EU eröffnet Beihilfeverfahren gegen Deutschland-EEG
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Beihilfeverfahren EEG: Reine Nervensache
Lang erwartet, wenig herbeigesehnt hat die EU am Mittwoch ein Beihilfeverfahren gegen Deutschland eröffnet. Geprüft wird, ob die Teilbefreiung von der EEG-Umlage mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht. Auch das Grünstromprivileg steht auf dem Prüfstand. Die Unternehmen bekommen eine Teilbefreiung, wenn die Strommenge eines Lieferanten mindestens zur Hälfte aus inländischen Kraftwerken stammt. Verbraucher und Wettbewerber hatten sich bei der EU beschwert, weil das EEG 2012 erheblich geändert wurde. Damit könnten die Befreiungen als staatliche Beihilfe verstanden werden, weil sie aus staatlich kontrollierten Mitteln finanziert werden. Die Reaktionen auf das Verfahren zeigen, dass es kaum eine einheitliche Sicht für den Weg mit den erneuerbaren Energien gibt.
Ruhe bewahren
Hans-Josef Fell, Autor des EEG, empfahl zunächst
einmal, Ruhe zu bewahren. Es gebe keine unmittelbaren Auswirkungen auf gesetzlich
garantierte Investitionsgrundlagen. Das
Prüfverfahren wird sich eineinhalb Jahre hinziehen und der Ausgang sei völlig
ungewiss. Fell allerdings unterscheidet zwischen Einspeisevergütung und
Umlage-Erleichterung. Es bestehe durchaus die Gefahr, dass das ganze EEG als
ungerechtfertigte Beihilfe gekippt werden könnte – aber der Europäische
Gerichtshof habe im Fall Preußenelektra im Jahr 2001 die Einspeisevergütung
nicht als Beihilfe eingestuft. Fell sieht in der Aussage, dass das EEG an sich
beihilfekonform sei. die gefährlichste Aussage. Damit hätte Wettbewerbskommissar
Joaquin Almunia die Möglichkeit geschaffen, bei negativem Prüfergebnis gleich
das ganze EEG zu kassieren. Der Wettbewerbskommissar habe in seiner
Antragsstellung die Leistungen der neuen Energien nicht gewürdigt und schlägt mit
einem Ausschreibeverfahren auch nur einen Wettbewerbsnachteil vor. Viele
Akteure wären von Investitionskapital ausgeschlossen.
Die Kritik am Grünstromprivileg habe ihn entlarvt. Es
gehe ihm um die Zurückdrängung der Händler, die ihren grünen Strom direkt vermarkten.
Geschützt werden konventionelle Stromhändler. Die Kohle- und Atomstromlobby
habe noch immer großen Einfluss auf die Kommission, warnte Fell: „Da die
EU-Kommission gemäß dem Lissabonvertrag aber keinen gesetzgeberischen Einfluss
auf den Energiemix der Nationalstaaten hat, versuchen Energiekommissar
Oettinger und Wettbewerbskommissar Almunia seit Jahren über die
Warenverkehrsfreiheit und das Beihilferecht Einfluss auf die Energiegesetzgebung
zu erlangen, um so ihre oft erklärten Vorstellungen der Eindämmung des
Wachstums der Erneuerbaren Energien Realität werden zu lassen.“
Um Almunias Waffen stumpf zu machen sollte die neue
Bundesregierung „ungerechtfertigte Ausnahmen von der EEG-Umlage von nicht im
Wettbewerb stehenden Unternehmen wieder abzuschaffen.“
Optimistischer ist Dr. Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE). Er sieht in dem Antragsverfahren die EEG-Einspeisevergütung als gesichert an.
Die klassische Sicht
Die CDU/CSU fürchtet um den internationalen Wettbewerb, wenn die Umlagenbefreiung wieder abgeschafft würde: „Die Entlastungen der energieintensiven Industrien von der EEG-Umlage dürfen nicht in Frage gestellt werden. Alles andere wäre ein fatales Signal für den Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland. Ohne diese Entlastungen ist die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie in Deutschland nicht mehr gewährleistet. Die Folge wären Werksschließungen, die Zerstörung essentieller Wertschöpfungsketten und die Vernichtung zehntausender Arbeitsplätze“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Joachim Pfeiffer. Der neue Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel müsse Brüssel nun entschieden entgegentreten.
Reform des EEG
Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), sieht den „Kern der Problematik“ getroffen. Das EEG müsse dringend überarbeitet werden, was der EU-Antrag deutlich unterstreiche. Der VKU hält die Umlagebefreiung nicht nur wegen beihilferechtlicher Fragen, sondern auch wegen der ungleichen Lastverteilung zwischen Industrie und Privatkunden für problematisch. „Wir stehen nach wie vor zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Allerdings muss dieser geordneter und integriert in ein Gesamtkonzept erfolgen“, so Reck.
Überarbeitung Beihilferecht
Almunia will vor dem Hintergrund des Verfahrens auch die Beihilfeleitlinien überarbeiten. Eine Neufassung „stellt einen umfassenden Angriff auf das EEG dar“, sagte Dr. Falk vom BEE: Die EU-Richtlinie für Erneuerbar Energien weist den einzelnen Ländern die Hoheit über die Förderung der neuen Energien zu. Sonst wären die Ausbauziele bis 2020 nicht zu erreichen. „Der Leitlinienentwurf von Almunia ist in keiner Weise akzeptabel. Wir gehen vielmehr davon aus, dass die neuen Beihilfeleitlinien so ausgestaltet werden, dass die Mitgliedsstaaten weiterhin den notwendigen Spielraum beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und den dafür geeigneten Förderinstrumenten behalten“, erklärt Falk.
Baden-Württembergs Europaminister Peter Friedrich will den von der Kommission vorgelegten Entwurf der Leitlinien für Umwelt- und Energiebeihilfen genau prüfen. Mit den Leitlinien werde erstmals ein europaweiter Rahmen für Beihilfen im Energiesektor gesetzt: „Die Idee der Umwelt- und Energieleitlinien der Europäischen Kommission ist es, die Marktverzerrung zu verringern, Überkompensationen zu vermeiden und die Kosten zu senken“, erklärte der Europaminister. „Dieses berechtigte Anliegen darf aber nicht dazu führen, dass die Energiewende in Deutschland von Brüssel aus gebremst wird.“ Die im Brüsseler Entwurf genannten Quotenmodelle, Marktprämien oder der Ansatz nur technologieneutrale Fördersystematik zuzulassen, bevorzuge das preiswerteste Modell und damit eine „Monokultur“ bei den neuen Energien. Langfristig führe das zu höheren Kosten.
Antrag gegen Deutschland
Die Alternative für Deutschland wittert eine konzertierte Aktion gegen Deutschland. „Letztlich geht es darum, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu schwächen, um die wirtschaftliche Situation der übrigen EU-Staaten zu verbessern“, kommentierte AfD-Sprecher Bernd Lucke das Verfahren. Es fiele in das gleiche Muster wie die Kritik an den Leistungsbilanzüberschüssen.
Roland Krieg