Erneuerbare Energien brauchen „Stromautobahnen“

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Europa im Ziel bei erneuerbaren Energien

Streit gibt es beim Thema erneuerbare Energien „nur über den Pfad und die Instrumente“, sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie, auf der Jahreskonferenz des Bundesverbandes Erneuerbare Energien in Berlin. Über das Ziel sind sich die Beteiligten einig, daher lässt sich trefflich über die Art und Weise streiten. Die Verbände tauschten mit der Bundesregierung vor allem Argumente über die am kommenden Donnerstag wohl fällige Entscheidung über die Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke aus.

„Stromautobahnen“
Nach Katherina Reiche, Parlamentarische Staatssekretärin aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit verteidigte das Energiekonzept der Bundesregierung, das „mehr Tempo in Richtung neue Energien“ mache. Dafür allerdings brauche es neue Stromnetze, die für vor allem nicht für den Energietransport von Off-Shore-Anlagen in den Süden zu den Hauptverbrauchsorten vorhanden sind. Ohne Modernisierung und Ausbau der Netze könnten die erneuerbaren Energien ihre Vorteile nicht entfalten. Die Bundesregierung will für das Jahr 2050 ein „Zielnetz“, Stromautobahnen entwickeln, das auch die Verzahnung in die Nachbarländer beinhaltet.
Neben dem Netzausbau werde in Speicherkapazitäten und vor allem in die Forschung bei Druckluft und Wasserstoffspeichermöglichkeiten sowie Methanspeicher investiert.
Der Off-Shore-Ausbau müsse deutlich ausgeweitet werden. Für die Zielmarke von 36.400 MW müssten während der Schönwetterperiode täglich ein Windrad installiert neu installiert werden. Die Infrastruktur in den Häfen sei derzeit noch gar für solche Aufgaben vorbereitet. Von den rund 75 Milliarden notwendigen Investitionen seinen erst 0,5 Milliarden aufgewendet worden. Die Hafenstädte klagten nach Reiche über das hohe Investitionsrisiko.
Das Energiekonzept der Bundesregierung gebe den erneuerbaren Energien „klaren Vorrang“. Auch das EEG bleibt in seien Strukturen erhalten, sicherte Reiche zu. Für die Umsetzung allerdings müsse man neue Instrumente und Möglichkeiten der Gewinnabschöpfung in Betracht ziehen, was mit der Laufzeitverlängerung umgesetzt werde. Dazu bräuchten wir die Kernenergie.

Systemkonflikt
Für Sven Teske von Greenpeace sei allerdings Gas die Brückentechnologie und nicht Atomkraft.
Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) wehrte sich vor allem gegen die offensichtliche Unterstützung der Energie-Oligopole durch die Bundesregierung mittels der Laufzeitverlängerung. Ärgerlich sei, dass im Zuge der Umlageerhöhung beim EEG, nicht auf den Nutzen der erneuerbaren Energien hingewiesen wird. Die Erhöhung sei als „Versicherungsprämie“ zu verstehen. Demgegenüber werden die versteckten Kosten bei fossilen Energien, die eine EU-Studie aus dem Jahr 2003 berechnete und oft doppelt so hoch wie der Marktpreis sind, verschwiegen. Heute sei konventionelle Energie zu viel auf dem Markt. So muss EEG-Strom seit Januar ebenfalls am Spotmarkt in Leipzig gekauft werden. Bei starkem Wind und hoher Einspeisung kann es dann auch schon zu einem negativen Börsenpreis kommen.
Warum die Kernkraft eine so starke Lobby hat, erklärt sich Sven Teske durch den unterschiedlichen Ansatz. Die großen Energieversorger planen, bauen und warten ein Großkraftwerk in Eigenregie und liefern dem Kunden den Strom. Der Ansatz der erneuerbaren Energien ist dezentral. Hier stünde ein vergleichbares Kraftwerk auf 20.000 Grundstücke verteilt. Das zieht eine andere Logistik nasch sich und die Wartung übernehmen viele kleine Firmen. Beides sei nicht kompatibel, so Teske.

