addis Abeba

Nicht nur um Afrika, sondern auch um die SDG in New York und das Klimaabkommen in Paris sind „Folgethemen“ von Addis Abeba. Dort findet in der Zeit zwischen dem 13. und 16. Juli der so genannte Finanzierungsgipfel für die Entwicklung statt. Darum ging es später am Abend in einer zweiten Debatte. „Der Erwartungsdruck ist hoch“, sagte Dr. Bärbel Kofler (SPD). Ohne eine Einigung in Addis würden auch Paris und New York scheitern. Daher ist es für Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Die Grünen) „besonders wichtig“, dass sich die Bundesregierung in Äthiopien als wichtiger und zuverlässiger Partner präsentiere.

Hans-Joachim Fuchtel sieht den Bund dafür gerüstet. Addis sei die Voraussetzung, dass sich Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer für eine globale Gemeinschaft stark machen, die Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft einbeziehe. Das reicht aber nicht allen in der Koalition. So will Dr. Kofler einen Fahrplan, bis wann und wie die Mittel der öffentlichen Hilfe auf die versprochene Quote von 0,7 Prozent aufgestockt werden soll. Eigentlich hätte das Ziel in diesem Jahr bereits erfüllt sein sollen. Eine Verlängerung bis 2030 sende ein schlechtes Signal an die Entwicklungsländer. Nach Kofler ist die Anrechnung von Klimageldern für die Quote nicht nicht beschlossen. Die Mittel dürften nicht 1:1 umgesetzt werden. Hausaufgaben haben die reichen Länder selbst zu genüge. Dem Süden gehen durch Steuervermeidung und Steuerflucht jährlich rund 500 Milliarden US-Dollar verloren. Sie bedauerte, dass die Union die Forderung nach einer europäischen Transaktionssteuer aus dem Antrag gestrichen hat.

Für Uwe Kekeritz ist der Koalitions-Beschluss für Addis gleich eine „Nullnummer“. Da die Verantwortung überwiegend an die Entwicklungsländer verschoben werde, sei die Gefahr für ein Scheitern in Addis Abeba groß. Auch hier fehlten die großen und wichtigen Themen, wie in der Debatte um Afrika: Handelsbeziehungen, Handelsüberschüsse, Lieferketten, Verantwortung der Konzerne, Klima und Entwicklung monetär getrennt zu halten oder das Thema Überschuldung der Südländer.

Das die Bundesregierung so mit dem Geld knausert, versteht Heike Hänsel (Die Linke) nicht. Zwei Prozent des Bruttonationaleinkommens für Rüstungsausgaben waren kaum ein Thema: „Wir brauchen keine neue Rüstungsspirale, sondern eine Entwicklungsdividende.“

Lesestoff:

Zwischenbilanz der Afrikapolitik des BMZ: www.bmz.de

[1] Handel als Träger des FairTrade-Gedankens

[2] Klimagelder für die öffentliche Entwicklungsfinanzierung

[3] Kabinett billigt AIIB-Mitgliedschaft Deutschlands

[4] Unctad-Bericht: Defizite in der inneren Entwicklung Afrikas

[5] Marokko ist nur 40 Kilometer entfernt

Roland Krieg

Zurück