EP gegen Backloading
Handel
EP befürwortet tiefgreifend Änderung des Emissionshandel
Am Dienstaghaben die Europarlamentarier das so genannte
Backloading abgelehnt. Damit ist das Aussetzen von Emissionszertifikaten
gemeint, um den gesunkenen Preis durch eine Marktverknappung wieder in die Höhe
zu treiben. Solche Eingriffe in den Emissionshandel schwächten das Vertrauen in
den Emissionshandel. Dafür soll der Emissionshandel strukturell tiefgreifend
verändert werden.
Die Mehrheit gegen das Backloading fiel knapp mit 334
zu 315 Stimmen aus. 63 Abgeordnete enthielten sich und der Vorschlag geht
zurück in den Umweltausschuss.
Entscheidung erntet viel Kritik
Matthias Groote, Vorsitzender des EU-Umweltausschuss,
Sozialdemokrat, fürchtet gleich eine Renationalisierung der Umweltpolitik: „Diese
Politik spielt in die Hände der Klima-Skeptiker.“
Der aktuelle Zertifikatspreis beläuft sich auf 4,76
Euro. Allein der Zertifikatsüberhang hat den Preisverfall bedingt, sagte
Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Nach
Fell werde die Kohleverstromung zunehmen und viele Programme, die aus den
Zertifikatseinnahmen finanziert werden sollten, verlieren ihre Finanzgrundlage.
Kritik kommt auch von Christoph Bals, Politischer
Geschäftsführer von Germanwatch: Für den Klimaschutz war das heute ein Schlag
unter die Gürtellinie und ein Sieg für ewig gestrige Lobbyinteressen. Vor allem
BASF und Thyssen-Krupp haben diese Lobby-Schlacht gegen den Klimaschutz orchestriert.“
Bals kritisiert, dass aus deutscher Sicht FDP- und Unionspolitiker gegen das
Abkommen votierten. Der EU-Umweltausschuss hat noch eine Chance für einen neuen
Vorschlag.
Enttäuscht ist auch Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer
des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU): „Das derzeitige Preisniveau der Emissionshandelszertifikate
bietet keinerlei Anreiz für Investitionen in neue und emissionsarme
Technologien.“ Ein positiver Bescheid wäre ein erster schritt für einen nachhaltigen
Preis gewesen. Das Backloading hätte nur einmal in der dritten Handelsperiode
gegriffen und hätte nicht zu einem ausufernden Eingreifen in den Markt geführt,
so Reck.
Mit der Ablehnung hält Frank Schwabe, stellvertretender
umweltpolitischer Sprecher der SPD, den europäischen Emissionshandel „politisch
tot.“ Vor allem Deutschland habe durch regierungsinterne Streitigkeiten falsche
Signale nach Brüssel gesendet.
Für Brot für die Welt ist das ein „rabenschwarzer Tag
für den Klimaschutz“ gewesen. Bemerkenswert sei die Entscheidung vor allem vor
dem Hintergrund, dass boomende Staaten wie China, Südkorea und Australien zur
gleichen Zeit den Emissionshandel als ein effizientes Instrument des
Klimaschutzes entdecken.
Ende der letzten Woche noch hatte Bundesumweltminister
Peter Altmaier auf ein wirksames Klimaschutzinstrument gedrängt. Ein globaler
Kohlenstoffmarkt sei angesichts der weltweiten wirtschaftlichen Verflechtungen Voraussetzung
für wirksamen Klimaschutz. Auf einer Konferenz zum weltweiten Emissionshandel
sagte Altmaier: „Wir stehen vor der Aufgabe, die Wirkung des Emissionshandels
auf ein völlig neues Niveau zu heben.“ Die weltweit entstehenden Handelssysteme
müssten vereint werden und einen einheitlichen Preis haben. Nach dem Bundesumweltministerium
entsprechen die überflüssigen Zertifikate einem Jahresausstoß von zwei
Milliarden Tonnen Kohlenstoffdioxid. Die Herausnahmen von 900 Millionen
Zertifikaten wäre ein erster Schritt zur Korrektur gewesen.
Die Energieintensiven Industrien Deutschlands, die im
EID zusammengeschlossen sind, befürworten das Votum. Das sei eine gute Nachricht
für den Standort Europa, teilte EID-Sprecher Dr. Utz Tillmann mit. „Das Parlament
hat kurzsichtigen Markteingriffen eine Absage erteilt.“ Tillmann hofft, das Europa
seine Klimapolitik wieder „langfristig und international“ ausrichten werde.
Hans-Jürgen Kerkhoff vom EID glaubt, dass die Emissionsziele unabhängig vom
Zertifikatspreis eingehalten werden. Das Backloading hätte keine zusätzlichen
Effekte.
Unterstützt wird diese Kritik von Bundeswirtschaftsminister
Dr. Philipp Rösler: „Ich begrüße die Entscheidung des Europäischen Parlamentes
gegen eine Verknappung der Emissionszertifikate.“ Rösler habe schon lange für
ein funktionierendes Marktsystem gekämpft. Die Klimaschutzziele seien heute
schon sichtbar und das Backloading belaste die Unternehmen.
Franz Untersteller, Umweltminister in
Baden-Württemberg, nimmt vor allem zu diesem Statement Stellung: „Das der
Bundeswirtschaftsminister das begrüßt, wundert mich zwar nicht, aber es zeigt
leider auch, dass Philipp Rösler immer noch nicht begriffen hat, worum es geht:
es geht nicht nur darum, Unternehmen zu streicheln, sondern darum, unsere
Lebensgrundlagen zu erhalten und unser Energiesystem deshalb neu auszurichten.“
Auf dem Weg dorthin habe die EU einen großen Schritt rückwärts gemacht.
Ausnahme Luftfahrt
In einer zweiten Abstimmung wurde die Ausnahme des Luftverkehrs vom Emissionshandel angenommen. Dafür votierte eine deutliche Mehrheit von 557 zu 114 Gegenstimmen bei 21 Enthaltungen. Verfasser des Verordnungsentwurfs ist der deutsche Peter Liese, Christdemokrat, gewesen. Die Ausnahmeregelung soll eine internationale Einigung mit der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) voranbringen. Seit 1990 haben sich die Emissionen aus dem Luftverkehr verdoppelt und steigen weiter langsam an, so Liese. Die Ausnahmenregelung sei kein Ausstieg, sondern nur ein Anhalten der Zeit, bis auch die Drittstaaten, deren Airlines gegen das Abkommen Stimmung machten, sich für ein weltweites Abkommen erwärmen könnte. Die EU will das Abkommen einführen, wenn es innerhalb eines Jahres keine internationale Einigung gibt. Vor allem die USA müsse auf den Weg gebracht werden.
Gespräche suchen
Connie Hedegaard, EU-Klimakommissarin, bedauerte das
Votum des Europaparlaments. Es ist aber noch nicht alles vorbei, denn die es
war erst die zweite Lesung. Hedegaard hofft auf einen besseren Vorschlag, der
dann in der endgültigen Lesung angenommen werden kann. „Europa brauche einen robusten
Kohlenstoffmarkt, um die Umweltziele zu erfüllen und Innovation voranzutreiben“,
erklärte Hedegaard nach der Abstimmung.
Der irische Umweltminister Phil Hogan hat innerhalb der
irischen Ratspräsidentschaft angekündigt noch in den nächsten Tagen zwei
Treffen mit den europäischen Umweltministern führen zu wollen. Es sei immanent
wichtig den gefallenen Zertifikatspreis wieder nach oben zu bringen.
Lesestoff:
Hedegaard im EU-Umweltausschuss
Roland Krieg