EU-Handelskrieg mit Russland?
Handel
EP fordert harte Maßnahmen gegen Russland
Seit dem Importverbote lebender Tiere nach Russland im
März 2012 sind zehn weitere Maßnahmen gegen EU-Mitgliedsländer verhängt worden.
Damals begründete Russland die Maßnahmen mit dem Ausbruch des
Schmallenbergvirus, führte EU-Handelskommissar Karel de Gucht am Mittwoch im
Europaparlament aus.
Speziell die Fleischbranche in Deutschland leidet unter
den Handelsrestriktionen mit dem Nachbarn, zu dem einmal deutlich bessere
Beziehungen bestanden haben. Das Bundeslandwirtschaftsministerium führt leise „Sondierungsgespräche“
mit der russischen Veterinärbehörde durch. Die kleine Kontaktstelle wird von
Staatssekretär Robert Kloos geführt und holte sich beim obersten russischen Veterinär
Sergey Dankvert am 20. September blutige Nasen. Nach Dankvert sind die
Verletzungen der russischen Hygienestandards durch deutsche Betriebe in den
letzten acht Monaten nicht geringer geworden. In diesem Jahr haben die Russen bis
heute 104 Fälle notiert und mussten 16 Nicht-Manipulationserklärungen einreichen.
Im Jahr davor waren es 130 Verletzungen und 22 Nicht-Manipulationserklärungen. Kloos´
Mission scheiterte.
Verbote, Verbote, Verbote
Zum Teil auch, weil trickreich umdeklariert werde.
Rosselkhoznadzor, die Veterinärbehörde in Moskau, meldete am 07. Oktober, dass
aus Finnland verkaufte Rohdärme von deutschen Schafen in Wahrheit argentinische
Rinderdärme gewesen seien. Dennoch wurde versucht, die Ware innerhalb von zwei
Tagen nach Russland zu importieren, beklagt die russische Behörde.
Alleine am 04. Oktober hat Rosselkhoznadzor folgende
Waren zurückgewiesen oder verschärfte Kontrollen angeordnet: Tiefkühl-Krebse
aus Chile, Tiefkühl-Schweinefleisch aus Chile, TK-Schweinefleisch aus Italien,
zwei Tonnen Hering aus Estland, TK-Schweinefleisch aus den USA, keimbelasteten
Schinken aus der Slowakei, keimbelastetes Geflügelfleisch aus Polen,
litauischen Fisch, Fleisch aus Brasilien, verdorbenes Fleisch und schlechte Milchqualität
aus Weißrussland und Fleisch aus der Ukraine.
Sonderkontrollen für Litauer
Ohne Begründung hat Russland Sonderkontrollen für
litauische Lkw am 12. September eingeführt. Das betrifft 650 litauische
Spediteure, die rund 13.000 Lkw unterhalten und überwiegend Ware nach Russland
transportieren. Nach der deutschen Liberalen Gesine Meissner werden die
litauischen Lkw auf ihrer Fahrt durch Russland polizeilich eskortiert. Litauen
exportiert rund 90 Prozent seiner Milch und Molkereiprodukte nach Russland. Die
Kontrollen und Restriktionen betreffen die ganze Milchindustrie des baltischen
Landes. Meissner erinnerte am Mittwoch, dass Russland Mitglied der WTO ist und
sich an internationale Handelsregeln halten muss. Litauen beziffert seine Verluste
auf zwei Millionen Euro am Tag.
Die EU hat Russland bereits um Aufklärung gebeten, aber
seit dem 18. September keine Antwort erhalten, beklagte de Gucht. Die EU wolle
beim nächsten WTO-Rat die Angelegenheit zur Sprache auf technischer Eben bringen.
Die Hygienestandards entsprächen oftmals keinem vernünftigen Maß mehr und seien
wissenschaftlich nicht zu begründen.
Streit um das Baltikum?
Für den deutschen Christdemokraten Daniel Caspary mache
es sich die EU mit dieser Einstellung zu leicht. Erst am Dienstagmorgen wurden
erneut litauische Milchtransporte nach Russland verhindert. Die EU solle den
russischen Botschafter einberufen und ihre Botschafter in Moskau auffordern,
das Thema anzusprechen. Es gehe nicht um Molkereiprodukte. Russland torpediere
die europäische Nachbarschaftspolitik, erklärte Caspary.
Die litauische Sozialdemokratin Vilija Blinkeviciute bat
im EU-Parlament den Handelskommissar um Hilfe. Vytautas Leskevicius,
stellvertretender Minister für Europäische Angelegenheiten in Litauen, sieht
die ganze EU in Gefahr. Es geht nicht nur um Litauen, sondern um die
europäische Handelspolitik. Es habe bereits eine Kampagne gegen litauische
Molkereiprodukte gegeben und das Land, das derzeit den europäischen Ratsvorsitz
innehat und die nächste Ratssitzung vorbereitet, könne sich nicht sicher sein,
was als nächstes passiere.
Unterstützung bekommt er vom lettischen Nachbarn Roberts
Zile (Konservativer). Russland habe das mit den anderen baltischen Ländern bereits
durchexerziert und wolle seine ehemaligen Staaten dadurch disziplinieren. Zile
warnt die EU davor, Litauen als EU-Mitgliedsland im Stich zu lassen. Damit
würde die EU weltweit ihr Gesicht verlieren.
Beweise sammeln
De Gucht glaubt auch, dass die Restriktionen gegen Litauen eher politisch motiviert sind. Das bedeute aber auch, dass die EU sich für die WTO gut vorbereiten muss. Man brauche eine gute Analyse, um vor dem Schiedsgericht erfolgreich zu sein. Das sei derzeit besser, als den Botschafter einzuberufen und den Russen auf politischer Ebene zu antworten. De Gucht sprach sich aber dafür aus, den Russen klar zu machen, dass sich die ganze EU durch die Restriktionen gegen Litauen angegriffen fühlt. Eine magische Lösung habe er aber nicht parat.
Treffen diese Woche
Für diesen Freitag ist ein Treffen zwischen Sergey Dankvert und dem Direktor der EU-Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher, Ladislav Miko, anberaumt. Das Treffen ist schon länger geplant und findet mit den Gesundheitsbehörden aus Weißrussland und Kasachstan statt. Hauptsächlich geht es um die Afrikanische Schweinepest. Es soll aber auch um Quarantänemaßnahmen bei Pflanzenmaterial gehen. Da steht das Verbot der Einfuhr von Pflanzkartoffeln auf der Agenda ganz oben.
Roland Krieg