Ernährungswirtschaft und Handel
Handel
Schwieriges Verhältnis zum Handel
Früher war nicht immer alles besser, doch die Beziehungen zwischen Handel und der Ernährungswirtschaft waren nicht so hart wie heute. Mit einem Blick zurück wagte Unternehmensberater Hans-Joachim Trauzettel, der vormals bei Edeka und Rewe gearbeitet hatte, auf der 4. Handelsblatt Jahrestagung der Agrar- und Ernährungswirtschaft ein Blick nach vorn. Der fiel aber düster aus.
Von vielen Beziehungen zu wenigen
Vor 40 Jahren war die Handelslandschaft noch von einer Vielzahl kleiner und kleinster Lebensmittelgroßhandlungen geprägt und auch wenn es keine richtige Partnerschaft gegeben hat, so fand jeder sein Auskommen. Es ging nicht darum, den anderen in die Knie zu zwingen. Listungsgelder, um in die Regale zu gelangen, Jubiläumsbeiträge oder Integrationszuschüsse gab es noch nicht.
Geändert haben sich die Beziehungen, als die großen Markenartikler mit hohem Aufwand ihre Produkte bewarben und dem Handel weismachten, die Gewinnspanne sei weniger wichtig als die Frequenz. Die Hersteller begannen den Handel zu einem Produktverteiler zu degradieren. Die Produkte gingen zwar gut, doch musste der Handel seine Gewinne aus den anderen, nicht beworbenen Produkten beziehen. Hier begann der Handel bald, mit eigenen Marken Umsatz zu erwirtschaften und führte die Jahresgesprächen für Lieferkonditionen der Herstellern ein.
Doch dieser Bereich kam ebenfalls unter Preisdruck, als Aldi zu Beginn der 1980er sein Filialnetz ausweitete. Der Nicht-Discount verstärkte sein Engagement im Bereich der Handelsmarken und fand „Aldinativen“, so Trauzettel. In den Jahresgesprächen ging die letzte Partnerschaft zu en Herstellern verloren.
Abhängigkeiten im Teufelskreislauf
Heute sind es nur noch fünf große, die im Lebensmittelbereich die Ware aufnehmen und die Agrar- und Ernährungswirtschaft beklagt diese Nachfragemacht. Es sind aber im Lebensmittelbereich von 160 Milliarden immer noch 40 Milliarden Euro Umsatz, die in anderen Geschäften erzielt werden. Noch, fürchtet Trauzettel, denn langfristig werde auch das letzte Drittel zu den großen Fünf wandern.
Schuld daran tragen die Hersteller zum Teil selber, die bis zu 50 Prozent ihrer Produkte an die großen Fünf verkaufen und sich selbst in die beklagenswerte Abhängigkeit hineintreiben. Mittlerweile könnten sie auf diesen Lieferbestandteil nicht mehr verzichten, weil sie ihre Strukturen daran ausgerichtet hätten. Verlören sie diesen Anteil, gefährdeten sie ihre Existenz – was der Handel leidlich auszunutzen wisse. Trauzettel zitiert den Satz eines Einkäufers gegenüber einem Verkäufer: „Entweder abgeschlossen oder abgeschossen!“.
Den Teufelskreislauf zu verlassen ist schwierig, denn derzeit orientiert sich der Handel an der „Marktpreisentwicklung“. Muss ein Hersteller den Preis nach oben korrigieren, akzeptiert der Handel das erst, wenn die Wettbewerber den Preis nach oben korrigieren. Viele Unternehmen in der Ernährungsbranche machten das nur noch deshalb mit, weil sie Inhabergeführt sind und daher einen großen Leidensdruck aufweisen.
Der Blick in die Zukunft fällt bei Hans-Joachim Trauzettel düster aus. Die kleinen Untenehmen werden abseits der Öffentlichkeit aufgeben und im Verhältnis zwischen Handel und Hersteller wird sich kaum etwas verändern.
Der Handel werde sogar stärker dazu übergehen, mehr handelseigene Produktionsbetriebe aufzustellen. War der eigene Weinkeller oder die eigene Kaffeerösterei früher noch ein Werbemerkmal für besondere Qualität und Erlesenheit, verfolgt nach Trauzettel der Handel jetzt ganz andere Ziele. Das eigene Fleischwerk oder der eigene Backbetrieb sichert die Warenversorgung ohne Jahresgespräche, ohne Preisverhandlungen und mit Vorteilen bei der Listung und Distribution. Notwendige Preisanpassungen werden sofort durchgesetzt. Diese Herstellung ist dem Wettbewerb weitestgehend entzogen, so Trauzettel.
Lesestoff:
Ein weiterer Marktteilnehmer ist der Verbraucher, dem es aber nicht mehr gelingt, anhand der Preise zwischen guten und weniger guten Qualitäten zu unterscheiden. Das war ein Thema des Deutschen Handelskongresses 2007.
4. Handelsblatt Jahrestagung der Agrar- und Ernährungswirtschaft am 09. und 10. Juni:
Keine Alternativen zum globalen Wettbewerb
Markt: Alles grün bei Schweinefleisch
Französisches Milchpreismodell für Deutschland?
Technischer Fortschritt, aber wie?
Roland Krieg