EU-Abkommen mit Zentralamerika
Handel
Dialog und Handel mit Zentralamerika
Am Freitag hat die EU in Honduras ein Assoziierungsabkommen mit den zentralamerikanischen Staaten Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Nicaragua und Panama unterzeichnet. Das Abkommen basiert auf den drei Säulen politischer Dialog, Entwicklungszusammenarbeit und Handel.
EU-Handelskommissar Karel De Gucht: „In der heutigen Wirtschaftssituation ist es für europäische Unternehmen unerlässlich, auf ein stabiles und berechenbares Wirtschafts- und Investitionsumfeld zählen zu können.“ Das Abkommen soll den Unternehmen neue Geschäftsfelder eröffnen. „Europäische Exporteure sparen damit jährlich rund 90 Milliarden Euro Zollgebühren und der Marktzugang für europäische Dienstleistungsunternehmen wie Telekommunikationsbetreiber und Anbieter von Verkehrsdienstleistungen wird verbessert. Zugleich dürfte sich das Abkommen auch positiv auf den gesamten wirtschaftlichen Integrationsprozess in Zentralamerika auswirken und zur Stabilität der Region beitragen“, so De Gucht weiter.
Agrar-Relevanz
Der wichtigste Punkt des Abkommens ist der verbesserte Marktzugang durch Zollkürzungen für verarbeitete und landwirtschaftliche sowie für Fischereiprodukte. Nach einer zehnjährigen Übergangszeit werden alle Zölle fallen und nur für einen kleinen Teil noch fünf Jahre weiter bestehen. Zentralamerika wird dann 67 Prozent seines Handels mit der EU liberalisiert haben.
Die ersten Zölle fallen mit Inkrafttreten des Abkommens für europäischen Whiskey und Weine. Panama ist in der Region der wichtigste Abnehmer für europäischen Whiskey, der im Land rund 70 Prozent Handelsanteil hat. In den anderen Ländern fällt der Importzoll erst nach sechs Jahren. Für Wein und andere alkoholische Getränke entfällt der Zoll für alle Länder mit Inkrafttreten des Abkommens.
Des Weiteren werden Importzölle für Milchprodukte aufgehoben und nur für Milchpulver und Käse nicht. Auf diesen Märkten besitzt die EU jedoch schon zollfreie Einfuhrquoten, die mit dem Abkommen jährlich erhöht werden.
Beide Regionen haben phytosanitäre Abkommen geschlossen, die über den WTO-Standard hinausgehen. So gehört eine Liste von Einrichtungen dazu, die in die jeweilige Region importieren dürfen.
Der EU ist der Schutz geografischer Angaben von Produkten wichtig. Die sechs Länder haben ihre Gesetze angepasst und werden Produkte wie beispielsweise schottischen Whiskey, Parma-Schinken oder Champagner unangetastet lassen. Damit ist einem „Parma-Schinken aus El Salvador“ vorgebeugt.
Nach Angaben der EU wird das Abkommen den zentralamerikanischen Staaten einen Mehrwert von rund 2,6 Milliarden Euro bringen. Der Anstieg des nationalen Einkommens wird unterschiedlich sein. Für Nicaragua werden 0,5 Prozent für Costa Rica 3,5 Prozent prognostiziert. Dem Abkommen wird ein Effekt zur Armutsbekämpfung unterstellt. Vor allem die Exportbereiche für Obst, Gemüse und Nüsse könnten neue Wertschöpfungsketten bilden.
Handelsbilanzen
Die Region handelt traditionell überwiegend mit den USA und Südamerika, der Handel mit der EU wächst jedoch stetig. Im Jahr 2011 hat die EU nach Zentralamerika Waren im Wert von 28,2 Milliarden Euro exportiert und umgekehrt für 24,6 Milliarden Euro importiert. Die meisten Waren aus Zentralamerika sind Büro- und Telekommunikationsgüter (53,9 Prozent sowie Agrarprodukte (34,8 Prozent). Aus Europa sind es meist Maschinen (48,2 %) und Chemikalien (12,3 %).
