Ernährungsindustrie profitiert von Konsumklima

Handel

Signale für den Ausbau der deutschen Lebensmittelproduktion

Gegessen wird immer. Die Ernährungsindustrie kann sich langfristig aber auch auf die Trends zu höherwertigen und damit teureren Produkten als auch auf den Export von Nahrungsmitteln verlassen. Deshalb kann der aktuelle Konjunkturbericht der Bundesvereingung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) viele positive Trends verzeichnen [1]: Vom steigenden Konsum trotz höherer Milchpreise über die Langlebigkeit von Firmenneugründungen bis hin zu Beschäftigungseffekten. BVE-Geschäftsführerin Stefanie Sabet formuliert es so: „Begünstigt wird das anhaltende Wachstum durch den höherwertigen Binnenkonsum und die zunehmende Nachfrage aus dem Ausland. Damit einhergehen auch positive Anreize für einen Ausbau der Lebensmittelproduktion sowie der Beschäftigung.“ Natürlich bewegen sich die einzelnen Sektoren unterschiedlich.

Die letzten sechs Monate

Im zweiten und dritten Quartal hat Deutschlands drittgrößter Industriezweig mit 580.000 Beschäftigten und einem Umsatz von jährlich 171,3 Milliarden Euro weiteres Wachstum verzeichnen können. Das Exportgeschäft behauptet seine Rolle als Konjunkturmotor der Branche. Die Industrie erfreut sich zwar an der guten Stimmung bei den Verbrauchern, steht allerdings bei steigenden Kosten und höherem Wettbewerbsdruck auch unter Spannung.  

Davon lassen sich Neugründungen nicht abhalten. Die Gesamtzahl an Start-ups geht zwar jährlich leicht zurück, doch die „Überlebensrate“ wird höher. Von den 1.508 Neugründungen im Jahr 2008 haben im Nahrungs- und Genussmittelbereich fünf Jahre später noch immer 526 Firmen am Markt überlebt. Das entspricht einer Quote von 34,9 Prozent. Von den 1.410 Neugründungen 2009 haben fünf Jahre später schon 501 Firmen die Pionierphase überstanden und eine Überlebensquote von 35,5 Prozent erzielt. Dabei ist die Quote im verarbeitenden Gewerbe höher als bei den Herstellern von Nahrungs- und Genussmitteln. Dort liegt die Überlebensrate bei über 42 Prozent.

Umsatzentwicklung

Über alle Sortimente hinweg war die Umsatzentwicklung in den letzten sechs Monaten positiv. Lag der Umsatz im Januar und Februar saisongemäß bei jeweils rund 13,3 Milliarden, ist er in den Folgemnaten auf die Spanne zwischen 14,0 und 15,4 Milliarden angestiegen. Die Monate Mai, Juni und August lagen mit mindestens 15,2 Milliarden Euro an der Spitze seit April 2015. Der Export pendelt seit Jahresbeginn zwischen 4,3 und 5,0 Milliarden Euro.

Preislich fallen Molkereiprodukte und Eier mit Teuerungsraten von 8,5 und 12,8 Prozent in den Quartalen II und III sowie Speisefette und Öle mit 20,4 und 30,5 Prozent gegenüber den Vorjahreszeiträumen auf. Die Preise bei Gemüse und Kartoffeln sind um 2,1 und 5,0 Prozent gefallen. Fisch und Fleisch stiegen moderat um drei Prozent und Brot und Getreideerzeugnisse blieben nahezu preiskonstant.

Das war dem Konsum nicht abträglich. Molkereiprodukte und Süßwaren zeigen seit April 2017 ordentliche Steigerungen gegenüber den Vorjahreszeiträumen auf.

