Erwartungen an Glasgow

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Wird der Klimawandel ernst genommen?

Am Montag und Dienstag treffen sich die Staats- und Regierungschef zum Start auf dem Weltklimagipfel (COP26) in Glasgow. Bis zum 12. November wollen die Länder die letzten Fragen zum Pariser Klimavertrag klären. „In Glasgow kann und muss die Weltgemeinschaft die noch offenen Fragen zu den Regeln der internationalen Zusammenarbeit beim Klimaschutz abschließend klären. Wenn das gelingt, dann kann Glasgow eine neue Phase der internationalen Klima-Zusammenarbeit einleiten, mit Schwerpunkt auf die konkrete Umsetzung.“ So sagen es Umweltministerin Svenja Schulze und Entwicklungsminister Gerd Müller vor ihrer Abreise nach Schottland.

Das ist treffend, weil es seit Paris 2015 nicht an Zielen und Bekundungen gefehlt hat, jedoch, wie das Bundesverfassungsgericht diesen März festgestellte, die Details für die Umsetzung fehlen. Die Ergänzungen sind nicht nur eine Aufgabe der Berliner Ampelkoalition. Die noch geschäftsführende Bundesregierung hat im Wesentlichen schon alles eingetütet. Ein rot-gelb-grünes Klima-Sofort-Programm muss seinen parlamentarischen Weg gehen. Für die Beseitigung der individuellen Barrieren gegen den Ausbau von Solar-, Wind- und Biomasseenergie geht das „Sofort“-Programm den Weg vom Bundeskabinett bis zum Bundesrat. Dadurch wird der geplante Turbogang zu einem Später-Gesetz.

Und genau das fürchten auch die Skeptiker über den Ausgang der COP26. „Die weltweite Klimakatastrophe lässt sich verhindern. Wir haben die Technologie und das Wissen, allein entscheidend ist der weltweite Wille zum entschlossenen Handeln.“ So formuliert es Gerd Müller.

Insgesamt haben 143 Staaten ihre Klimaziele eingereicht, aber die reichen nur für eine Begrenzung für die Erderwärmung auf 2,7 Grad Celsius. Ohne Paris läge der Erwärmungspfad bei fünf bis sechs Grad.

Aber auch 2,7 Grad reichen, um die Landwirtschaft in vielen Regionen an den Rand des Machbaren zu bringen und eine Ernährungsunsicherheit zu produzieren, die Menschen seit Jahrtausenden auf die Suche nach neuen Anbauregionen in Bewegung gesetzt haben.

Daher ist für den Deutschen Bauernverband (DBV) die Welternährung auf der Konferenz zu berücksichtigen. Die Ernährungssicherung wurde bereits im Klimaabkommen von Paris thematisiert. Dazu muss auch die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel in den Fokus gerückt werden, erklärt der Deutsche Bauernverband zum Start der Weltklimakonferenz COP26 am Sonntag in Glasgow. Nun gilt es, mit Agrarforschung, Züchtung, Bewässerung und Digitalisierung die Voraussetzungen für eine klimastabile Landwirtschaft und Nahrungsmittelerzeugung zu schaffen. Der DBV hebt hervor, dass das Ziel der Klimaneutralität nur mit den Kohlenstoff-Senken der Land- und Forstwirtschaft, mit Bioenergie sowie mit nachwachsenden Rohstoffen möglich sein wird. Um das Potential eines „Carbon Farming“ zu heben, müssen internationale Standards für die Berichterstattung und Anrechnung in der Klimabilanzierung geschaffen werden.

Die Ziele

Die britische COP-Präsidentschaft bereitet zum Gipfel so genannte „Breakthroughs“ vor, die Staaten und Unternehmen zu mehr Klimaschutz verpflichten.

Finanziell hat der kanadische Minister Jonathan Wilkinson zusammen mit dem deutschen Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth einen „Climate Finance Delivery Plan“ für die Klimafinanzierung von jährlich 100 Milliarden US-Dollar vorgelegt. Die wurde schon 2019 um 20 Milliarden US-Dollar verfehlt, so dass die Zahlen für 2020 ebenfalls rot sein werden. Der deutsch-kanadische Plan sieht die Erfüllung der Zielvereinbarung mit drei Jahren Verspätung im Jahr 2023 erstmals vor. Außerdem müssen die Staaten sich auf eine neue Finanzierung ab 2025 einigen.

Glasgow soll in den ersten Tagen einen Fahrplan für die Sektoren Energie, Straßenverkehr, Stahl und Wasserstoff hervorbringen.  