Kommunale Wertschöpfung
Nach Schütz ist der Ausstieg aus dem Atomausstieg vor allem ein Zeichen für politische Unzuverlässigkeit, da die Investoren auf den kontinuierlichen Ausbau der erneuerbaren Energien vertraut haben. Doch die können durch die neuen Energien Gelder erzielen und strukturschwache Räume entwickeln.

EU-Staaten auf gutem Weg
Derzeit sammelt die EU die nationalen Energiestrategien ein, um deren Umsetzung für das Ziel 2020 zu überprüfen. Bis zum Dienstag fehlten nur noch die Umsetzungspläne von Belgien, Ungarn, Estland und Polen. Einen ersten Blick auf die Pläne warf Josche Muth vom European Renewable Energy Council (EREC).
Das Ergebnis überrascht. Malta hatte beispielsweise im Jahr 2005 gar keine erneuerbaren Energien im Einsatz, war einer der stärksten Gegner der Energiestrategie, wird aber wohl die aufgestellten Pläne schon übererfüllen.
Im Strombereich liegt der Anteil der Erneuerbaren bei 15 Prozent und die 23 vorliegenden Pläne verweisen auf einen Anstieg auf 36 Prozent, was drei Prozentpunkte über der Prognose liege. Im Strombereich haben die Länder ehrgeizige Pläne entwickelt und räumen der Biomasse einen Anteil von 6,4 Prozent ein.

Am Dienstag hat die EU 146 Millionen Euro ungenutzter Fondsmittel in den Einsatz erneuerbarer Energien gesteckt. Mit diesen Geldern sollen öffentliche Gebäude energieeffizienter und auf Biomasse basierende Kraft-Wärme-Anlagen aufgebaut werden. Unterstützt werden sollen zudem Projekte, die Straßenbeleuchtung oder den öffentlichen Nahverkehr umstellen wollen. Das Europäische Parlament teilte mit, dass die Gelder eine Unterstützung kleinerer Kommunen sein sollen, die sich um solche Aufgaben bemühen.

Im Wärmebereich liegen die Zahlen hingegen hinter den Erwartungen. Zehn Prozent Anteil hatten die erneuerbaren im Jahr 2005. Im Jahr 2010 lag der Anteil nur bei 23,1 Prozent. Die Prognose sprach von 29 Prozent. Der Anteil der Biomasse an der Wärmeproduktion liegt bei 17,8 Prozent.
Im Transportbereich liegen die Länder im Trend und sind vor allem von der Biomasse abhängig. Seit 2005 wurde der Anteil der Erneuerbaren verdreifacht. Biodiesel stellt zwei Drittel des neuen Kraftstoffs und Bioethanol rund 22 Prozent.
Nach Josche Muth werden die Länder das EU-Ziel bis 2020 um ein Prozent übererfüllen.
Die Länder befürchteten, dass die Ziele zu ambitioniert sind und ohne Importe nicht zu erreichen wären. Doch Muth hat bislang nur Luxemburg und Italien ausgemacht, die in ihren Umsetzungsplänen auf Importe zurückgreifen wollen. Zypern, Finnland, Irland, Großbritannien, Rumänien, Portugal und Lettland werden die Zielvorgaben punktgenau erfüllen, während 21 Länder sogar noch mehr erneuerbare Energien einsetzen können. Lediglich 0,28 Prozent des Bedarfes im Jahr 2020 Bedarfs werde. wohl über Ländergrenzen hinweg eingeführt werden müssen.
Anfang 2011 will die EU eine Zusammenfassung der nationalen Pläne veröffentlichen. Die Aufgabe der Eu wird es dann sein, die Gebühren und Steuern in dem gemeinsamen Markt zu harmonisieren.

Lesestoff:
Den Dachverband Erneuerbare Energien erreichen Sie unter www.bee-ev.de
In diesem Jahr feierte das EEG sein 10. Jubiläum.
Die nationalen Energiepläne der EU-Mitgliedsstaaten können Sie unter www.repap2020.eu/index.php?id=23 einsehen
Mehr über alternative Energieszenarien hält Greenpeace auf www.energyblueprint.info/ bereit

Roland Krieg; Grafik: IÖW August 2010

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