Umsatzentwicklung Lebensmittelsortimente
Umsatzentwicklung einzelner Lebensmittelsortimente gegenüber Vorjahresmonat

Arbeitsmarkt

Arbeits- und Fachkräfte  sind gesucht, was die Politik nach Forderungen der BVE begleiten muss. Dazu gehört das flächendeckende Ganztagsbetreuungsangebot für Kinder, die Anpassung des Arbeitsrechtes an die digitale Lebenswirklichkeit, die Begrenzung der Sozialversicherungsbeiträge auf unter 40 Prozent und Stärkung des Bildungssystems.

Allerdings hat der Handel insgesamt einen schlechten Ruf. Das „Arbeitgeber-Image ist am Boden“, wie die Lebensmittelzeitung Mitte Oktober berichtete. Handel und Konsumgüterindustrie gehören zu den unattraktiven Branchen. Nur noch der öffentliche Sektor ist unbeliebter. Doch innerhalb des Rankings hat der Lebensmitteleinzelhandel aufholen können. Die Rewe steht auf Platz drei hinter Amazon und Hugo Boss, Edeka hinter Zalando auf Platz 5. Wie Aldi Süd und Lidl hat sich der LEH im Rankling deutlich verbessern können. Und es lohnt sich: Die Talente im Bereich der Fast Moving Consumer Goods (Dinge des alltäglichen Bedarfs) bekommen zu 69 Prozent Abwerbeversuche.

Fleisch

Der Fleisch- und Wurstmarkt bleibt schwierig. Nationale Abschottungstendenzen und stagnierende Nachfrage nach Wurstwaren sowie ein deutliches Minus bei Schweinefleisch von 7,6 Prozent zum Vorjahr erhöhen den Druck und beschleunigen den Strukturwandel. Das Minus beim Schweinefleisch sei durch den Preisanstieg von 5,2 Prozent bedingt. Verarbeitete Teilstücke legten im ersten Halbjahr sogar um 20 Prozent, Sauenfleisch um 40 Prozent zu.

Süßwarenindustrie

Den Leckereien-Herstellern bleibt der sorgenvolle Blick auf die Rohware erhalten. Dabei geht es in diesem Jahr nicht nur um teure exotische Rohstoffe wie Kakao oder Nüsse. Die Butterpreise sind für diesen Industriesektor herausfordernd wie auch der Fipronil-Skandal, der zu einer Angebotsverknappung geführt hat. Butter und Eier sind für die Herstellung von feinen Backwaren von hoher Relevanz [2]. Daher bezeichnet der Bundesverband der Deutschen Süßwaren das Ende der Zuckerquote auch als überfälligen Schritt.

Dennoch klingelt es in den Kassen. In den ersten acht Monaten ist der Süßwarenabsatz im Inland zwar um 0,6 Prozent zurückgegangen, doch wertmäßig hat der Umsatz um 0,7 Prozent auf 8,8 Milliarden Euro zugenommen. In Wert und Menge konnte allein das Sortiment „Knabberartikel“ zulegen. Im Inland wurden 1,1 Millionen Tonnen Süßwaren abgesetzt. Für den Export standen 980.000 Tonnen bereit, ein Zuwachs von 1,2 Prozent. Damit wurden 3,6 Milliarden Euro erzielt.

Ausblick

Die Geschäftserwartungen für das vierte Quartal bleiben gut. Der Blick auf das erste Quartal 2018 ist nach BVE-Analyse jedoch „deutlich verhaltener. Wettbewerbs- und Kostendruck halten die Anspannung der Ertragslage hoch.“

Lesestoff:

[1] Konsum allen geopolitischen Widrigkeiten im Binnenmarkt dauerhaft gut: https://herd-und-hof.de/handel-/konsumklima-mit-herbstdelle.html

[2] Nach der Geflügelpest hat der Fipronil-Skandal Spuren in der Eiererzeugung hinterlassen. Es fehlten 6,5 Millionen niederländische Legehennen. Bei einem Selbstversorgungsgrad von 67 Prozent an Eiern kommt der deutsche Handel nicht ohne niederländische Ware aus.

Roland Krieg; Grafik: BVE

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