Parallel zur Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (COP26) tagen die Vertragsstaatenkonferenz des Kyoto-Protokolls (CMP16), die Vertragsstaatenkonferenz des Paris-Abkommens (CMA3) mit der Finalisierung des Regelwerkes und die beiden „Nebenorgane“ zu Umsetzung (SBI) und technisch-wissenschaftlichen Unterstützung (SBSTA) der Klimakonvention und ihrer Abkommen.

Neben der Europäischen Union haben sich die Staaten zu Verhandlungsgruppen zusammengeschlossen. China ist Teil der G77. Das sind 134 Entwicklungsländer, die auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners verhandeln. Deren Präsidentschaft hat derzeit Guinea. Die Inselstaaten haben sich zur Allianz AOSIS zusammengeschlossen, Gabun spricht für die afrikanischen Staaten in der „Afrikanischen Gruppe“ AGN und in der „Umbrella-Gruppe“ sind Industriestaaten ohne die EU und der Schweiz. lose miteinander vertreten.

Neu im Spiel könnte der G-3-Club aus China, der EU und den USA werden. Den hat Klimaforscher Ottmar Edenhofer zum Start ins Gespräch gebracht. China will kein Geld mehr in ausländische Kohlekraftwerke stecken, die EU hat den Green Deal formuliert und die USA wollen bis 2015 klimaneutral werden. Die Chancen für dieses Dreierbündnis seine nicht schlecht, sagte er der Osnabrücker Zeitung. Die drei können eine Klimaschutzbündnis begründen, das sich auf einen Mindestpreis für Kohlendioxid-Emissionen einigt und danach Länder wie Indien, Japan und Russland mit ins Boot holen könne. „Dann wären wir einen riesigen Schritt weiter“, sagte der Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).

Positive Signale für Glasgow kommen aus Sicht von Germanwatch aus Rom, zum Ende des G20 Treffens am Sonntag. Zusammen mit China haben die 20 größten Wirtschaftsnationen das Versprechen erneuert, die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad Celsius steigen zu lassen. Die Länder wollen jetzt eine verpflichtende Treibhausgasneutralität „bis oder um Mitte des Jahrhundert herum“. Vor allem beim Methan wollen die Länder nachbessern. Sie wollen dazu ihre Anstrengungen beschleunigen und vor allem den Energiesektor umbauen. Für die defizitäre Klimafinanzierung sollen jetzt die Geldströme für die Klimaanpassung erhöht werden. Die Post-Pandemie-Konjunkturpläne sollen stärker auf eine grüne Wirtschaft fokussiert werden. Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch ist bei einem Punkt unzufrieden: „Enttäuschend bleibt die G20 aber beim Abbau der Subventionen für fossile Energien. Da hätten wir uns weitere Konkretisierungen erhofft.“

Die Erwartungen

Glasgow wird am Ende zwischen dem Desaster in Kopenhagen (COP15) und dem Klimavertrag von Paris (COP21) einzuordnen sein. Dieses Jahr hat jedoch der IPCC-Bericht den menschengemachten Klimawandel nicht mehr in Form von Wahrscheinlichkeiten ausgemacht, sondern exakt berechnet. Die Physiker, die den Klimamodellen mathematische Präzision beibrachten haben dieses Jahr den Nobelpreis bekommen [1]. Die Mineralölkonzerne haben über den Klimawandel seit den 1970er Jahren Bescheid gewusst und ihn verleugnet [2].

Glasgow ist nach Paris die wichtigste Klimakonferenz. Die Zeit für ein erträgliches und sorgenfreies Leben läuft ab. Und im Vorfeld wurde klar, dass Paris kaum noch zu erreichen ist [3]. Die Länder müssen sich also auf mehr Klimaschutz und zwar in allen Wirtschaftsbereichen einigen. Die rote Laterne ist längst im Bausektor und der Mobilität angekommen. Für die Wende muss deutlich mehr Geld in die Länder fließen, die auf ihrem Entwicklungsweg dabei sind, den fossilen Umweg zu nehmen. Die größte Gruppe, die in Glasgow nicht vertreten ist, sind die Konsumenten. Vom Fleisch bis zum Auto, von der Wohnung bis zur Kleidung: Nur eine Konsumwende unterstützt die Verhandler in Glasgow.

Lesestoff:

[1] Sechster IPCC-Bericht: https://herd-und-hof.de/handel-/klimawandel-eindeutig-anthropogen-verursacht.html

Nobelpreise an Klimaphysiker https://herd-und-hof.de/handel-/nobelpreis-an-klimaphysiker.html

[2] Bonneuil, C: Early warnings and emerging accountability: Totals´s responses to global warming, 1971 – 2021, in Global Environmental Change 19 October 2021 https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0959378021001655#!

[3] Schlechte Perspektiven für Glasgow: https://herd-und-hof.de/handel-/schlechte-perspektive-fuer-glasgow.html

Roland Krieg; VLE

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