In Panama nimmt der Anteil der Landwirtschaft am Bruttosozialprodukt (BSP) ab. Lag er 1991 noch bei 9,3 Prozent, so hat er sich im Jahr 2010 mit 5,3 Prozent fast halbiert. Mit der EU hat das Land eine positive Handelsbilanz mit Agrargütern (25 Millionen Euro). Panama taucht in der EU-Liste der wichtigsten Handelspartner unter ferner liefen auf (102.-wichtigster Import- und 61.wichtigster Exportpartner), umgekehrt rangiert die EU in Panama sowohl beim Import als auch beim Export als zweitwichtigste Region hinter den USA.
In Guatemala hat der Anteil der Landwirtschaft am BSP zwischen 2001 und 2010 von 15 auf 13 Prozent leicht abgenommen. Die Handelsbilanz mit Agrargütern mit der EU liegt mit 378 Millionen Euro im positiven Saldo. In der EU-Importliste rangiert das Land auf Platz 91, beim Export auf Platz 98. Guatemala kauft mehr Waren in den USA, Mexiko und China ein und exportiert mehr in die USA, nach Honduras und El Salvador.
Auch in Costa Rica sinkt die Bedeutung der Landwirtschaft. Von 1991 mit 13,4 Prozent Anteil am BSP sind es 2010 mit 6,9 Prozent auch fast nur noch die Hälfte gewesen. Der Agrarhandel mit der EU ist mit über eine Milliarde Euro deutlich positiv. So liegt Costa Rica in der EU-Importliste auf Platz 43. In der Exportliste rangieren sie auf dem 93. Platz. Wie bei Panama ist die EU hinter den USA der zweitwichtigste Import- und Exportpartner.
In El Salvador sank die Bedeutung des Agrarbereiches am BSP nicht ganz so stark. Lag er 1991 bei 17,5 Prozent, so sind es 2010 noch immer 12,7 Prozent. Auch El Salvador hat im Agrarbereich ein positives Handelssaldo mit 226 Millionen Euro mit der EU. Mit den Plätzen 109 auf der Import- und 116 auf der Exportliste rangiert El Salvador am unteren Ende. Auch umgekehrt steht die EU in El Salvador nicht ganz oben. Mehr Waren werden aus den USA, Mexiko und Guatemala gekauft, mehr in die USA und nach Guatemala, Honduras und Nicaragua verkauft. El Salvador handelt in der Region am meisten mit den Nachbarn.
Honduras folgt dem Trend. Die Bedeutung der Landwirtschaft sank zwischen 1991 und 2010 von 22,7 auf 12,5 Prozent BSP-Anteil. Die Agrarhandelsbilanz mit der EU liegt bei 742 Millionen Euro. Auf der EU-Importliste nimmt das Land den 74. auf der Exportliste den 123. Platz ein. So ist die EU für Honduras nach den USA der zweitwichtigste Exportpartner, aber mehr Waren kaufen sie in Guatemala, Mexiko, El Salvador und Costa Rica.
In Nicaragua ist die Bedeutung der Landwirtschaft gestiegen. Leicht, aber von 19,5 auf 21,4 Prozent zwischen 2001 und 2010. Mit der EU wird ein Agrarhandelsplus von 104 Millionen Euro erzielt. Auf den EU-Listen taucht Nicaragua jedoch weit unten auf. Platz 114 auf der Import- und Platz 144 auf der Exportliste. Die EU ist beim Export hinter den USA die zweitwichtigste Region, aber beim Import landet sie auf Platz 8, fast gleichauf mit Südkorea.
Menschenrechtsprüfung
Was dem Abkommen noch fehlt ist die Zustimmung des Europäischen Parlaments, die im Herbst dieses Jahres folgen soll. Die entwicklungspolitischen Sprecher der Grünen auf Bundesebene, Thilo Hoppe, und der EU, Ska Keller, fordern die Ablehnung des Assoziierungsabkommens. Solchen Abkommen müsse eine „verbindliche ex-ante menschenrechtliche Folgenabschätzung“ begleiten. Die beiden Politiker sehen einseitige Vorteile für europäische Unternehmen, die von der Liberalisierung profitieren würden. Sie erinnern vor allem an den vor drei Jahren stattgefundenen Putsch in Honduras, bei dem die Militärs den Präsidenten aus den eigenen Reihen ersetzten. Vor allem Kleinbauern litten unter Ausgrenzung und Missachtung ihrer Rechte.
Roland Krieg