EU kürzt Ungarn die Gelder
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Brüssel verliert bei Ungarn die Geduld
Am Sonntag hat die EU-Kommission mitgeteilt, dass wegen der anhaltenden Verstöße Ungarns gegen die Rechtsstaatlichkeit erstmals in der Geschichte der Europäischen Union die Milliardenschweren Zahlungen an das Land aus dem EU-Haushalt einzustellen. Dazu gab es am Sonntag eine Kommissionssitzung, nach der EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn folgendes sagte: „Der heutige Beschluss ist ein klarer Beleg für die Entschlossenheit der Kommission, den EU-Haushalt zu schützen und für dieses wichtige Ziel alle uns zur Verfügung stehenden Instrumente zu nutzen.“
Eklatante Mängel bei Ausschreibungen
Hintergrund ist ein von der EU eingeleitetes Verfahren gegen Ungarn am 27. April dieses Jahres. Die ungarische Regierung hat sowohl am 22. August als auch am 13 September zu den Vorwürfen Stellung genommen. Die in den Schreiben dargelegten Abhilfemaßnahmen könnten die vorliegenden Probleme lösen „wenn sie in den einschlägigen Gesetzen und Vorschriften im Einzelnen ordnungsgemäß festgelegt und entsprechend umgesetzt werden.“
Mit dem Beschluss vom Sonntag will die EU ihren Haushalt schützen. Im Einzelnen werden drei operationelle Programme im Rahmen der Kohäsionspolitik zu 65 Prozent ausgesetzt. Es dürfen keine rechtlichen Verpflichtungen mit gemeinnützigen Treuhandstellen eingegangen werden im Rahmen von Programmen, die in direkter und indirekter Mittelverwaltung durchgeführt werden.
Die Entscheidung fällt im Ministerrat der EU mit einer qualifizierten Mehrheit. Ungarn hat sich verpflichtet, die Kommission bis zum 19. November umfassend über die Erfüllung der wichtigsten Umsetzungsschritte zu unterrichten.
Ungarn hat sich in den Schreiben mehrfach über die Unverhältnismäßigkeit zwischen Vorwürfen und Reaktion geäußert. Es gebe keine ausreichende Datengrundlage und die Untersuchung sei diskriminierend.
EU-Gelder sind in Ungarn nicht mehr sicher
Die EU hält aber fest, dass es in den Förderperioden 2007 bis 2013 und 2014 bis 2020 systematische Fehler bei öffentlichen Ausschreibungen gegeben habe. Die Auswertung von ungarischen Daten belegen zudem, dass bei Ausschreibungen zum Teil nur ein Bieter teilgenommen habe. Die ungarischen Verbesserungen haben zu keinem echten Fortschritt geführt, heißt es in der umfassenden Analyse der Kommission. Auf der Basis von 270.000 Ausschreibungen zwischen 2005 und 2021 habe die Haushaltskommission eine Verengung der Bieter und eine steigende Verbindung der Bieter zur Regierungspartei festgestellt. Letztere gewannen 1,5 bis 2,1 Mal häufiger eine nationale und europäische Ausschreibung.
Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass EU-Gelder nicht regulär verwendet werden, es keine ausreichende Qualitätssicherung gebe und es an Sanktionen bei Fehlausgaben mangelt. Die von Ungarn eingerichtete „Integritätsbehörde“ sei unzureichend.
Die drei betroffenen Programme sind:
Das Umwelt und Energieeffizienz Programm Plus. Das Programm für integrierten Transport und das räumliche und Siedlungs-Entwicklungsprogramm. Der Gesamtumfang der zurückgehaltenen Gelder soll rund 7,5 Milliarden Euro betragen.
„Ungarn ist keine Demokratie mehr“
Schon in der letzten Woche haben die EU-Parlamentarier eine systematische Aushöhlung europäischer Werte in Ungarn schriftlich festgehalten und den Bericht der Grünen Gwendoline Delbos-Corfield aus Frankreich bestätigt. Die Abgeordnete sagte: „Ungarn ist keine Demokratie mehr. Für das Europaparlament war es notwendiger denn je, das festzustellen.“ Die Fidesz-Partei regiere zunehmend autokratisch und das Parlament wollte am 15. September mit der Annahme des Berichtes ein Signal an die Kommission und den EU-Rat senden. Der Bericht bezieht sich auf die mangelnde Freiheit der Justiz, Menschenrechte, akademische und religiöse Freiheit und Pressezensur.
Roland Krieg
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