EU: Die nächsten 50 Jahre

Handel

Bayern feiert 50 Jahre EU-Agrarpolitik

Das vergangene Wochenende zeigte bei der öffentlichen Jubiläumsfeier 50 Jahre Römische Verträge überwiegend zufriedenes Publikum. Es weiß Reisefreiheit und eine anhaltende Friedensperiode zu schätzen. Gestern Abend resümierten in der Berliner Landesvertretung Bayerns auch das Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten und der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) die letzten fünf Jahrzehnte.

Erfolg durch Kompromisse
Karl Dürbeck, Vorsitzender des Agrarausschusses der BGA erinnerte an die stärkste Motivation der europäischen Einigung nach dem Zweiten Weltkrieg. Das „Trauma der Knappheit“, das sich die meisten Menschen in Europa heute nicht mehr vorstellen können.
Das Zusammenwachsen war aber von Beginn an kein einfacher Prozess, wie es Prof. Dr. Winfried von Urff in seinem Vortrag darlegte. Jedes Land hatte zu Beginn eine nach innen gerichtete Wirtschaftspolitik und ein anderes Preisniveau als der Nachbar. Dieses in einem gemeinsamen Markt unter einen Hut zu bringen, Interventionen abzubauen und Zölle zu senken, war noch viel schwieriger als heute.
Am 25. März 1957 wurden schließlich von den sechs unterzeichnenden Ländern Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Italien und die Niederlande in Rom die Verträge unterzeichnet, die praktisch die Verträge über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EKGS), Euratom und die europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) zusammenführten. Damit wurde Churchills Vorschlag von 1946 die „Vereinigten Staaten von Europa“ zu schaffen, langsam wahr.
Prof. Urff erinnerte aber auch daran, dass nicht alles so reibungslos funktionierte, wie es im Rückblick erscheinen mag. Der Streit um die Finanzierung der europäischen Agrarpolitik lähmte zwischen Juni 1965 bis Januar 1966 die Institutionen, weil Frankreich mit der so genannten „Politik des leeren Stuhls“ die EG in eine tiefe Krise stürzte. Auf Betreiben de Gaulles blieb das Land dem Rat fern, bis der Luxemburger Kompromiss beschied, dass bei „lebenswichtig nationalen Interessen“ Einstimmigkeit erreicht wird.
Gerade der Agrarbereich wurde in der Vergangenheit immer kostspieliger. Lag der Etat 1970 noch bei 2,2 Milliarden Währungseinheiten, stieg er über 25 Mrd. im Jahr 1990 bis auf 42 Milliarden Euro im Jahr 2005. Dabei wird eine gemeinsame Marktordnung Schritt für Schritt realisiert. Aktuell treibt die EU die gemeinsame Marktordnung für Obst und Gemüse voran.
Seit Beginn fragen sich die Bauern, wo die bessere Agrarpolitik gemacht wird? In Brüssel oder in Bonn/Berlin? Es wird darauf keine Antwort geben. Prof. Urff fügte an, dass beispielsweise die Erwartungen, mehr Futtergetreide nach China liefern zu können, nicht eintraf – China baut die Futtermittel mittlerweile selbst an. Die britischen Farmer haben mit dem Beitritt Großbritanniens 1973 sich auf die Gewinnerseite stellen können und Irland gilt gemeinhin als Erfolgsmodell, das durch die EU profitieren konnte.
Die Gemeinschaft hat nach der McSharry-Reform den Bauern vielerorts „witterungsunabhängige Schecks“ eingebracht und auch „Gatt habe die Bauern nicht platt“ gemacht. Der Produktionsfortschritt hat nach Analyse Urffs vieles wieder ausgeglichen und der Lebensmittelhandel ist auf den neuen Märkten in Osteuropa sehr aktiv.
Kritik an der EU sei meist die Befürchtung, einen „Teil des Besitzstandes verlieren zu müssen“. Befürchtungen und Ängsten müsse man aber auch Chancen und Einkommen entgegenstellen, wobei Prof. Urff dann einen optimistischen Blick in die Zukunft wagte: Aktuell wollen die Amerikaner ihre Bioethanolproduktion auf 22 Millionen Tonnen verdoppeln und auch Brasilien arbeitet auf ein vergleichbares Volumen hin. Hier werden Flächen aus der Nahrungsmittelproduktion genommen. Bevölkerungswachstum und die Nachfrage nach veredelten Produkten resultieren in höheren Lebensmittelpreisen.
So sprach Dürbeck in seiner Zukunftsperspektive von einem neuen Trauma – das der Energieknappheit. Die Flächenkonkurrenz werde jedoch in den Entwicklungsländern größere Auswirkungen haben als in Europa.

EU ist nicht nur Agrarpolitik
Das die EU nicht nur aus Sicht der Bauern betrachtet werden sollte, mahnte Bayerns Staatsminister für Landwirtschaft und Forsten, Josef Miller, an: „Ohne die EU wäre die Wiedervereinigung nicht möglich gewesen!“
Aber auch die bayrische Agrarwirtschaft profitiert von der Gemeinschaft. Seit 1957 hat sich der bayrische Exportwert an Agrar- und Ernährungsgüter von 80 Millionen auf 5,9 Milliarden Euro vergrößert. 85 Prozent gehen davon in die EU-Mitgliedsländer. „Die Erweiterungsrunden waren immer ein Gewinn für die bayrische Ernährungswirtschaft“, was Miller mit weiteren Zahlen unterlegen konnte: Für 470 Millionen Euro gehen Waren in die Osterweiterung.
Miller denkt aber auch an die bäuerliche Praxis. Eine einzelne Maßnahme sei nicht das Problem der EU-Bürokratie und dachte sicherlich an den Januar zurück, als die Gemeinschaft Karpfen und Regenbogenforelle „als nicht heimische Arten“ einstufen wollte. Damit hätten die 10.000 freistaatlichen Teichwirte neue Anträge für die wichtigsten Fischarten stellen müssen. Die Regenbogenforelle wurde vor 130 Jahren aus Nordamerika in Deutschland eingeführt und den Karpfen brachten die Römer bereits vor 2000 Jahren mit.
Schwieriger sei vielmehr die Summe der Einzelmaßnahmen, die das bäuerliche Leben schwer machten. „Wir brauchen mehr Selbststeuerung“, forderte Miller. Immerhin positioniert sich der Freistaat mit Clustern gegenüber den sich verändernden Marktbedingungen, wie jüngst gerade erst im Bereich von Obst und Gemüse.

Wer gewinnt, wer verliert?
Bei manchem Streit in und über die EU wird gerne auf Gewinner und Verlierer polarisiert. In der Bilanz nach fünf Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass es nie nur Gewinner und nie nur Verlierer gibt und Anton Börner, Präsident des BGA, sieht die Agrarwirtschaft sogar als Katalysator zum Wohlstand für offene Gesellschaften. Alternativen wie dem chinesischem Modell gibt er weniger Chancen.
So kann man die 50 Jahre EU zusammen fassen und nach vorne blicken: Die Marktwirtschaft produziert nicht nur Gewinner. Oder, nach bayrischer Lebensart: „´s passt scho!“

Roland Krieg

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