EU-Haushaltsdebatte nach dem Brexit
Handel
EU-Neuordnung braucht neuen Finanzrahmen
Der Blick in die Kasse fällt schwer. Oft finden Träume ihre monetären Grenzen. In den nationalen Haushalten gehören Haushaltsdebatten zu den komplexesten ihrer Art. Jedes Ressort meldet seine Ansprüche an. Davon ist die Europäische Union nicht gefeit. Schon gar nicht vor dem Hintergrund von Flüchtlingskrise und Brexit.
Überprüfung MFR
Am Dienstag debattierte das Europaparlament in Straßburg über den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der laufenden Förderperiode 2014 bis 2020. Bis Jahresende muss eine Halbzeitbewertung vorliegen. Das ist so vorgesehen, weil der Finanzrahmen an die aktuelle wirtschaftliche Situation angepasst werden müsse. Und Bedarf gibt es reichlich, wie die Berichterstatter Jan Olbrycht (EVP, Polen) und Isabelle Thomas (Sozialdemokratin, Frankreich) ausführten: Flüchtlingskrise, externe Notfälle, innere Sicherheitsprobleme, Krise im Agrarsektor, die Finanzierung des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) , Arbeitslosigkeit, Armut und soziale Ausgrenzung. Die Krisen nehmen seit der Finanzkrise 2008 nach der EU-Haushaltskommissarin Kristalina Georgieva bis zum aktuellen Brexit kein Ende mehr.
Probleme für den Haushalt
Vor allem die Jugendarbeitslosigkeit ist dramatisch
hoch und gilt als das schwerste Problem der EU. Im Februar 2016 waren 4,4
Millionen Menschen unter 25 Jahren arbeitslos, was in einigen Mitgliedsstaaten
einem Anteil von 40 und in einigen Regionen von 60 Prozent entspricht. Nicht
besser sieht es bei den Investitionen aus. Im Jahr 2014 lagen sie 15 Prozent
unter dem Niveau des Jahres 2007, dem Beginn der letzten Förderperiode. Ein
Rückgang um 450 Milliarden Euro. Auch die Zahlungsmoral der Mitgliedsländer
bessert sich nur schleichend. Schon im letzten MFR wies der Haushalt
Zahlungsrückstände auf, die in den aktuellen Haushalt übernommen werden mussten
und 2014 den Rekordstand von 24,7 Milliarden Euro ausmachten. Bis Jahresende
werde auf Drängen des Europaparlamentes über einen Zahlungsplan ein Stand von
minus zwei Milliarden erreicht.

Die spanische Sozialdemokratin Eider Gardiazabal Rubial bleibt skeptisch und fragte woher das Geld stammen soll, dass für den Türkei-Deal, die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die Umsetzung der Pariser Klimaziele COP21 gebraucht werde? Sie forderte nicht allein weniger Geiz für den EU-Haushalt.
Der Haushalt gilt als Motor einer Politik und zeigt, welche Prioritäten gesetzt werden sollen. Der EU-Haushalt braucht eine Unterstützung der Europäer. Die deutsche Sozialdemokratin Kerstin Westphal empfiehlt eine Stärkung der Strukturpolitik, weil das die für die Bürger sichtbarste Politik der EU sei. Ihr portugiesischer Parteikollege Pedro Silva Pereira unterstrich, dass neue Haushaltsvorgaben nicht auf Kosten der Kohäsionspolitik umgesetzt werden dürften.
Wohin die Reise geht, wird auch die heutige Abstimmung im Plenum noch nicht aufzeigen. Kommissarin Georgieva sieht die Gratwanderung zwischen steigendem Bedarf und sinkenden Ressourcen. Die verbleibenden Mittel müssten besser ausgenutzt werden. Der französische Linke Younous Omarjee forderte gar eine generelle Neuausrichtung nach dem Brexit, bis dessen Folgen für den Etat abgeschätzt sind. Zusätzliche kleine Mittel an verschiedenen Etat-Posten würden den Herausforderungen nicht gerecht.
Agrarsektor
Peter Jahr (CDU) betonte, dass der Agrarhaushalt einer der zuverlässigsten der EU mit der geringsten Fehlerquote sei und nicht geschmälert werden dürfe. In den Berichterstattern hat er starke Befürworter. Jede Kürzung in diesem Bereich gefährde den territorialen Zusammenhalt in der EU, heißt es im Bericht, der sich zudem gegen Tendenzen der Renationalisierung der Agrarpolitik ausspricht.
Haushaltsaufteilung
EU-Etat fuer 2016
Haushalt nach 2020
Die EU verfügt derzeit über keine Eigenmittel, was bei der Planung des Budgets 2014 bis 2020 schon zu Debatten und Forderungen führte. Bis Ende des Jahres wird eine hochrangige Arbeitsgruppe einen Bericht über Eigenmittel vorlegen und bis Ende 2017 soll ein Gesetzespaket für die Zeit ab 2021 vorsieht.
Bis dahin muss auch ein erster Vorschlag für den neuen MFR ab 2020 vorliegen, der alle Politiken bis hin zum Brexit verarbeitet haben muss. Möglich ist eine Verkürzung der Laufzeit auf fünf Jahre. Das entspricht der Legislaturperiode des Europaparlamentes.
Roland Krieg